Lena Friedli, Kuratorin der Kunstplattform akku in Emmenbrücke, lud die beiden ein – und dachte nicht an zwei Werkpräsentationen unabhängig voneinander, sondern an eine gemeinsam gestaltete Ausstellung. Ihre Ankündigung: „Die Ausstellung eröffnet zwischen den beiden Künstlerinnen einen subtilen Dialog mit offenem Ausgang.“ Man könnte auch von einem Abenteuer reden: Irma Ineichen und Maude Léonard-Contant kannten sich kaum. Beide wussten nicht, auf was sie sich bei diesem Gemeinschaftsunternehmen einliessen.
Die Ausgangslage ist für beide Künstlerinnen denn auch grundverschieden: Irma Ineichen blickt auf ein in rund 60 Jahren entstandenes Lebenswerk zurück, entschied sich aber, neue Arbeiten zu zeigen, die sich als Essenz ihres langen Schaffens präsentieren: Es sind Blicke hinein in ruhige, einfach gebaute Landschaften, oft mit der silbern glitzernden Wasserfläche eines Sees in der Tiefe, oft mit dunklen Bäumen, die das Querformat rhythmisieren, dazu Interieurs, wie sie in Irma Ineichens Atelier seit vielen Jahren entstehen: Offene Türen gewähren Einblicke in private Innenräume oder in eine Flucht von Innenräumen, die oft leer sind bis auf Bilder an den Wänden – meist Verweise auf Irma Ineichens eigenen Malereien. Auch diese in sensibler Farbgebung gestalteten Bilder strahlen, wie die Landschaften, eine abgeklärte Ruhe aus.
Gemeinsames Atmen
Maude Léonard-Contant trat bisher in Ausstellungen vor allem mit Dreidimensionalem und installativen Arbeiten in Erscheinung. In der akku-Ausstellung, für die eine ihre Arbeiten mit jenen Irma Ineichens verbindende Raumgestalt entwickelt wurde, zeigt sie u. a. eine Reihe kleinformatiger Gouachen. Es sind freie, körperlich empfundene Malereien meist ohne benennbare Inhaltlichkeit, mit klaren, objekthaften Formen und harmonisierend-weicher Farbgebung. Sie wirken wie ein surrealistischen Strategien nahestehendes Bekenntnis zu einer sensibel kontrollierten Spontaneität. Es ist, als beginne die Künstlerin bei jedem Blatt neu mit dem Versuch, in die Tiefe eigenen Bild-Denkens zu blicken, und als wolle sie sich nicht entscheiden zwischen dem Offenlegen und dem Verbergen des eigenen Fühlens. Darin zeigt sich eine Poesie, die jener der Malereien Irma Ineichens nahe kommt. Die Gemeinsamkeit ist schwer zu beschreiben – am zutreffendsten mag der Eindruck sein, ein gemeinsames Atmen über die Generationen hinweg trage diese Gemeinsamkeit.
Das prägt auch die Installation im langgestreckten Raum. Die Präsentation lebt von einer frei ausschwingenden Leichtigkeit. In den Raum gefügt sind einige hochformatige Stellwände. Auf der einen Seite hängen, auf weissem Grund, Ineichens Interieurs, auf der gegenüberliegenden Seite in sensibel angetönten Farbfeldern, Léonard-Contants Gouachen.
Die Kunstplattform akku
Die 2010 gegründete Kunstplattform akku befindet sich an der Gerliswilerstrasse in Emmenbrücke in früheren Speditionsräumen der 2006 erloschenen Firma Viscosuisse. Die Plattform unmittelbar beim Eingang zur Viscosistadt ist der Vermittlung zeitgenössischer Kunst gewidmet, bietet einheimischen, aber auch auswärtigen Künstlerinnen und Künstlern ein Forum, betreibt Ateliers für Kinder und stellt den Raum auch für Veranstaltungen wie Performances usw. zur Verfügung. Die Ausstellungshalle (500 m2) wurde für die neue Funktion sanft so renoviert, dass die Architektursprache der 1950er Jahre gut zur Geltung kommt. Getragen wird das Unternehmen von einer Stiftung, von Beiträgen der öffentlichen Hand, von einem Trägerverein und von Sponsorenbeiträgen.
Die Programme sind vielseitig und ermöglichen Begegnungen mit spannender Gegenwartskunst. Einige Künstler-Namen der letzten Zeit: Klaudia Schifferle, Maria Zgraggen Tatjana Erpen, Hugo Suter, Ernst Buchwalder, Pia Fries, Anton Bruhin. Verschiedene Ausstellungen gelten kulturellen Eigenheiten der Industriestadt Emmenbrücke.
Die Viscosistadt
Die Viscosistadt, die frühere Produktionsstätte der für die Fabrikation von Kunstseide und Nylon führenden Firma Viscosuisse mit bis zu 5000 Arbeitsplätzen, liegt zwischen Seetalplatz, Gerliswilerstrasse und Kleiner Emme, ist verkehrstechnisch ausgezeichnet erschlossen und wohl das bedeutendste Entwicklungspotential der Region. Die zahlreichen Fabrikationsgebäude, wichtige Zeugen der Industriearchitektur, wurden und werden neuen Nutzungen – häufig im Bereich der Kreativwirtschaft – zugeführt. Bereits heute sind mehr als 80 Firmen oder Freischaffende aus mehr als 15 Branchen auf dem Areal tätig. Kürzlich wurde die frühere Fabrik-Kantine als öffentliches Restaurant wieder eröffnet – betrieben von der IG Arbeit Luzern. Rund 20 Menschen mit psychischer Beeinträchtigung finden hier eine Beschäftigung.
In unmittelbarer Nähe der Kunstplattform akku fanden viele Künstlerinnen und Künstler hier ihre Ateliers. In kurzer Gehdistanz zur Kunstplattform akku bezog im Herbst 2016 die Hochschule Luzern Design & Kunst in einem ausgezeichnet renovierten Fabrikationsgebäude neue und grosszügig ausgestattete Räume. Das ermöglicht mancherlei Synergien: Zum Beispiel widmete akku im vergangenen Jahr dem 140-Jahr-Jubiläum der Hochschule Design & Kunst, der Nachfolgerin der alten Kunstgewerbeschule, mehrere Ausstelllungen.
Kunstplattform akku, Gerliswilerstrasse 23, Emmenbrücke. Bis 8. Juli. www.akku-emmenbrücke.ch