Ist es nicht wunderbar und gleichzeitig widersprüchlich, als Mitglied der ältesten Demokratie der Welt an königlichem Pomp, Prunk und Palästen Spass zu haben? Die Monarchisten auf Distanz kamen am Tag vor dem Arbeiter-Feiertag wieder einmal auf ihre Kosten, als in Holland ein Generationenwechsel auf dem Thron zelebriert wurde. Einen Tag später forderten alle Redner höhere Löhne.
Rücktritt mit Tradition
In den Niederlanden wurde Wochen zuvor einmal mehr darüber diskutiert, weshalb der älteste Sohn der Königin Beatrix seine Million vom Staat nicht versteuern muss. Holland ist eine so gefestigte Demokratie, dass die Monarchiegegner die Erlaubnis erhielten, sich an amtlich bewilligten Orten zu versammeln. Aber Zehntausende feierten, auf Plätzen und Grachten, mit orangen Accessoires.
25 000 Leute schauten vor dem Schloss in Amsterdam auf einer Grossleinwand zu, als die Königin exakt 33 Jahre nach ihrem Amtsantritt das virtuelle Szepter an den Kronprinzen Willem-Alexander weiterreichte. Virtuell deshalb, weil die königlichen Insignien in den Niederlanden nur zur Dekoration dienen, aber nicht getragen werden. Ihr Rücktritt hat Tradition. Auch Beatrix’ Mutter Juliana und die Grossmutter Wilhelmina hatten zugunsten ihrer Töchter abgedankt und waren in Pension gegangen.
Kleine blonde Kronprinzessin
Nun war seit mehr als 100 Jahren wieder einmal ein Mann an der Reihe. Aber das Königs-Revival ist bereits gelaufen. Willem-Alexanders Nachfolge wird wieder eine Frau antreten, die heute erst 9jährige Prinzessin Amalia, die älteste von drei süssen, blonden Töchtern. Als nach Alexia (7) vor fünf Jahren Ariane zur Welt kam, scherzte der künftige König und stolze Vater, nun hätte er ein Triple-A-Rating. Amalia soll sich bei ihrem Vater bereits erkundigt haben, wie lange er König zu bleiben gedenke. Hoffen wir, dass sie sich vor ihrer eigenen Thronbesteigung heute eher fürchtet als sich darauf freut. Jedenfalls ist das Kind nun Kronprinzessin und Prinzessin von Oranien. Möge es ihr nicht in den Kopf steigen!
Königin Beatrix, klug, gebildet, fleissig, wurde oft durchaus bewundernd «CEO der Niederlande AG» genannt. Sie kann sich nun dank einer Abdankungsurkunde regulär in ihr frisch renoviertes «Stöckli», das Schlösschen Drakensteyn, zurückziehen und öfter ihren mittleren Sohn Friso besuchen, der nach einem Skiunfall seit mehr als einem Jahr in einer Londoner Spezialklinik im Koma liegt, ein grosser Wermutstropfen an der Feier.
Königinnen in der Pole-Position
Beatrix musste nicht lange überlegen, wem sie ihr Business übergeben wollte. Im Gegensatz zu anderen CEOs, die nicht loslassen können und keine Nachfolger aufbauen mögen, gibt es dieses Problem in Königshäusern nicht. Die Nachfolge ist klar – wer zuerst auf die Welt kommt, bekommt den Thron. Nur in Spanien galt bis vor kurzem die Bevorzugung von Söhnen, sonst wäre Felipe nicht Kronprinz. Im Fürstentum Liechtenstein wird das wohl noch eine Weile so bleiben, und auch in weiter entfernten Staaten sind wohl Präsidentinnen möglich, aber kaum Königinnen. In Europa dagegen sind nun mit wenigen Ausnahmen nur künftige Königinnen in der Pole-Position – die meisten ältesten Kinder der Kronprinzenpaare sind Mädchen.
