Die USA sind neu an drei grossen Fronten gleichzeitig herausgefordert, womit nun die EU zwingend Amerika entlasten muss.
Die Liste der bislang letzten amerikanischen Embargomassnahmen liest sich wie ein who is who der Strippenzieher an den Schaltstellen des Moskauer Machtapparats (Silowiki), die in Putins Schlepptau eine Restauration russisch-imperialer Grossmachtideologie in die Tat umsetzen. Es handelt sich um ‘Berater’ aus Politik (u.a. Putins Stabschef), Wirtschaft (Bank Rossiya) und die vom Kreml kontrollierten Lenker der Staatsmedien. Zu diesem imperialen Netz gehören auch die Rohwarenfirma Gunvor, zum Teil domiziliert in Genf, und andere Energiefirmen. Den Realpolitiker Putin mit teilweisen Neigungen zur Kooperation mit dem Westen gibt es nicht mehr.
Simple Schlagworte in Ost und West
Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob dieser nach wie vor das alleinige und entscheidende Wort spricht - wie dies die grosse Mehrheit der Analysten annimmt - oder ob er durch die besagten Strippenzieher und ideologischen Einflüsterer in die extremen Ecke von grosssprecherischem Chauvinismus ( ‘die Krim war immer russisch’) und exsowjetischem Agitprop (‘in Kiew sind vom Westen aufgehetzte Nazis und Terroristen an der Macht, vor welchen wir unsere russischen Brüder schützen müssen’) gedrängt worden ist.
Zwei seit der Krim-Krise im Westen anzutreffende Haltungen sind, zumindest, unklug.
Da gilt einmal für was David Nauer im “Tagesanzeiger” treffend ‘Die Putin-Versteher’ genannt hat. Deren krude Argumentation beginnt beim vermeintlichen ‘Macchiavelli Putin’, geht weiter mit der ‘Mitschuld der EU’ an der Staatskrise in der Ukraine, um dem Verständnis für ‘die Russen auf der Krim, die Heim wollen’ bis zum Unsinn aus dem Klüngel der professionellen USA- und Israel-Hasser und Verschwörungstheoretiker.
Sicherheitesgarantien ohne Wert?
Verständlicher, aber gefährlicher ist die Argumentationslinie nach der Putin nun bereits sein Ziel erreicht hat und der Rest der Welt zur Wiederherstellung des Weltfriedens ‘bloss’ die Kröte der Annexion der Krim zu schlucken habe. Dies ist nicht völlig auszuschliessen, ist aber wahrscheinlich doch Wunschdenken. Die Erfahrung lehrt uns, dass je tiefer der Preis für Aggression angesetzt wird, je häufiger diese dann wiederholt wird. Südossetien und Transnistrien sind die nächsten ‘Heim ins Reich’-Kandidaten für Russland, nicht zu reden von weiteren Teilen der Ukraine oder gar anderen osteuropäischen Regionen und Länder mit russischstämmiger Bevölkerung.
Wie in diesen Seiten bereits ausgeführt, (http://www.journal21.ch/sanktionen-und-die-schweiz) , könnendie USA aus zumindest drei Hauptgründen gar nicht anders, als schon gegen die Annexion der Krim scharf zu reagieren. Im Falle weiterer russischer Agression in der Ost- und Südukraine kommt dazu, dass nach der Implosion der UdSSR die neu selbstständige Ukraine, die nun ihr gehörenden, exsowjetischen Nuklearwaffen abgab, da sie sich damit eine internationale Garantie ihres Territoriums sicherte, was übrigens damals auch von Russland mitunterzeichnet wurde. Wenn eine solche Garantie ohne grosse internationale Reaktion verletzt werden kann, wird das seine Präzedenzwirkung auf die Nordkoreas dieser Welt nicht verfehlen.
Unbequeme Herausforderung für Washington
Die Ukraine-Krise kommt für Washington im denkbar schwierigsten Moment. Am Ende von zwei ‘unklugen’ Kriegen im Irak und in Afghanistan, wollte Obama nun ein Schwergewicht auf den Grossraum Asien-Pazifik legen (Asian pivot), wo zunehmend Unruhe herrscht wegen immer offenerem Muskelspiel des Emporkömmlings China, wegen überwunden geglaubtem Revisionismus in Tokio und wegen offensichtlichem Dilettantismus in der ASEAN, welche noch nicht einmal die Suche nach einem zivilen Passagierflugzeug eines ihrer Kernmitglieder (Irrflug der Malaysia Airlines) koordinieren kann.
