Der II. Weltkrieg lag kaum ein Jahr zurück und Amerika wollte der Welt zeigen, dass es mehr war als nur eine Nation von Cadillacs, Coca Cola, Kaugummi und Hollywood-Filmen. Also kaufte das neu geschaffene Office of International Information and Cultural Affairs des State Departments für 49 000 Dollar Bilder moderner Künstler wie Romare Bearden, Arthur Dove, Georgia O’Keeffe oder Jacob Lawrence und organisierte eine Ausstellung, die unter dem Titel „Advancing American Art“ in Paris, Prag, Ungarn und Polen gezeigt werden sollte.
Doch dann beschwerte sich die American Artists Professional League, eine Organisation konservativer Künstler und Illustratoren, in einem Brief an das Außenministerium über die Auswahl der Bilder, die „vom Radikalismus der neuen Trends in der europäischen Kunst“ geprägt und nicht amerikanisch seien. Das Magazin Look zeigte den Lesern, welcher „Schrott“ mit ihren Steuergeldern gekauft worden war, Präsident Harry Truman wetterte über „diese Ausdünstungen unreifer, fauler Leute“, und der Haushaltsausschuss des Parlaments fürchtete, die Ausstellung werde die USA „zum Gespött des Auslands machen“.
Spiessbürgertum im Inland
Daraufhin brach Außenminister George C. Marshall die Ausstellungstournee ab. Die Gemälde wurden verkauft, ein O’Keeffe ging für fünfzig Dollar weg. Insgesamt brachten die Bilder 5544 Dollar. Marshall versprach, nie wieder würden Steuergelder für moderne Kunst ausgegeben werden, und ordnete in einer Direktive an, dass kein des Kommunismus verdächtiger Künstler auf Regierungskosten ausgestellt werden dürfe. Ausstellung nach Ausstellung wurde abgesagt.
Sogar eine Ausstellung „Sport in Art“, die von der Zeitschrift Sports Illustrated gesponsert wurde, war verdächtig. Ein Dallas County Patriotic Council beklagte, dass „unser Steuergeld in die Taschen von Künstlern geht, die der Zerstörung unserer Lebensweise verpflichtet sind.“ Auch die geplante Ausstellung, „Amerikanische Malerei, 1900 – 1950“, löste heftige Proteste aus. „Kubismus zielt auf Zerstörung durch vorsätzliche Unordnung“, wetterte George Dondero, ein Kongress-Hinterbänkler aus Michigan, gegen „die schwarzen Ritter der Ismen“: „Futurismus zielt auf Zerstörung durch den Mythos Maschine. Dadaismus zielt auf Zerstörung durch Lächerlichkeit. Expressionismus zielt auf Zerstörung durch Nachäffen des Primitiven und Wahnsinnigen. Surrealismus zielt auf Zerstörung durch Ablehnung der Vernunft.“
Vereint mit Joseph McCarthys hysterischer Verfolgung jedweden Ausdrucks von Avantgarde oder unorthodoxer Kunst, die er als kommunistisch infiziert betrachtete, diskreditierte dieses spiessbürgerliche Banausentum das Bild von den kultivierten Vereinigten Staaten mit ihrer freiheitlichen Demokratie. Angesichts des sich verschärfenden Kalten Kriegs vollzog der neue Präsident Dwight Eisenhower schon wenige Jahre später die Kehrtwende. Er setzte Kultur gezielt als Teil der psychologischen Kriegführung ein.
„Solange unsere Künstler frei sind, mit Ernsthaftigkeit und Überzeugung zu schaffen, solange wird es in der Kunst gesunde Auseinandersetzungen und Fortschritt geben“, verteidigte er 1954 anlässlich des 25jährigen Bestehens des Museum of Modern Art die moderne Kunst. „Wieviel anders ist es hingegen in einer Tyrannei. Wenn Künstler zu Sklaven und Werkzeugen des Staats gemacht werden, wenn Künstler Propagandisten einer Sache werden, wird Fortschritt verhindert, und Kunst und Schöpfergeist sind zerstört.“
Weltoffenheit im Ausland
Fortan durften nicht mehr nur harmlose, kitschige Musicals wie „Lullaby of Broadway“, „Music in the Air“ oder „Oklahoma“ sondern auch sozialkritische wie „South Pacific“ oder „Show Boat“ exportiert werden. George Gershwins Oper „Porgy and Bess“ eignete sich sogar hervorragend, der sowjetischen Propaganda von der rassistischen, amerikanischen Gesellschaft zu begegnen. Doch der Spagat zwischen reaktionärer Ablehnung in der Heimat und zur Schau gestellter Weltoffenheit und Toleranz im Ausland konnte nur gelingen, wenn in Zukunft die staatliche Beteiligung an künstlerischen Unternehmungen unerkannt blieb.
