Das Erfolgsrezept der Mexikaner, die zusammen mit der Costaricanerin Christiana Figueres, der Exekutivsekretärin der Klimakonvention, die Klimakonferenz von Cancún vorbereitet hatten, hiess Pragmatismus, viel Arbeit, Geduld und Bescheidenheit. Gezielt waren die Erwartungen früh gedämpft worden, in bewusstem Gegensatz zum Klimagipfel in Kopenhagen Ende 2009.
„Kopenhagen“ hatten die Verantwortlichen und die Medien im Vorfeld zu einer eigentlichen Entscheidungskonferenz hochgejubelt. Dieser Druck führte schliesslich zu einem Schlussdokument, dem Copenhagen Accord, das zwar richtungsweisende Absichten und Versprechen enthielt, vom Plenum der Konferenz jedoch nicht offiziell anerkannt, sondern nur zur Kenntnis genommen wurde. Der Grund: Es wurde vom amerikanischen Präsidenten im kleinen Kreis mit Vertretern grosser Emittenten, vor allem wichtiger Schwellenländer, unter Ausschluss der restlichen Parteien ausgehandelt.
Wiederherstellung von Vertrauen
Nicht zuletzt die Wut und Frustration über dieses Vorgehen führte zu einem eigentlichen Katzenjammer nach der Konferenz. Dazu beigetragen hatten aber auch die viel zu hohen Erwartungen. Dass in Kopenhagen ein gesetzlich verbindlicher globaler Klimavertrag verabschiedet werden würde, der nicht allein für die Länder des Kyoto-Protokolls, sondern auch für die USA und zum Beispiel China, Indien oder Brasilien verbindliche Reduktionsziele enthält, war von Anfang an eine unrealistische Perspektive.
In Cancún ist es nun gelungen, verschiedene Elemente des Copenhagen Accords in den offiziellen Uno-Prozess einzubauen. Das war nur möglich, weil zuoberst auf der Prioritätenliste die Wiederherstellung des Vertrauens in einen transparenten Prozess stand. Das „Gespenst von Kopenhagen“ wurde erfolgreich vertrieben. Selbst Venezuela, das das undemokratische Vorgehen im vergangenen Jahr immer wieder mit scharfen Worten gegeisselt hatte, fand lobende Worte für das Schlussdokument von Cancún. Und auch die EU beurteilte das Resultat als befriedigend. Einzig Bolivien kritisierte in Mexiko bis zum bitteren Ende sowohl das Vorgehen wie das Resultat – es hatte deutlich ambitiösere Ziele verlangt.
Der Copenhagen Accord als Vorlage
Tatsächlich handelt es sich bei den Vereinbarungen von Cancún nur um einen Zwischenschritt zur Erarbeitung des anvisierten globalen Abkommens. Vieles ist vom Copenhagen Accord übernommen. So zum Beispiel das Ziel, die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen und später allenfalls weiter zu verschärfen, ebenso die im Zusammenhang mit dem Accord bekannt gegebenen Reduktionsziele von Industrie- und Schwellenländer. Diese Reduktionen der Treibhausgasemissionen genügen laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht des Uno-Umweltprogramms allerdings nicht, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Sie dürften nur etwa 60 Prozent der bis 2020 notwendigen Reduktion ausmachen. Gleichzeitig stellen sie jedoch eine noch nie da gewesene Bemühung zur Reduktion der Treibhausgasemissionen dar.
Zudem ist das Kopenhagener Versprechen der Industrieländer, in einem „fast start“ den Entwicklungsländern für die Jahre 2010 bis 2012 30 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel und für Emissionsreduktionen bereit zu stellen, nun in einem offiziellen Uno-Dokument enthalten. Auch wird der in Dänemark angekündigte Green Fund gegründet – er soll unter anderem bei der Verteilung der jährlich 100 Milliarden Dollar eingesetzt werden, die die reichen Länder für die Zeit ab 2020 zur Verfügung stellen wollen. Daneben sind zahlreiche Schritte im Bereich des Transfers von „grüner“ Technologie und der Hilfe zum Aufbau entsprechenden Know hows in den Entwicklungsländern offiziell festgehalten. Ebenso Massnahmen zur Reduktion der Abholzung von Tropenwäldern.
Unsichere Zukunft für das Kyoto-Protokoll
Nach wie vor offen ist dagegen zum Beispiel – dies ein Kritikpunkt vieler Entwicklungsländer und Umweltorganisationen – , ob es neben dem globalen Abkommen parallel auch eine Fortsetzung im Rahmen des Kyoto-Protokolls geben wird. Die erste Bemessungsperiode läuft 2012 aus.
Japan und Russland haben zum Entsetzen vieler in Cancún offiziell zu Protokoll gegeben, was sie schon lange zuvor die Öffentlichkeit hatten wissen lassen: Sie wollen bei einer allfälligen zweiten Bemessungsperiode des Kyoto-Protokolls nicht mehr dabei sein. Für soll nur noch der globale Vertrag gelten. Damit werden dem Protokoll zusammen mit den USA ab 2013 mindestens drei Länder fehlen, die 1990 für weit über die Hälfte der Treibhausgasemissionen der Industrieländer gerade zu stehen hatten.
Bedenkt man, dass China, dem wie allen Entwicklungsländern unter dem Protokoll keine Reduktionsverpflichtungen zukommen, heute bereits mehr emittiert als die USA, wird klar, dass der ab 2013 von Kyoto-Ländern verursachte Ausstoss relativ gering ist. Das globale Abkommen dagegen dürfte weit über 80 Prozent der weltweiten Emissionen regulieren. Dort werden nicht nur die USA, sondern auch die Drittweltländer mit von der Partie sein.
Die Vereinbarungen von Cancún sehen, zusammen mit den Texten, die an der Konferenz in einem Jahr in Durban in Südafrika weiter verhandelt werden sollen, Varianten vor, um das globale Abkommen mit den Regelungen der zweiten Kyoto-Bemessungsperiode eng zu verzahnen – falls es eine solche gibt. Damit werden nicht nur vergleichbare Regelungen für alle Industrieländer, ob nun Teil des Kyoto-Protokolls oder nicht, angestrebt. Auch ein internationaler Emissionshandel, an dem alle Länder partizipieren, kommt in Reichweite. Und die Gefahr, dass die Unsicherheit betreffend der Zukunft des Kyoto-Protokolls den Schwung der Mitgliedländerbremsen könnte, wird reduziert.
Annäherung zwischen Washington und Peking
Welche juristische Form das globale Abkommen hat, ist allerdings noch offen. Ein wichtiger Stolperstein, der die Verhandlungen blockierte – die Kontroverse zwischen den USA und China über die Verifizierung der versprochenen Reduktionen – scheint jedoch aus dem Weg geräumt. Das ist für die Administration Obama von erheblicher Bedeutung. Für den Senat in Washington ist eine relevante Beteiligung wichtiger Schwellenländern an den Emissionsreduktionen seit Langem eine Vorbedingung für bindende Verpflichtungen der USA.
Dennoch ist noch nicht in Stein gemeisselt, wie die USA partizipieren werden. Obama hatte mit Gesetzesvorlagen zur Erfüllung der vor einem Jahr gemachten Reduktionsversprechungen innenpolitisch bisher keinen Erfolg – und seine Situation ist nach den Zwischenwahlen Anfang November nicht einfacher geworden.