Der ohnehin angeschlagene Ruf des Schweizer Rohstoffhandels wird durch Korruption und Putins Krieg zusätzlich belastet.
Kürzlich berichtete der «Tagesanzeiger» (03.04.2024) über Bussen im Umfang von Hunderten Millionen Dollar, die die vier Rohstoffgiganten Vitol, Glencore, Gunvor und Trafigura der US-Staatskasse in jüngster Zeit entrichten mussten. Der Artikel erwähnte zusätzlich zwei US-Konzerne, die zu hohen Bussen verurteilt worden waren. Es ging in allen Fällen um Korruption in Lateinamerika und Afrika.
Gunvor, Trafigura, Glencore, Vitol
Besonders hart traf es die Genfer Gunvor, die wegen Bestechung in Ecuador 661 Millionen Dollar zahlen musste. Gleichzeitig wurde Gunvor, wie die Entwicklungsorganisation Public Eye am 1. März 2024 berichtete, von der Schweizer Bundesanwaltschaft zu einer Zahlung von 86,7 Millionen Franken, davon 4,3 Millionen als Busse, verurteilt. Die 1993 in Zug von abgesprungenen Marc-Rich-Tradern gegründete Trafigura hatte laut dem zitierten «Tagesanzeiger» wegen der Bestechung brasilianischer Beamter 127 Millionen Dollar zu entrichten.
Die Glencore, die 1994 nach einem Management-Buyout der Marc Rich entstanden war, musste, wie das Handelsblatt am 25. Mai 2022 berichtete, eine Busse von 700 Millionen an die USA, 40 Millionen an Brasilien und 400 Millionen an die Rohstoffmarktaufsicht der USA bezahlen. Sie hatte zugegeben, Marktmanipulationen betrieben und Beamte in der Demokratischen Republik Kongo, Nigeria, Kamerun, der Elfenbeinküste, Äquatorialguinea, Brasilien und Venezuela geschmiert zu haben. Am 3. November 2022 vermeldete das Handelsblatt, dass ein britisches Gericht gegen den Baarer Konzern aufgrund von sieben nachgewiesenen Bestechungsdelikten in den genannten Ländern Afrikas und zusätzlich im Südsudan eine Busse von 182,9 Millionen Pfund sowie eine Beschlagnahmung in Höhe von 93,5 Millionen Pfund verhängt hatte.
Der Genfer Rohwarenhändler Vitol, vor Glencore und Gunvor das umsatzstärkste Schweizer Unternehmen, hatte sich laut NZZ (05.12.2020) mit Brasilien und den USA im Zusammenhang mit Korruptionsuntersuchungen darauf geeinigt, den beiden Staaten und der US-Aufsichtsbehörde CFTC 164 Millionen Dollar zu bezahlen. Leider ist Brasilien das einzige betroffene Land des globalen Südens, das von den Konzern-Zahlungen profitieren konnte.
Knappe Mehrheit für Transparenz im Nationalrat
Alle Konzerne haben jeweils beteuert, sich zu bessern. Allerdings ist das Problem ein strukturelles. Rohstoffe kommen vor allem in Ländern mit schwacher Rechtsstaatlichkeit vor. Zudem verweigern sich die Rohstoffkonzerne internen Massnahmen wie die Garantierung von Transparenz bei den Transaktionen mit Staatsunternehmen. Und sie wehren sich gegen gesetzliche Bestimmungen wie die Schaffung einer Rohmarktwarenaufsicht oder eines Registers über die wirtschaftlich Berechtigten.
Dass eine Motion der Zuger Grün-Alternativen Manuela Weichelt, die vor allem Transparenz über ausländische Anlegerinnen und Anleger an schweizerischen Handelsgesellschaften fordert, vor einem Jahr im Nationalrat mit 95 gegen 94 Stimmen angenommen wurde, ist Ausdruck eines gewachsenen Malaises in der Gesellschaft und in der Politik. Ob auch der Ständerat dem Druck der Rohstoff-Lobby widersteht, muss sich noch zeigen.
