10 Milliarden Euro erwartet Deutschland aus der Schweiz, zahlbar so bald wie möglich. Frankreich, Italien, Spanien und weitere Staaten reiben sich ebenfalls die Hände in Vorfreude auf einen Geldsegen aus der Alpenrepublik. Und die USA überlegen sich, ob sie noch weiter Vermögensverwalter in den Diensten Schweizer Grossbanken quälen wollen oder es mal gutsein lassen und ebenfalls eine Zahl in zweistelliger Milliardenhöhe in den Raum stellen.
Damit sollen «Altlasten» aus den schlechten alten Zeiten entsorgt werden, als Steuerhinterzieher aller Herren Länder ihr Schwarzgeld in den tiefen Tresoren eidgenössischer Banken verstauten und meinten, durch das Bankkundengeheimnis für ewige Zeiten geschützt zu sein.
UBS machte den Weg frei
Wir blenden kurz zurück. Nachdem die UBS mit einer Multimilliarden-Staatshilfe vor dem Fall in den Abgrund gerettet worden war, wartete sie mit einer nächsten Hiobsbotschaft auf: Die amerikanische Steuerbehörde IRS drohte mit dem Antrag auf Entzug der Banklizenz in den USA, weil die Bank systematisch gegen das QI-Abkommen verstossen habe, also als Qualified Intermediary Beihilfe zur Steuerhinterziehung von US-Bürgern geleistet habe.
Unter Inkaufnahme einer Krise des Rechtsstaats Schweiz wurde das Problem mit der Auslieferung von mehr als 4500 Kundendaten und der Zahlung einer Busse von 780 Millionen Dollar erledigt. Vorläufig. Denn es wäre ja keine Bankenprognose gewesen, wenn sich die Ankündigung, dass damit das Bankgeheimnis gerettet und keine weiteren Forderungen zu erwarten seien, nicht recht schnell als völlige Illusion erwiesen hätte.
Treppenwitz der Geschichte
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet eine Schweizer Grossbank das umstrittene und von linker Seite schon lange bekämpfte Bankgeheimnis schleifte, eine Bresche öffnete, in die schnell die Finanzminister finanziell ausgehöhlter Staaten hineinmarschierten. Da nützt auch das legalistische Argument nichts, dass wir in der Schweiz den feinen Unterschied zwischen Steuerhinterziehung (kein Straftatbestand) und –betrug (eigentlich schon) kennen. Genauso wenig wie die Beschwerde, dass das doch eine extraterritoriale Anwendung fremden Rechts in der Schweiz wie zu Zeiten der Zwingvögte sei. Schweizer Banken haben Dreck am Stecken in Sachen Steuerhinterziehung, in den USA, in Deutschland und anderswo. Zu glauben, mit markigen Sätzen wie «das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar» vom aktuellen UBS-Präsidenten Kaspar Villiger aus dieser Nummer herauszukommen, war und ist schlichtweg dumm.
Rette sich, wer kann
Laut verschiedenen Presseberichten zeichnet sich folgender Ablasshandel ab. Der Finanzplatz Schweiz zahlt up front, wie es auf Banglisch so schön heisst, einen zweistelligen Milliardenbetrag. Der wird dann mit zukünftigen Steuerzahlungen von ausländischen Vermögensbesitzern in der Schweiz verrechnet werden. Denn auch diese würden von Schweizer Banken erhoben und im Heimatland des Steuer-, na ja, sagen wir Steueroptimierers abgeliefert. Sein letzter Vorteil: Er bliebe weiterhin anonym und müsste keine Strafverfolgung für vergangene Untaten befürchten. Und statt einem automatischen Datenabgleich würde den vertragswilligen Staaten das Recht eingeräumt, eine gewisse Anzahl Informationsanfragen zu stellen, ob beispielsweise Staatsbürger Fritz M. ein Konto in der Schweiz hat oder nicht. So ist es zumindest in Bezug auf Deutschland vorgesehen.
Und wer zahlt?
Ob sich auch die USA zu einem ähnlichen Abkommen bequemen, steht noch in den Sternen, Ankündigungen von weiteren Verfahren, diesmal gegen die CS und andere Schweizer Banken, lassen da nicht allzu viel Optimismus aufkommen. Wie auch immer, die lustige Frage ist natürlich: Welche Schweizer Bank zahlt wie viel in den Topf ein, mit dem die Altlasten weggeräumt werden sollen? Bereits in Nahkämpfe mit ausländischen Steuerbehörden und Regierungen verwickelte Banken sind da natürlich eher bereit, das Portemonnaie zu öffnen, laut der Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sagen aber andere: «Kommt nicht in Frage.» Ist ja auch verständlich, wieso soll Bank X, die nicht dem Geschäftsmodell «Schwarzgeldbunker» nachging, für die Bank Y, die sich mit in der Schweiz straffreier Beihilfe zur Steuerhinterziehung dumm und krumm verdiente, in den eigenen Tresor langen? Lustig wäre natürlich auch, Karten auf den Tisch, wenn die Banken bekannt geben würden, wie vielen Steueroptimierern mit welchen Vermögenswerten sie Unterschlupf geboten haben.
Die Prognose
So wie wir das Verhalten des gesamten Finanzplatzes Schweiz gegenüber diesem Problem bislang erleben durften, muss man kein Wahrsager sein, um diese Prognose zu wagen: Nachdem das Problem sträflich unterschätzt, dann schöngeredet und dann bereits mehrfach als erledigt bezeichnet wurde, werden sich die Banken und Vermögensverwalter weiterhin verstolpern. Bis sie es geschafft haben, den GAU auszulösen: Möglichst hohe Milliardenzahlungen ohne die Sicherheit, dass das Problem dann wirklich und endgültig vom Tisch ist. Wetten, dass?
PS: Wer sich an meine Prognose erinnert, dass es im Nachgang zum Stresstest für europäische Banken am Montag bei Finanztiteln kräftig rumpeln werde, konnte deren Richtigkeit verfolgen. Selbst die UBS, obwohl gar nicht getestet, verlor an einem Tag 3,43 Prozent, die CS gar 4,65 Prozent. Die italienische Unicredit führte mit satten 8,15 Prozent die Verlustliste der europäischen Banken an. Aber ich gebe zu: War nicht schwierig vorherzusehen.