Die in der Nacht zum Freitag einstimmig angenommene Resolution enthält aber noch keinen Marschbefehl für eine internationale Friedenstruppe, die Ordnung im Norden des westafrikanischen Staates wiederherzustellen. Das höchste Organ der UNO ist mit einem Antrag befasst, 3200 bewaffnete Militärs und Zivilbedienstete nach Mali zu entsenden, um die Gräueltaten und die mutwillige Zerstörung historischer Kulturgüter zu beenden. Die Soldaten sollen aus Mitgliedern der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (Ecowas) kommen. Die logistischen Mittel müssten von den Grossmächten bereitgestellt werden.
Timbuktu-Welterbe nicht mehr zu retten
Die Resolution steht unter dem Kapitel VII der UNO-Charta, das den Einsatz von Gewalt legitimiert. Die 15 Mitglieder des Weltsicherheitsrats weisen auf „die rapid verschlechterte humanitäre Lage“ im Norden Malis und „die wachsende terroristische Bedrohung“ hin, die durch die Präsenz von Angehörigen der Organisation „al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM)“ entstanden sei. Alle Regierungen werden aufgefordert, dem Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats die Namen von Personen und Gruppen zu melden, die in Mali mit der AQIM assoziiert sind.
Der Weltsicherheitsrat drückt in seiner Resolution die Bereitschaft aus, „mit den malischen Übergangsbehörden in Bamako, der Ecowas, der AU und anderen Ländern detaillierte Optionen hinsichtlich des Mandats einer internationalen Friedenstruppe vorzubereiten“. Bisher haben Niger, Senegal und Nigeria zusammen 3270 Soldaten angeboten, um zuerst die malische Armee wieder auf Trab zu bringen und anschliessend wenn nötig selber in den Kampf zu ziehen. Die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärten rund 600 Jahre alten sakralen Baudenkmäler in Timbuktu können sie nicht mehr retten. Sie sind schon weitgehend den Spitzhacken und Sprengsätzen der Bilderstürmer zum Opfer gefallen.
Tuareg vertreiben Malis Armee
Die Vorgänge in Mali sind ein Lehrstück dafür, welche unvorhergesehene Auswirkungen Kriege haben können - in diesem Fall der von der Nato entschiedene Bürgerkrieg in Libyen. Nach dem Sturz und der Ermordung des Diktators Muammar Ghadafi setzten sich im Süden des Landes stationierte Söldner der besiegten Armee mitsamt ihren reichlichen Waffen über den Niger nach Mali ab.
Es handelte sich vorwiegend um Tuareg-Krieger, die in der südlichen Sahara und der Sahelzone heimisch sind und dort seit langem einen eigenen Staat gründen wollen. Nach der leichten Vertreibung der malischen Armee, die nach einem Militärputsch in Bamako im März ihren Kompass verloren hatte, riefen die Tuareg auf einem riesigen Wüstengebiet die Republik Azawad aus. Die Hauptorte sind Timbuktu und Gao.
Islamisten übernehmen die Macht
Die „Nationalbewegung zur Befreiung Azawads“ zerstritt sich aber rasch mit ihrem Verbündeten, der Islamistengruppe Ansar ad-Dine, über die künftige Ausrichtung des Landes. Die „Beschützer des Glaubens“ schlugen die Tuareg in die Flucht und errichteten einen Gottesstaat nach ihren archaischen Vorstellungen. Ansar ad-Dine hat offenbar enge Beziehungen zur lokalen al-Kaida-Filiale. Nach den Angaben der UNO sind seit März 320'000 Menschen aus der Gegend geflüchtet, zum Teil ins benachbarte Ausland.
Jetzt befürchten viele Regierungen, dass in der Sahelzone eine neue Operationsbasis für al-Kaida entsteht, wie einst unter den Taliban im Osten Afghanistans. Und viele fragen sich, ob Ghadafi nicht das kleinere Übel war.
Die Umtriebe des Bernhard-Heni Levy
Einer der Einpeitscher des militärischen Eingreifens Frankreichs in Libyen war der selbsternannte „neue Philosoph“ Bernard-Henri Levy. Von Bewunderern und Fernsehkameras umringt telefonierte Levy aus Benghazi mit dem Präsidenten Sarkozy. „Allo Nicolas“, rief er in sein Handy, wie immer in Massanzug und weit offenem weissen Hemd. „Es kann losgehen. Ich habe eine Übergangsregierung gefunden. Empfange doch bitte die Männer in Paris.“
Jetzt wirbt der Egomane, der in die Geschichte eingehen möchte, lautstark für eine Intervention in Syrien. Am jüngsten Filmfestival in Cannes, wo er einen Streifen über seine Heldentaten in Libyen zeigte, tauchte Levy mit zwei vermummten Gestalten auf, die er als syrische Freiheitskämpfer vorstellte. Allerdings findet er beim neuen Präsidenten François Hollande und in anderen Hauptstädten wenig Gehör. Denn die Gefahr des „Überschwappens“ eines internationalen Kriegs auf andere Staaten des Nahen Ostens ist reell.
Dilemma auf allen Seiten
Eine Militärintervention ist keine Lösung, ein tatenloses Zuschauen aber auch nicht. Der Sechs-Punkte-Plan Kofi Annans bleibt die einzige Alternative. Je länger der vielschichtige Konflikt andauert, umso mehr politische Abenteurer zieht er an. Der irakische Aussenminister Hoshyar Zebari gab am Donnerstag bekannt, er habe „solide Informationen“, wonach al-Kaida-Gruppen über den Irak in Syrien einsickern, um dort Attacken auszuführen.