Einstimmig hat der Weltsicherheitsrat am Freitag alle Uno-Mitglieder aufgefordert, sich „in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht am Kampf gegen den Terrorismus zu beteiligen“. Der von Frankreich vorgelegte Text legitimiert „alle notwendigen Massnahmen“ gegen den Islamischen Staat (IS) und die mit Al-Kaida verbundenen Extremisten. Diese Gruppen werden in der Resolution als „eine weltweite und einzigartige Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ bezeichnet.
Die Resolution ruft zu einer „Ausmerzung der sicheren Häfen“ auf, die sich der IS und die Al-Nusra-Front im Irak und in Syrien geschaffen haben. Sie erteilt allerdings keine Blankovollmacht für eine Militärintervention. Der Beschluss des höchsten Uno-Organs steht nämlich nicht unter Artikel 7 der Charta, der Zwangsmassnahmen vorsieht. Wegen dieser Unverbindlichkeit war es für die Franzosen relativ einfach, die Zustimmung aller anderen 14 Ratsmitglieder zu erhalten.
"Legale" und "illegale" Bombardierungen
Die jüngste Resolution ist ein Teil der grossen diplomatischen Manöver, die auf eine Befriedung des Nahen und Mittleren Ostens abzielen. Auf dem Verhandlungstisch liegen ein russischer und ein französischer Resolutionsentwurf, die einander sehr ähnlich sehen, doch in Wirklichkeit auf unterschiedlichen Konzepten beruhen.
Einig sind sich die Vetomächte USA, Russland, Frankreich und Grossbritannien darin, dass ihre zunehmend koordinierten Luftangriffe gegen den gemeinsamen Feind ein Mandat der Vereinten Nationen erhalten müssen. Die derzeitige Rechtslage ist brüchig. Nur Russland kann seine Militäraktionen in Syrien mit einer Beistandsbitte der international anerkannten Regierung in Damaskus rechtfertigen. Die westlichen Staaten bomben streng genommen illegal. Sie machen das Recht auf Selbstverteidigung geltend, das ihnen der Weltsicherheitsrat in diesem Fall aber nicht ausdrücklich zuerkannt hat.
Moralische Argumente des Westens
Mit der Begründung, dass das Assad-Regime weiterhin die einzige kohärente Kraft in Syrien darstellt und das Land bei der Uno vertritt, widersetzt sich Russland einer Absetzung des Diktators. Moskau fragt auch, welche Parteien nach dem Verschwinden Assads das Machtvakuum füllen sollen. Legalistisch ist diese Haltung unanfechtbar.
Der Westen führt moralische Argumente ins Feld: Baschar al-Assad unterdrückte 2011 friedliche Demonstrationen mit brutaler Gewalt und löste damit den Bürgerkrieg aus. Er trägt die Hauptverantwortung für die 250.000 Todesopfer und zwölf Millionen Flüchtlinge. Man könne der syrischen Bevölkerung nicht zumuten, diesen Mann als Führungsfigur in einer Friedenslösung zu akzeptieren. Die gesamte Opposition lehnt Verhandlungen mit Assad ab.
Vermittler Hollande
Am 14. November beschlossen die Aussenminister von 17 Staaten – darunter alle ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats – in Wien einen Fahrplan für Syrien. Erste Station ist ein landesweiter Waffenstillstand mit Uno-Beobachtern. Ausgenommen davon sind die Gebiete, die vom IS oder anderen Terroristengruppen kontrolliert werden. Am 1. Januar sollen Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition unter der Ägide der Uno beginnen. Diese sollen innert sechs Monaten zur Bildung einer glaubhaften Regierung führen, deren erste Aufgabe es wäre, eine neue Verfassung auszuarbeiten. 18 Monate danach sollen freie und faire Wahlen stattfinden.
Über die Rolle Assads steht nichts in dem Papier. Vor allem Russland und Iran halten dem syrischen Präsidenten die Treue. Jetzt ist der Weltsicherheitsrat gefordert. Eine Verschmelzung des russischen und des französischen Resolutionsentwurfs scheint angesichts der gegensätzlichen Interessen nicht möglich. Frankreichs Präsident François Hollande trachtet diese Differenzen jetzt auf höchster Ebene auszuräumen. Er wird am Dienstag in Washington mit Barak Obama konferieren und am Donnerstag zu Putin nach Moskau reisen. In der gleichen Woche trifft er in Paris mit der deutschen Kanzlerin Angelika Merkel und dem britischen Premierminister David Cameron zusammen.
Praktische Schwierigkeiten
Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass Russland Assad fallen lässt, würde die Umsetzung des Wiener Programms auf enorme praktische Schwierigkeiten stossen. Die syrische Opposition ist zersplittert. Wer soll einen Waffenstillstand in Syrien überwachen? Blauhelme in einen hinterhältigen Krieg zu schicken, wäre nicht ratsam. Unrealistisch scheint die Entsendung von Militärs aus der Region mit einem Mandat der Uno. Saudi-Arabiens Armee ist im Jemen beschäftigt. Die übrigen Golfstaaten, Ägypten, Algerien oder Marokko haben wenig Lust, ihre Soldaten in Syrien verheizen zu lassen. Iran und die Türkei sind selber im Syrienkonflikt verwickelt. Syrische Gesprächspartner befürchten, dass es letztlich zu einer Aufteilung ihres Landes kommt.