Die Bargeldbestände einer Bank machen nur einen winzigen Bruchteil der Bankbilanz aus. Denn keine Bank rechnet damit, dass eine nennenswerte Zahl ihrer Kunden gleichzeitig ihre Einlagen ausbezahlt haben wollen. Erfahrungswerte helfen, die Menge an liquiden Mitteln zu optimieren, die eine Bank vorrätig haben muss. Erfahrungswerte nützen nichts, wenn ein ausserordentliches Ereignis eintritt. Beispielsweise ein Bank Run, also eine Stampede von verängstigten Sparern, die sofort ihre Guthaben in Form von Bargeld ausbezahlt haben wollen.
Die Sicherheitssysteme
Aufgrund übler Erfahrungen in der Vergangenheit ist es in Europa heutzutage üblich, dass der Staat Einlagen in Banken bis zu einer festgelegten Höchstsumme, normalerweise 100’000, Euro oder Franken, garantiert. Das soll vor allem der Masse von Kleinsparern die Sicherheit geben, dass auch im Fall eines Bankrotts ihrer Bank das Geld nicht verloren geht. Nun greift aber der Staat selbst, als Garant der Spareinlage, ins Kässeli und enteignet den Sparer von einem Tag auf den anderen um 6,75 Prozent seines Spargroschens. Das ist faktisch bereits vollzogen, obwohl es noch überhaupt nicht klar ist, ob dieser Beschluss der EU tatsächlich umgesetzt wird. Nun könnte man meinen, dass das doch kein Problem sei, weil es nur die Winzinsel Zypern betrifft, die lediglich 0,2 Prozent ans BIP des EU-Raums beisteuert.
Doppelt geschädigtes Vertrauen
Nicht nur das Vertrauen in das individuell gewählte Bankinstitut wird damit beschädigt, sondern auch das Vertrauen in den Staat als Garant der Einlage. Wie beim erzwungenen «freiwilligen» Schuldenschnitt im Falle Griechenlands führt hier die EU vor, dass sie nicht davor zurückschreckt, einen fundamentalen Wert im Finanzsystem zu pulverisieren. Das Vertrauen, das ein Geldgeber braucht, um seine sauer verdienten Ersparnisse nicht unter der Matratze, sondern in einer Bank zu lagern. Da angesichts des lachhaften Zinsniveaus von Ertrag keine Rede mehr sein kann, blieb die geschützte und sichere Aufbewahrung von Rücklagen das einzige Argument, um nicht ausschliesslich auf Bargeld zu vertrauen. Das ist mit diesem jüngsten Beschluss zerstört worden.
Die Auswirkungen
Welche Überlegungen stelle ich als zypriotischer, griechischer, italienischer oder spanischer Kleinanleger an? Ich bekomme schon seit Jahren keinen Ertrag, der wenigstens den Werterhalt meiner Anlage garantieren würde. Ich muss seit Beginn der Finanzkrise 1 Angst haben, dass die Bank meines Vertrauens Pleite geht. Und neu muss ich befürchten, dass mich der Staat als Garant meiner Einlage teilenteignet. Das sind doch alles naheliegende Gründe, meinen Spargroschen abzuheben. Allerdings frage ich mich auch: Ist es eigentlich eine gute Idee, das Bargeld in Euro zu halten?
Flucht wohin?
Als finanztechnischer Laie habe ich sicherlich von der Existenz von Dollar, Yen, Schweizerfranken und vielleicht noch von Kronen, Pfund, kanadischen oder australischen Dollar gehört. Möglicherweise war ich noch nie, vielleicht mit Ausnahme des US-Dollar, Besitzer einer solchen Währung. Aber da gibt es doch im Zentrum Europas den Franken. Der hat anscheinend sogar zwei Weltkriege unbeschadet überlebt. Da muss die Nationalbank sogar eine Untergrenze zum Euro festlegen, damit der Wert des Franken nicht durch die Decke geht. Also wenn ich Zyprer, Grieche, Italiener oder Spanier wäre: Ich wüsste, was ich täte ...
Die SNB
Mehr Nachfrage, gleichbleibendes Angebot. Wenn dieses Grundprinzip der freien Marktwirtschaft noch gilt, dann ist klar: Der Franken steht mal wieder unter Aufwertungsdruck. Oder besser formuliert: Der Euro segelt nach unten. Nun hat die Schweizerische Nationalbank verkündet, dass sie die Untergrenze von 1,20 Franken zum Euro «unter allen Umständen» verteidigen wird. Das beruhigt, so ähnlich wie das Wort von EZB-Chef Draghi, dass die Europäische Notenbank «unbegrenzt» Staatsschuldpapiere aufkaufen wird. Damit wird jeweils die grösste Geldkanone in Stellung gebracht, die es in einer Währung gibt.
Die Munition
Diese Geldkanone hat den unschlagbaren Vorteil, dass sie ihre Munition in unbegrenzter Menge selbst herstellen kann. Sie schafft Neugeld. Aus dem Nichts. Also kauft die SNB – die Beträge erfahren wir erst Monate später und zudem unvollständig – massenhaft Euro, um der steigenden Nachfrage nach Franken zu begegnen. Mehr Angebot, der Wechselkurs des Euro steigt. Super, da müssen wir uns ja keine Sorgen machen. Die Untergrenze von 1,20 Franken ist bombensicher. Ausser, das ist das gleiche Spiel wie beim Kleinanleger, es passiert etwas Unvorhergesehenes. Zum Beispiel: Es rumpelt im Euro dermassen, dass die SNB auf riesigen Euro-Geldbergen sitzenbleibt, die nicht mehr dem Wert der dafür hergestellten Franken entsprechen. Entweder resultiert das in Milliardenverlusten oder in einer rasant anziehenden Inflation im Frankenraum.
Die lange Liste
Simbabwe, Argentinien, Mexiko, die Liste der Nationen, deren Landeswährung sich in Form von Hyperinflation völlig entwertete oder die gleich Staatsbankrott erklärten, ist ellenlang. Aber bitte, wir sprechen hier nicht von Drittweltländern, sondern von der Weltwährung Euro, gestützt durch einen der grössten und stärksten Wirtschaftsräume der Welt. Allerdings: Das Befremdliche am Unvorhersehbaren ist, dass es, trivial, aber real, eben unvorhersehbar ist. Oder zumindest scheint. Sicher ist aber: Geldverleihen beruht auf Vertrauen, dass man es in Zukunft unentwertet und vollständig wieder zurückkriegt. Existiert dieses Vertrauen im Euro-Raum noch?