Die CIA löste das Dilemma, indem sie sich als Kunstmäzen im Stile von Renaissancepäpsten oder Florentiner Medicis betätigte. Der soeben erst gegründete Geheimdienst war – dominiert von Yale- und Harvard-Absolventen, die selbst Kunst sammelten und in ihrer Freizeit Romane schrieben – im Vergleich zu Joseph McCarthy oder J. Edgar Hoovers FBI eine Heimstatt des Liberalismus. Schon kurz nach der Gründung richtete die CIA die Propaganda Assets Inventory ein, die in ihren besten Zeiten Einfluss auf die redaktionellen Entscheidungen von über 800 Magazinen, Zeitungen und Nachrichtenagenturen nehmen konnte.
Die amerikanische Kultur-Propaganda
Kurze Zeit darauf, 1950, baute die CIA einen weiteren Zweig ihrer Propagandaabteilung auf, die International Organisations Division (IOD) unter Tom Braden. Es war die IOD, die den Zeichentrickfilm nach George Orwells „Animal Farm“, Opernaufführungen und die internationalen Tourneen etwa des Boston Symphonieorchesters oder von Jazzmusikern wie Dizzy Gillespie finanzierte. IOD-Agenten sassen in Verlagshäusern, in Hollywoods Produktionsfirmen, schrieben Reiseberichte z.B. für die Fodor-Reiseführer und unterstützten ohne deren Wissen Avantgarde-Künstler des Abstrakten Expressionismus wie Jackson Pollock, Robert Motherwell oder Willem de Kooning.
Im Propagandakrieg mit der Sowjetunion konnte diese neue Kunstrichtung als Beweis für die intellektuellen Freiheiten im Westen und die daraus resultierende Kreativität dienen, mit der die in der Zwangsjacke des sozialistischen Realismus gefangenen russischen Künstler nicht konkurrieren konnten. „Wir erkannten, dass der Abstrakte Expressionismus genau die Art von Kunst war, die den Sozialistischen Realismus noch dogmatischer, rigider und engstirniger aussehen ließ, als er ohnehin schon war“, erzählte Donald Jameson, ein ehemaliger CIA-Agent, der an jenem Programm beteiligt war, 60 Jahre später. „Bis zu einem gewissen Grad half uns Moskau sogar. In jener Zeit denunzierte Moskau jede Form von Nonkonformismus gegenüber seinen eigenen rigiden Mustern besonders heftig. Daraus schlossen wir, dass alles, was sie dermaßen scharf und plump kritisierten, unsere Unterstützung verdiente.“
Der Congress for Cultural Freedo
Um die gegen Moskaus Propaganda gerichteten Ziele in der geplanten Weise zu verfolgen, durfte bei den politisch zumeist links orientierten Künstlern nicht einmal der Verdacht aufkommen, irgendetwas mit der CIA zu tun zu haben. Darum ließ man sie an der „long line“ (langen Leine), wie das Kernstück der CIA-Kampagne intern hieß. Aus diesen ersten Anfängen in der Propagandaschlacht gegen den sozialistischen Feind wurde der Congress for Cultural Freedom (CCF), den die CIA am 26. Juni 1950 im Berliner Titaniapalast gründete und leitete. Unter den Teilnehmern an der Gründungskonferenz waren so illustre Persönlichkeiten wie Karl Jaspers, John Dewey, Hugh Trevor-Roper, Arthur Schlesinger, Bertrand Russell, Ernst Reuter, Arthur Koestler, Richard Löwenthal, Melvin Lasky, Stephen Spender und Tennessee Williams.
