Bislang war der Monsanto-Mais die einzige für den Anbau in Deutschland zugelassene genveränderte Pflanze. „Nach dem schlagzeilenträchtigen Verbot dürfte sich der Name Monsanto nun bei vielen (Verbrauchern) als Quelle von gefährlichen Lebensmitteln festsetzen“, befürchtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Diese Entscheidung zeige, wie es tatsächlich „um die Forschungs- und Innovationsfreudigkeit der Union bestellt ist“, wetterte das Blatt. „Welches Unternehmen, welcher Landwirt sollte unter diesen Umständen noch wagen“, neue Verfahren zu entwickeln?
Vor allem in Europa sieht sich Monsanto einer hitzig geführten Debatte um mögliche Risiken durch genveränderte Lebensmittel gegenüber. „Auch die Geschäftspraktiken des Unternehmens geraten immer wieder ins Zwielicht“, räumen die Frankfurter Redakteure ein.
Beinahe ein Monopol
Um die Rendite allerdings muss sich kein Anleger Sorgen machen. In manchen Bereichen hat Monsanto beinahe eine Monopolstellung. Es ist weltweit der grösste Lieferant von Saatgut und der grösste Hersteller genveränderten Saatguts. 90 Prozent des Saatguts für Sojabohnen kommen aus der Produktion von Monsanto, bei Baumwolle und Mais ist die Dominanz des Konzerns mit Hauptsitz in St. Louis kaum geringer.
Gleichzeitig verkauft das Unternehmen jedes Jahr für vier Milliarden Dollar Herbizide. So stieg der Umsatz der Firma 2011 gegenüber dem Vorjahr um 36 Prozent auf 11,4 Milliarden Dollar, der Nettogewinn erhöhte sich um mehr als das Doppelte von 990 Millionen auf zwei Milliarden Dollar.
Dabei ist die Firma verglichen mit den Konkurrenten von Cargill, Bunge oder BASF, die schon seit 100 Jahren im Agrobusiness tätig sind, eigentlich ein Neuling. Bis in die siebziger Jahre konzentrierte sich Monsanto überwiegend auf die Herstellung chemischer Produkte wie die in Kühlmitteln oder als Weichmacher eingesetzten PCBs (polychlorierte Biphenyle) oder die Pestizide DDT und Agent Orange. Doch nach etlichen PCB- und Dioxinskandalen, nach dem Verbot dieser Giftstoffe durch den US-Kongress sowie dem Ende des Vietnamkrieges, das die Nachfrage nach dem Entlaubungsmittel Agent Orange drastisch reduzierte, trennte sich Monsanto von den verrufenen chemischen Firmenzweigen und setzte auf die neue, vielversprechende Biotechnologie. (Monsanto war dabei beraten von einem jungen Mitarbeiter der Bostoner Consultingfirma Bain & Company – dem späteren republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney.) Doch auch gegen die neuen Produktlinien regte sich Widerstand.
Ein viel kritisiertes Herbizid
So stellten Wissenschaftler fest, dass Monsantos Roundup, das weltweit meist benutzte Herbizid, so häufig eingesetzt wird, dass der giftige Bestandteil Glyphosat inzwischen in Nahrungsmitteln, in Wasser und sogar in der Luft vorkommen. Eine deutsche Untersuchung wies Glyphosatwerte im Urin von Arbeitern nach, die fünf- bis zwanzigmal über den zulässigen Werten lagen. Französische Wissenschaftler veröffentlichten in den letzten Jahren mehrere Untersuchungen, wonach Roundup krebserregend sein könne. Roundup wurde mit Geburtsfehlern bei Labortieren in Verbindung gebracht und soll den Pilzbefall bestimmter Wurzeln auslösen.
Eine österreichische Studie entdeckte DNA-Veränderungen bei Tieren, die Roundup ausgesetzt waren. Kaulquappen reagierten auf Roundup wie auf einen gefährlichen Feind und veränderten ihr Aussehen. Und im April berichteten Wissenschaftler in Shanghai, dass Glyphosat neurodegenerative Störungen ähnlich der Parkinsonschen Krankheit verursachten. Dabei sollen sich in den USA sogenannte „Superunkräuter“, die Glyphosat-resistent sind, bereits auf Millionen Hektar Land ausgebreitet haben.
Dass sich solche Erkenntnisse nicht allzu negativ auf die Bilanzen von Firmen wie Monsanto auswirken, dafür sorgen wissenschaftliche Beraterfirmen wie Exponent Inc. oder Cantox. In seinem Buch „Zweifel ist ihr Produkt“ bezeichnete der ehemalige US-Beamte David Michaels Exponent Inc. als „eines der führenden Unternehmen im Produktverteidigungsgeschäft“, das berühmt für seine Fähigkeit sei, „Unsicherheit zu schaffen“.