Im Schatten der Tagesaktualität Ukraine und MH 750 hat denn auch Beijing eben weiter an der Provokationsschraube gedreht, indem einem Versorgungsschiff für eine philippinische Garrnson auf einem der umstrittenen Inselterritorien im südchinesischen Meer der Zugang blockiert worden ist. Auch hier stellt sich mit aller Schärfe die Frage, wo und wie einer offensichtlichen Salamitaktik der Agression Einhalt geboten werden kann.
Im Mittleren Osten glauben sowohl Beteiligte als auch ‘ der Rest der Welt’ dass , wenn überhaupt, letztlich nur die USA die in der Folge des arabischen Frühlings aufgeflammten internen Krisen mit internationaler Breitenwirkung (Syrien, Ägypten, Libyen) in friedlichere Richtung zwingen können. Zudem hat Aussenminister Kerry einen weiteren Versuch gestartet, mit dem Palästinaproblem die “Mutter aller Nahost- Konflikte” anzugehen. Bereits werden Klagen in Asien Pazifik laut - wo ausser in Beijing in jeder Hauptstadt amerikanisches Gegengewicht zu China ebenso erwartet wie gewünscht wird - damit sei wohl der erwähnte Asian pivot zumindest aufs Eis gelegt.
Nato und EU - die Ärmel aufkrempeln
Und nun plötzlich eine dritte Front in Osteuropa, welche so und zu diesem Zeitpunkt kaum ein Stratege im Gesamtbild hatte. Auch hier sind die USA als ‘top dog’ der NATO direkt gefordert. Ungeachtet, ob es im Moment bei der russischen Annexion der Krim bleibt oder nicht, muss nun die nordatlantische Verteidigungsorganisation wieder völlig neu aufgestellt werden, da gerade im sicherheitpolitischen Bereich allein schon die Perzeption von entscheidender Bedeutung ist. Stillschweigendes Einverständnis, das gefährliche Spiel nicht immer weiter zu treiben kann und darf von den eingangs erwähnten Machfalken in Moskau nicht erwartet werden.
Drei globale Krisen können die USA nicht allein stemmen. Die EU wird damit rascher und ‘poltischer’ als erwartet, ihrerseits grössere Verantwortung übernehmen müssen. Sicher im schwieriger werdenden Verhältnis mit Russland. Weiter auch mit Bezug auf mittelöstliche Brandherde (syrische Flüchtlinge, Wirtschafts- und Waffenhebel gegenüber den ägyptischen Generälen, etc). Das haben die grösseren und die unabhängigeren EU-Mitglieder begriffen und werden, ungeachtet ihrer spezifischen Anliegen, auch im Sinne des grösseren, gemeinsamen Intressens handeln. Bezeichnend übrigens, dass gerade in diesen Tagen in nur scheinbar völlig anderen Bereichen gemeinschaftlicher Politik - beim Bankgeheimnis und bei der Europäischen Bankenunion - Einigung erzielt worden ist, weil Partikularintressen aufgegeben worden sind.
Gripen-Entscheidung und Krim-Krise
Naiv wäre es zu glaubern, dass die westeuropäische Mittelmacht Schweiz sich mit historischen Floskeln, vermeintlichem Vermittlungsgewicht und inhaltsleeren Wortarabesken ( ‘neutral, aber westlich’) diesen im Moment anlaufenden Umschichtungen wird entziehen könnte. Wir stimmen ja bald ab über den Gripen. Man wird sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Kampfflugzeuge nicht nur für Luftpolizei über Davos taugen. Das gilt auch für neutrale Greifvögel. Schweden hat solche zur Unterstützung der NATO-Flugzeuge über der libyschen Wüste vor dem Sturz von Ghadhafi i zur Verfügung gestellt, ohne auf den Wiener Kongress von 1815 hinzuweisen.