Zu den Unterstützern des Congress for Cultural Freedom gehörten neben der CIA zunächst auch so angesehene Institutionen wie die Michigan State University oder das Center for International Studies des Massachusetts Institute of Technology, das seine Verbindungen zur CIA jedoch zum Monatsende Juni 1966 aufkündigte, wie die New York Times seinerzeit berichtete. (Im Juni 1960 beging der Kongress auf seiner zweiten Berlinkonferenz, an der u.a. George F. Kennan, Willy Brandt, Jacques Maritain, Arthur Schlesinger Jr. und William Phillips teilnahmen, sein zehnjähriges Bestehen.) Zahlreiche Organisationen, Parteien, Wissenschaftler, Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Jugendgruppen, Zeitungen und Journalisten erhielten fortan Bares nicht nur von amerikanischen Organisationen wie der Ford Foundation sondern über den CCF auch direkt von dem Geheimdienst.
CIA-Direktor Allen „Dulles baute einen Public-Relations- und Propaganda-Apparat auf, der sich schließlich auf Hunderte Presseorgane und Rundfunksender, zahlreiche Verlagshäuser sowie persönliche Hilfsangebote von Männern wie Axel Springer stützen konnte“, so Tim Weiner in seiner Geschichte der CIA. „Wir hatten zu jeder Zeit mindestens eine Zeitung in jeder ausländischen Hauptstadt“, gab der Geheimdienst später zu.
Einem Bericht der Washington Post zufolge vom 15. Mai 1967 zählten zu den weiteren Nutznießern des CIA-Geldsegens der internationale PEN-Club, etliche französische Zeitungen, einem Bericht der New York Times zufolge (vom 26. Dezember 1977) auch die westdeutsche Nachrichtenagentur DENA (später DPA). Und am 19. Juni 1982 behauptete das linksgerichtete Nachrichtenmagazin The Nation, West-Deutschlands größter Verleger, Axel Springer, habe Anfang der fünfziger Jahre sieben Millionen aus der CIA-Kasse für den Aufbau seines Presseimperiums erhalten, die Beziehungen zu den Schlapphüten seien zumindest bis in die frühen siebziger Jahre fortgesetzt worden.
Die CIA als Kunstmäzen
Es war dieser so rührige Congress, der in den fünfziger Jahren einige der bedeutendsten Ausstellungen der Nachkriegsgeschichte wie „Modern Art in the United States“ (1955) oder „Masterpieces of the Twentieth Century“ (1952) organisierte. Die Ausstellung „The New American Painting“ tourte 1958-59 durch beinahe jede Großstadt Europas. Dabei bediente sich die CIA der Dienste von Museen und Millionären. Nelson Rockefeller, dessen Mutter zu den Gründern des New York Museum of Modern Art zählte, war einer der größten Unterstützer des Abstrakten Expressionismus, den er „free enterprise painting“ nannte. Der Congress for Cultural Freedom heuerte sein Museum an, die bedeutendsten Kunstshows zu organisieren.
Als 1958 die Londoner Tate Gallery Interesse an der gerade in Paris laufenden Ausstellung “The New American Painting” zeigte, aber für die Transportkosten nicht aufkommen konnte, sprang der amerikanische „Millionär und Kunstliebhaber“ Julius Fleischmann ein und brachte die de Koonings und Pollocks nach London. Das Geld kam von der Farfield Foundation, der Fleischmann als Präsident vorsaß. Die Stiftung war nichts anderes als ein geheimer Kanal für CIA-Mittel. Fleischmann saß ebenfalls im Vorstand des Internationalen Programms des Museums of Modern Art in New York.
Kaum ein Museum war wohl so gut vernetzt mit dem Geheimdienst wie das MoMA: William Paley, Präsident des Fernsehsenders CBS und einer der Gründer der CIA, saß im Vorstand des Internationalen Programms des Museums; Vorstandsvorsitzender des MoMA war John Hay Whitney, der einst beim CIA-Vorgänger OSS gedient hatte; und MoMA-Geschäftsführer war Tom Braden, der erste Chef der IOD. „Man braucht einen Papst mit einer Menge Geld, um Kunst zu Anerkennung zu verhelfen und zu unterstützen“, resümierte Tom Braden später. „Das ist ein Problem, mit dem die Zivilisation konfrontiert ist, seit der erste Künstler dem ersten Millionär oder Papst begegnete, der ihn unterstützte. Wenn wir diese Multimillionäre oder Päpste nicht gehabt hätten, gäbe es keine Kunst.“