Cantox präsentiert sich als Unternehmen, das „Pläne zur strategischen Regulierung und Einhaltung geltender Vorschriften“ entwickelt, die „termingerechte weltweite behördliche Zulassungen erleichtern“ und „unsere Kundeninteressen schützen“. So half Cantox Monsanto, eine Unbedenklichkeitsstudie für Roundup in dem wissenschaftlichen, industriefreundlichen „Journal Regulatory Toxicology and Pharmacology“ unterzubringen. Schon 2003 hatten 40 Wissenschaftler in einem Brief den „Interessenkonflikt“ des Magazins beklagt, das als „günstiger Platz für Veröffentlichungen von Firmenstudien“ diene.
Monsanto gemeinsam mit WTO, IMF und Weltbank
Besonders in den Ländern der sogenannten Dritten Welt stehen internationale Einrichtungen wie die World Trade Organisation (WTO), die Weltbank oder der Weltwährungsfonds (IMF) Unternehmen wie Monsanto bei.
Das WTO-Agreement on Agriculture (AoA) und die von Weltbank und Weltwährungsfonds angeordneten strukturellen Anpassungsprogramme (SAPs) zwangen die Entwicklungsländer zu gewaltigen Änderungen ihrer Nahrungsmittel- und Landwirtschaftspolitik. Sie mussten ihre Länder für billige Einfuhren aus den USA und Europa öffnen und gleichzeitig die Hilfsprogramme für ihre eigenen Bauern reduzieren. Oxfam bezeichnete das Landwirtschaftsabkommen schlicht als „Betrug“, der die Verelendung der ländlichen Bevölkerung vorantreibe und die Kleinbauern vernichte. Gegen die amerikanischen und europäischen hoch subventionierten und unter Produktionskosten verkauften Produkte können die einheimischen Produzenten nicht ankommen. Oftmals sind sie gezwungen, teuer importierte Düngemittel, Pestizide und sogar Samen einzukaufen – und bekommen am Ende für ihr Produkt weniger als die Herstellung kostete.
In Indien haben sich die Bewohner ganzer Dörfer, deren landwirtschaftliche Produktion unter dem Diktat der WTO zusammengebrochen war, das Leben genommen.
So führte Indien unter den Zwängen von Weltbank, Internationalem Währungsfonds und WTO in seiner Landwirtschaft die „grüne Gentechnik“ ein. (Amerikanische Hilfsorganisationen liefern heute ausschließlich gentechnisch modifiziertes Saatgut.) Doch das Gegenteil von den versprochenen höheren Erträgen, weniger benötigten Pestiziden und weniger Hunger trat ein. Monsanto kontrolliert heute 95 Prozent des Saatguts im indischen Baumwollanbau. Diese Monopolstellung nutzte die Firma: In den vergangenen zehn Jahren stieg der Preis für Saatgut um 8000 Prozent. Gleichzeitig erhöhte sich der Einsatz von Pestiziden gegen Pflanzenschädlinge um das 30fache. Viele Kleinbauern in Indien mussten Kredite aufnehmen, die sie anschliessend nicht bedienen konnten, weil die versprochenen Erträge des so gepriesenen gentechnisch veränderten Saatguts nicht erreicht wurden. In dieser ausweglosen Situation hätten sich in den vergangenen zwölf Jahren nach offiziellen Statistiken 250000 indische Bauern das Leben genommen, berichtete Vandana Shiva, Physikerin und Trägerin des Right Livelihood Award, auch alternativer Nobelpreis genannt.
Hilferuf aus Nepal
Darum auch reichen in Nepal die Zweifel über die Einführung gentechnisch veränderten Saatguts bis in die Regierung. Unterstützt von der United States Agency for International Development (USAID) und Monsanto wollte die Regierung in Kathmandu neues, gentechnisch verändertes Saatgut einführen. Doch dann widersetzte sich das Agrarministerium. In einer langen Erklärung wandte sich der Sprecher des Ministeriums, Hari Dahal, gegen Monsanto. Seine Ausführungen klangen wie ein Hilferuf.
Einerseits glaubte Dahal an die Notwendigkeit, Hybridsorten einzuführen. Sie sollten jedoch begrenzt bleiben auf eine noch zu bestimmende Menge, die nur in bestimmten Regionen angebaut werden sollte. Aber, „wenn ein Unternehmen wie Monsanto kommt, dann wird es uns völlig auffressen. Darum müssen wir von Beginn an sehr vorsichtig sein; für uns ist das eine äusserst heikle Angelegenheit. Wir können Hybride nicht einführen, einfach weil China und Indien das tun. Deren Möglichkeiten unterscheiden sich gewaltig von unseren. Sie können ein Unternehmen wieder rauswerfen, wir nicht. Unser Budget hängt von den Geberländern ab, wir sind schwächer. Ja, wir brauchen Hybride in der Nahrungsmittelproduktion. Sicher, die Firmen müssen auch Geschäfte machen. Das muss aber begrenzt werden… Wenn eine Organisation wie USAID uns mit einem Unternehmen wie Monsanto helfen will, würden wir uns wünschen, dass sie uns helfen, unsere eigenen Hybride zu entwickeln anstatt ihr fremdes Saatgut zu importieren.“