Im sechsten Stock des Genfer »Palais des Nations« versperrt eine Holzwand den Zugang zu einigen Büros, die gewöhnlich leer stehen. Dort hat der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan sein Hauptquartier als Vermittler im Syrienkonflikt aufgeschlagen. Vor zehn Tagen war er mit leeren Händen aus Damaskus zurückgekehrt, wo er zum zweiten Mal in einem Monat mit dem Präsidenten Baschar Al-Assad und dem Aussenminister Walid Al-Moualem konferierte.
Annan hatte Assad einen Sechs-Punkte-Plan übergeben, der unter anderem den Abzug der syrischen Streitkräfte aus den Städten, Feuerpausen zur Heranführung humanitärer Hilfe, die Freilassung aller politischen Gefangenen, den freien Zugang für die Journalisten und schliesslich die Einstellung der Kämpfe und den Beginn von Gesprächen zwischen der Regierung und der Opposition vorsieht.
Affront gegenüber Kofi Annan
Die Antwort Assads auf diese Vorschläge war »enttäuschend«, wie es Annan ausdrückte. Ebenfalls in sechs Punkten beteuerte die syrische Regierung, dass auch sie das Ende der Gewalt anstrebe. Assad verlangte aber von Annan »Garantien«, dass kein Land die Rebellen mit Waffen versorgt. Um in den Genuss eines »Pardons« des Regimes zu gelangen, müssten sich die Aufständischen ergeben und ihre Waffen abliefern. Zeitlich beschränkte Feuerpausen aus humanitären Gründen seien möglich, müssten aber mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ausgehandelt werden. Der Umgang mit der internationalen Presse unterliege den syrischen Gesetzen, heisst es weiter in dem Papier.
Assad liess Annan ausserdem wissen, dass er künftig nicht mehr persönlich für Gespräche zur Verfügung stehe. Der richtige Ansprechpartner sei das Aussenministerium. Das würde aber eine Herabstufung der Mission Annans bedeuten, denn der Aussenminister hat in Ländern wie Syrien wenig zu sagen. Jedenfalls besitzt er keine Entscheidungsgewalt.
Die Syrer weigern sich auch, den zweiten Mann der Annan-Delegation, den Palästinenser Nasser Al-Kidwa, zu empfangen. Al-Kidwa war Aussenminister der palästinensischen Autonomiebehörde in den von Israel besetzten Gebieten und deren Vertreter bei der UNO. Der syrische UNO-Botschafter Baschar Dschaafari liess durchblicken, dass seine Regierung nichts gegen Al-Kidwa persönlich habe, sondern die Rolle der Arabischen Liga verurteile.
Verärgerung in Moskau und Peking
Die Sturheit und Arroganz des syrischen Präsidenten hat zuletzt auch Moskau und Peking verärgert. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow erklärte, die syrische Regierung habe »sehr viele Fehler« begangen, die zu einer Verschlimmerung des Konflikts führten. Er kündigte an, dass Russland die Mission Kofi Annans unterstützen werde und auch einer Syrien-Resolution des Weltsicherheitsrats zustimmen könnte.
Die am Mittwoch vom derzeitigen Vorsitzenden verlesene gemeinsame Erklärung der 15 Ratsmitglieder hat im Unterschied zu einer Resolution keine völkerrechtliche Verbindlichkeit. Dennoch ist sie eine schwere diplomatische Niederlage des Regimes in Damaskus. Assad und seine Clique müssen zur Kenntnis nehmen, dass Russland und China sie fallen gelassen haben. Niemand kann voraussagen, wann es zum Sturz des Regimes kommen wird. Das wird möglicherweise noch lange dauern. Es ist aber an der Zeit, die Nach-Assad-Ära vorzubereiten, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Russland hat für die Unterstützung der westlichen Haltung einige Bedingungen gestellt. »Das Wichtigste ist, dass die Erklärung des Weltsicherheitsrats keinerlei ultimative Forderungen, keine Drohungen und keine Schuldzuweisungen enthält«, erklärte Lawrow am Mittwoch nach einem Treffen mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen in Berlin.
In dem vom Weltsicherheitsrat verabschiedeten Text wird daher nicht mehr von »weiteren Massnahmen«, gesprochen, wenn Syrien Annan auflaufen lässt, sondern von »weiteren Schritten«, was weniger drohend klingt. Weggefallen ist das Ultimatum an Damaskus, binnen sieben Tagen die Forderungen des Sicherheitsrats zu erfüllen. Jetzt wird es dem Sondergesandten Annan überlassen, wann er das politische Hauptorgan der UNO einschalten möchte.
Spielraum wird enger
Annan hat zu Beginn dieser Woche eine Delegation nach Damaskus geschickt, um die Gesprächsbereitschaft der syrischen Regierung auszuloten. Er selbst wird in den nächsten Tagen nach Moskau fliegen. Unter anderem sollen Details geklärt werden, wie eine Waffenruhe von der UNO überwacht werden könnte.
Viel Spielraum bleibt Baschar Al-Assad nicht mehr. Ausser dem Iran hat der syrische Gewaltherrscher keine Verbündeten mehr. Auch der grosse Nachbar Türkei hat sich demonstrativ abgewandt. In dieser Situation ist es völlig kontraproduktiv, Syrien eine Militärintervention anzudrohen, wie es einige Heisssporne vor allem in den USA tun. Mit Gerede über einen gewaltsamen Regimewechsel würde man Assad in die Ecke treiben und irrationale Handlungen fördern. In der Politik dürfe man nicht naiv sein, meinte Lawrow bei seinem jüngsten Auftritt in Berlin. Wichtig sei, »nun zu machen, was möglich ist«.