Tun irgendwo die Kosten weh, so kommt unweigerlich die Forderung nach einer Deckelung. Was über bestimmten Grenzen liegt, wird dann der Allgemeinheit angelastet. Das kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein, ist aber ein Mittel mit oftmals heftigen Nebenwirkungen.
Die Kosten eines Kitaplatzes in der Stadt Zürich sind abhängig vom Einkommen der Eltern. Gewiss eine segensreiche Einrichtung, da Personen mit geringen Einkommen sich die Kita sonst schlicht nicht leisten könnten. Doch das System ist nicht ohne Tücken. Mit dem offiziellen Online-Beitragsrechner kann man Vergleiche anstellen, die das zeigen.
Ein Beispiel: Zwei Eltern mit zwei zu betreuenden Kindern zahlen für ganztägige Kita-Betreuung bei 90’000 Franken Haushaltseinkommen monatlich 3’072 Franken. Steigt das Einkommen auf 130’000 Franken, so wird der Vollbeitrag von 4’800 Franken fällig. Das ist bei elf Monaten Betreuung ein Plus von 19’000 Franken im Jahr, also knapp die Hälfte des Mehrverdienstes. Durch das höhere Einkommen reduzieren sich auch noch andere Vergünstigungen, so die Prämienverbilligung bei der Krankenkasse. Unter dem Strich bleibt vom zusätzlich erzielten Einkommen nach Abzug der Steuererhöhung nicht mehr viel.
Das Beispiel zeigt, dass die soziale Massnahme zur Verbilligung der Betreuungskosten in vielen Fällen ungewollte Nebenwirkungen hervorruft. Sie schwächt den Anreiz, mehr zu verdienen, sei es durch erhöhte Pensen oder qualifiziertere Arbeit. Die Folgen reichen weit: Individuelle berufliche Entwicklungen – insbesondere bei Frauen – bleiben aus, die Altersvorsorge leidet, dem Mangel an Fachkräften wird nicht entgegengewirkt, es resultiert ein geringeres Steuersubstrat.
Übermässige Kosten zu deckeln, statt die Probleme zu lösen, von denen sie herrühren, ist keine nachhaltige Politik. Mietpreisdeckel beispielsweise bevorzugen Menschen, die eine Wohnung haben, gegenüber denen, die eine suchen müssen. Die Deckelung schafft keine zusätzlichen Wohnungen, sie würgt vielmehr den Wohnungsbau ab. «Lösen» kann man das Problem des auf die attraktiven Städte konzentrierten Wohnungsmangels ohnehin nur begrenzt. Aber man kann diesen mit weitsichtiger Planung, mit einem starken genossenschaftlichen Sektor sowie mit sozialem Wohnungsbau dämpfen.
Würde am 9. Juni die Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» angenommen, so käme es auch bei den Gesundheitskosten zu einer Deckelung der Kosten. Die direkte Folge davon wäre eine weit über die bestehende Prämienverbilligung hinausgehende Umverteilung finanzieller Lasten. Der «Tages-Anzeiger» hat am 19. Mai einen Rechner aufgeschaltet, mit dem man den Mechanismus der neu entstehenden Kostenverschiebungen simulieren kann.
Schon bei einem Bruttoeinkommen von 60’000 Franken gehört nach dieser Prognose ein Einpersonen-Haushalt zu den Nettozahlern (Kanton Zürich). Bei höheren Einkommensklassen können die Transferleistungen über 10’000 Franken pro Jahr erreichen (mit grossen kantonalen Unterschieden).
Umverteilung wird bereits praktiziert bei der Steuerprogression, die vor allem bei der Direkten Bundessteuer steil ansteigt. Dahinter steht der politische Konsens, dass der zu leistende Beitrag an den Staat mit steigendem Einkommen überproportional anwachsen soll. Auf der gleichen Idee beruht die Finanzierung der AHV: Die Beitragszahlungen sind nach oben unbegrenzt, während die damit erzielten Versicherungsleistungen auf tiefem Niveau gedeckelt sind. Eine Annahme der jetzigen Prämien-Entlastungs-Initiative würde den zahlreichen bestehenden Umverteilungsmaschinen eine weitere hinzufügen.
Problematisch daran ist einerseits die Inflation des Umverteilens und andererseits die weiter anwachsende Unübersichtlichkeit der diversen Umverteilungsmechanismen. Man darf wohl annehmen, dass beides gewollt ist. Je weniger die Gesamtheit der Umverteilungen sichtbar wird, desto leichter ist es, neue Transfers als politisch akzeptabel darzustellen. Die Initianten setzen sich als die Robin Hoods der unter den Prämienlasten Ächzenden in Szene. «Prämienwahnsinn stoppen!» Die knallige Parole wischt die Frage, wer denn bezahlen solle, einfach beiseite, und sie geht grosszügig über alle Diskussionen, wie die Gesundheitskosten zu zähmen wären, hinweg.
Der Kostendeckel bei den Krankenkassenprämien würde nicht bloss zu einer starken weiteren Umverteilung, sondern vor allem auch zu einer problematischen Verschleierung der gesamten Problematik führen. Der politische Druck zur Reform unseres von vielen Fehlanreizen und Strukturmängeln belasteten Gesundheitswesens wäre schlagartig weg. Die Initiative würde wirken wie ein medikamentöser Hammer, der die Symptome eines kranken Systems zum Verschwinden bringt, die Ursachen aber völlig unangetastet lässt. Medizinisch ist eine solche Therapie nicht zu empfehlen; auch gesundheitspolitisch ist sie unverantwortlich.
Das dauerhafte Deckeln der Krankenkassenprämien löst keine Probleme. Überschiessende, untragbare Kosten sind Signale für systemische Fehlentwicklungen. Dazu zählen die zahlreichen Anreize für Mengenausweitungen, die verschiedenartigen Bremsklötze bei der Allgemein- und Hausarztmedizin, der mächtige Einfluss von Lobbyisten in der Gesetzgebung und vieles mehr. Es ist die Aufgabe der Politik, bei Alarmzeichen wie dem ungebremsten Prämienwachstum den Ursachen auf den Grund zu gehen und diese zu beheben. Und zwar auch dann, wenn die an den Ursachen ansetzende Problemlösung eine weniger knallige und dafür geduldigere Politik verlangt, die von allen Beteiligten einen Beitrag fordert.