Seltsames bei der Zuger Sberbank
Eine andere Frage, welche den Ruf des Rohstoffhandelsplatzes Schweiz in letzter Zeit stark beschädigte, ist dessen Rolle beim Füllen von Putins Kriegskasse. So haben die Glencore und ihr grösster Einzelaktionär, der katarische Staatsfonds QIA, Putin 2016 mit 11 Milliarden Dollar aus der finanziellen Klemme befreit. Noch heute hält Glencore einen Anteil von 10,6 Prozent am russischen Energie- und Rohstoffunternehmen EN+ und eine 0,6% Beteiligung am staatlichen Ölkonzern Rosneft. Bereits 2013 hatte Trafigura den staatlichen Ölkonzern Rosneft mit 1,5 Milliarden vor dem Bankrott gerettet. Noch vor 10 Monaten titelte die Times: «Vitol and Gunvor help keep Russian refined oil flowing» (20.06.2023).
Allerdings ist davon auszugehen, dass die drei Schweizer Riesen zwischenzeitlich vorsichtiger geworden sind. Ob das auch für Trafigura, die ihren Hauptsitz 2012 von Genf nach Singapur verlegt hat, zutrifft, ist fraglicher. Der Rohstoffkonzern mit starken Putin-Connections liegt gefährlich nahe bei China und Indien, den beiden grössten Kunden Russlands.
Etwas Seltsames ereignete sich letztes Jahr bei der Zuger Sberbank, die dem russischen Finanzministerium gehört und die einzige noch aktive Filiale in Europa ist. Kurz nach Kriegsbeginn beschloss deren Rohstoffabteilung, die Sber Trading Swiss AG, ihre Auflösung. Ein Jahr später, am 12. Juni 2023, war im Zuger Handelsregister zu lesen: «Mit Beschluss vom 03.04.2023 hat die Generalversammlung ihren Beschluss betreffend Auflösung der Gesellschaft vom 04.07.2022 widerrufen.» Im Verwaltungsrat sitzen ein Moskauer und eine russische Staatsangehörige in Baar. Offenbar geht das Geschäft weiter.
Systemrelevanter Potanin – ein Putin-Vertrauter
Das gilt auch für die Kohle. Von den acht grossen russischen Händlern und Förderern des schwarzen Goldes sind sieben immer noch in Zug und aktiv, obwohl Kohle aus Russland sanktioniert ist. Ein Freund Putins, Wladimir Potanin, betreibt im Zuger Metalli-Center eine Filiale seines Konzerns Nornickel. Potanin ist der weltweit grösste Produzent von Palladium (41 Prozent), Nickel (14 Prozent) und Platin (10 Prozent). Laut Statista 2024 vermochte er sein Vermögen seit Kriegsbeginn auf 23,7 Milliarden zu steigern. Seine Geschäfte sind zu wichtig für den Welthandel, um sie und ihn zu sanktionieren.
Am 8. Januar 2024 veröffentlichte die NZZ eine Recherche über den russischen Diebstahl an ukrainischem Getreide in besetzten Gebieten mit Hilfe der Zuger Firma Vivalon. Deren Direktor wohnt in Istanbul, deren einziger Verwaltungsrat in Genf. Wenn man den neun anderen Firmen desselben nachgeht, erscheint viermal Dubai, einer der wichtigsten Ausweichplätze für Geschäfte mit Russland.
Im Abstimmungskampf über die zweite Konzernverantwortungsinitiative, die nächstens gestartet werden dürfte, werden die Fragen der Korruption und der Kriegsfinanzierung ein grössere Rolle spielen als im Herbst 2020. Bereits damals wurde sie von einer Mehrheit des Stimmvolkes angenommen, aber von den meisten Ständen abgelehnt. Der Ruf der Rohstoffhändler ist zwischenzeitlich noch schlechter geworden.
Der Historiker und ehemalige Nationalrat der Zuger Grünalternativen verfolgt den Rohstoffhandel seit den frühen 1980er Jahren.