Benediktinermönche brachten im Spätmittelalter dem Granitkegel vor der normannischen Küste das Beten bei: ab 1204 gaben sie der auf dem Berg bereits bestehenden Abtei aus karolingischer und romanischer Zeit ein neues, himmelstürmendes Aussehen. Den Chor der Abteikirche bauten sie in gotischem Flamboyant mit einem Wald von Fialen um, am Nordabsturz des Bergs türmten sie auf drei Stockwerken Vorratshaus, die Residenz des Almosenpflegers, den Schreibsaal, einen standesgemässen Empfangsraum für Könige und assortierte VIP-Besucher sowie, zuoberst, Kreuzgang und Speisesaal der Mönche übereinander.
Zu Recht heisst der Stapel, ein Wunder hochgotischen Bauens, „La Merveille“.Hier kamen Natur und Architektur zum Gottesdienst zusammen. Dabei vergassen die Mönche auch ihre irdische Sicherheit nicht: Mont-Saint-Michel wurde zur Klosterfestung. Im Hundertjährigen Krieg, die Normandie fest in englischer Hand, widerstand das Wehrkloster als einziger fester Platz Beschuss, Belagerung und Belästigung. Die Klosterfestung empfahl sich nach der Französischen Revolution als Gefängnis – eine Art Alcatraz im Wattenmeer (mit einem Tidenhub von bis zu 14 m).
Die Benediktiner kehrten erst 1969 als Dauerbewohner auf den Berg zurück, aber verliesssen ihn schon 2001 wieder. Heute beten und arbeiten dort einige Brüder und Schwestern der „Gemeinschaften von Jerusalem“. Zusammen mit den „Montois“, den 44 Dauerbewohnern (2009) des Ortes am Bergfuss, setzen sie sich mit dem jährlichen Ansturm von mehr als 3 Millionen Besuchern, darunter auch einigen Pilgern, auseinander. Der Klosterberg kam 1979 auf die Welterbeliste – und, doppelt gemoppelt, 1998 nochmals in seiner Eigenschaft als Denkmal auf dem französischen Abschnitt des Jakobswegs. Frankreich liess sich in den letzten sechs Jahren die Welterbestätte nahezu 200 Millionen Franken kosten – für Megaparkplätze, eine hochwassersichere Bahn auf einer Stelzbrücke für den Pendelverkehr und wasserbauliche Eingriffe, um die Versandung und Verlandung der Bucht zu stoppen und den Inselcharakter des Klosterbergs zu sichern. Jahr der Aufnahme: 1971. (Copyright Georg Gerster/Keystone)