Am Mittwoch reist US-Präsident Joe Biden in den Nahen und den Mittleren Osten – einem traditionellen Ritual der amerikanischen Aussenpolitik folgend zuerst nach Israel, danach nach Saudiarabien.
Eine schwierige Tour, orakeln die US-Medien, denn wie soll das gut gehen, die Begegnung mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, dem Macho also, den Präsident Biden noch vor wenigen Monaten als Schurken bezeichnet hat, schuldig (zumindest als Auftraggeber) an der Ermordung des Publizisten Kashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul und verantwortlich für Kriegsgräuel in Jemen?
Grosszügig gegenüber Israel – knausrig gegenüber den Palästinensern
Und Israel? Es ist nicht lange her, dass Biden die israelische Siedlungspolitik mit kritischen Worten kommentiert hatte – ein Sakrileg aus der Perspektive des gesamten rechts von der Mitte Israels angesiedelten Parteienspektrums. Das heisst von der Mehrheit, denn längst sind auch ehemalige Linke so weit nach rechts gerutscht, dass von ihrem alten Engagement nichts mehr zu erkennen ist.
Präsident Biden versuchte durch ein Interview für die Washington Post, Zweifel an seiner «Israel-Treue» drei Tage vor dem Reisestart zu zerstreuen: Seine Administration habe ein Solidaritäts-Paket für Israel im Umfang von vier Milliarden Dollar geschnürt, gab er zu Protokoll, und für die Palästinenser habe Onkel Sam auch grosszügig in die Taschen gegriffen und dort 500 Millionen Dollar herausgefischt. Wofür genau und für welchen Zeitraum, das blieb im konkreten Fall offen. Und offen blieb (bleibt wohl weiterhin), wohin sich der amerikanische Präsident im palästinensischen Gebiet, wenn überhaupt, begeben wird – er muss ja auf Schritt und Tritt, auch bei bestem Schutz durch die Sicherheitsdienste, damit rechnen, Volkes Empörung zu hören und zu sehen. Empörung darüber, dass US-amerikanische Dienststellen eine klare Stellungnahme zum Tod der palästinensischen Journalistin Shiriin Abu Akleh verwedelt, dass die USA sich darum gedrückt haben, die israelischen Streitkräfte als verantwortlich für die Todesschüsse zu erklären.
Man kann davon ausgehen, dass Präsident Biden von seiner Entourage so fast hermetisch von der bedrohlichen Palästinenser-Umwelt abgeschottet wird, dass er danach seine Airforce One wieder unbeschadet besteigen und nach Saudiarabien weiterfliegen kann.
Iran-Politik à la Trump
Das Weisse Haus preist diesen Direktflug über die Distanz von rund 1500 Kilometern als historisch – ja, ist es auch, und dies dank dem erratischen Vorgängerpräsidenten, Donald Trump. Er war es schliesslich, der die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain etc und die Fast-Normalisierung Israels mit Saudiarabien eingeleitet hat. Und überhaupt: Trump hatte ja auch die «glorreiche» Idee, das von Obama 2015 mühsam ausgehandelte Atomabkommen mit Iran zu zerreissen und die Ayatollahs durch «maximalen Druck» zur Kapitulation zu zwingen.
Bekanntlich ein totaler Fehlschlag, den Joe Biden dann bis einige wenige Tagen über seine Amtseinführung hinaus wieder um 180 Grad rückwärts drehen, also zur Vernunft zurückkehren, wollte – den er aber jetzt, im Sommer 2022, implizit wieder zu einem Leitstern seiner Mittelost-Politik macht. Am Sonntag, also drei Tage vor dem Start zu seiner Reise, gab er zu Protokoll: «Der wirtschaftliche Druck auf Iran wird andauern, bis das Land zum Vertrag zurückkehrt.» Kein Wort von allfälligem US-amerikanischem Einlenken bei strittigen Fragen, von der Tatsache, dass es die USA waren, die den Atomvertrag für Null und nichtig erklärt hatten und dadurch Iran provozierten, seinerseits Stufe um Stufe die «historischen» Vereinbarungen zu verletzen.
Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, US-Präsident Biden wolle durch seine Reise die Front gegen Iran verstärken und entferne sich nun noch mehr von einer seiner früheren Mittelost-Prioritäten, nämlich einer Normalisierung mit Iran respektive einer Rückkehr zu dem, was die Obama-Administration (in der Biden als Vizepräsident Mitverantwortung trug) erreicht hatte. Oder anders formuliert: dass Joe Biden mit dieser Tour förmlich in die Fussstapfen des verhassten Vorgängers Trump tritt.
Fragt sich, ob das auch den Vorstellungen der Machthaber in der Region entspricht. Jener Israels gewiss – ob mit oder ohne einen Premier namens Bennett oder Lapid oder Netanyahu (dessen Wiederaufstieg ist ja als Folge der nächsten Wahlen denkbar). Israel favorisiert immer die präventive Offensive gegen Iran gegenüber einer diplomatischen Defensive. Aus der Perspektive Saudiarabiens aber sieht das vielleicht anders aus – die Monarchie zeigt seit wenigen Monaten Interesse an einer Entspannung der Beziehungen mit Teheran. Die Führung der Emirate ist da noch klarer – ihr Territorium wäre im Fall eines Konflikts mit Iran ja noch stärker exponiert. Und Qatar, der Zwerg in der Golfregion (aber auch deren finanzieller Goliath) strebt noch deutlicher eine – wie auch immer geartete – Einigung mit Iran an.
Woraus sich die Frage ergibt, ob die Mittelost-Reise von Präsident Biden nicht schon aus der Zeit gefallen ist, bevor sie überhaupt begonnen hat.