Vor allem nach dem Ersten Weltkrieg, als reihenweise Könige entthront wurden, gab es die Prognose, dass es in Zukunft nur noch die vier Könige im Kartenspiel und den König von England geben werde. Nun, es gibt in Europa trotzdem noch immer sechs Königshäuser, dazu zwei Fürstentümer und ein Herzogtum; in England regiert seit 60 Jahren eine Königin, und ihr Nachfolger, auch schon Mitte sechzig, kann von einem System wie in Holland höchstens träumen. Die anderen europäischen Kronprinzen sind allesamt rund 20 Jahre jünger als der Brite und seine zweite Frau Camilla, die definitiv nicht mehr die Federn aus dem Bio-Hühnerhof ihres Gatten zu Hüten verarbeiten lassen sollte.
Elegante Kleidung
A propos Kronprinzen und die eine Kronprinzessin aus Schweden: Mit Ausnahme von Belgien, Liechtenstein und Luxemburg heirateten sie Bürgerliche. Und sie waren alle der Einladung aus Holland gefolgt, mit Ausnahme der Fürstin von Monaco; der Fürst erschien solo. Sogar die schöne japanische Kronprinzessin, einst studierte Diplomatin, zeigte sich nach sieben Jahren erstmals wieder in Gesellschaft. Amtskollegen aus Katar, Brunei und Marokko mit ihren Gattinnen sorgten für farbliche Akzente.
Alle diese Bürgerlichen, samt der neuen Königin von Holland, bewegen sich im Höchstadel, als hätten sie nie etwas anderes getan. Sie tragen - noch bevor es eine richtige Krone gibt – die royalen Diademe mit Grandezza, und ihre Kleider-Budgets vervielfachten sich sichtlich seit ihrer Heirat. Meist kleiden sie sich elegant, den Anlässen angemessen.
Überwältigendes Diadem
An der Inthronisierung von König Willem-Alexander, an der sich die Gäste dreimal in Gala-Garderobe präsentieren durften (Dinner am Vorabend, Amtseinsetzung in der Nieuwe Kerk zu Amsterdam, Abschlussball) schienen Spitzen wieder einmal Spitze zu sein. Vor allem Kronprinzessin Letizia von Spanien hüllte sich unbeirrt in das Material, das unsere Mütter und Grossmütter als Garnitur ihrer Unterwäsche schätzten. Am ersten Dinner trug Letizia eine enge schwarze Robe mit langen Ärmeln, die aussah, als hätte sie ein paar Mantillas zusammennähen lassen. Damit nicht genug: In der Kirche trug sie das ungefähr gleiche Modell, aber in Wasserblau. Vielleicht hatte sie zwei für den Preis von einem bekommen? Spanien steckt ja in finanziellen Nöten, und bereichert haben sich mutmasslich nur Verwandte des Kronprinzen.
Maxima von Holland, die sonst meist stilsichere Königin, muss diesmal in die Hände von Stilisten gefallen sein, die sonst Pralinenschachteln dekorieren. Lauter Vorhang-Volants von Valentino am ersten Dinner und eine Riesenblume auf der Schulter zur Abdankung ihrer Schwiegermutter – kein Maximum für Maxima. Aber in der Nieuwe Kerk erschien sie königlich in passendem Köngsblau, wie ihre drei Töchterchen und Oma Beatrix. Zum langen Kleid (mit Spitze, was sonst?) und einem Cape trug sie ein wahrlich überwältigendes Diadem aus Diamanten und Saphiren mit einem Riesensaphir in der Mitte. Für den Abend trug Maxima dann - ja was denn? Natürlich Spitze, weinrot, altrosa unterlegt, aber sehr schön modelliert.
Der neue König schien eine Metamorphose zu durchlaufen. Er trug einen blendend geschnittenen Frack, denn nachdem er seinen Dienstgrad als Admiral der holländischen Marine niederlegen musste, trägt er deren kleidsame Uniform nicht mehr, nur noch die Medaillenspange. Andere Kronprinzen erschienen goldbetresst mit gewaltigen Ordenssternen, und besonders beim Kronprinzen von Luxemburg fragte man sich verblüfft, was für eine Armee sein Herzogtum denn hat, deren Uniform er trägt? Der Erbprinz von Liechtenstein dagegen, dessen Fürstentum von der Armee der benachbarten Schweiz beschützt wird, trug einen perfekt sitzenden Frack.
Königstreue Schweizerinnen
Zurück zum nunmehr jüngsten König Europas: Seine Schultern zierte ein seit 200 Jahren in Holland üblicher Königsmantel aus besticktem rotem Samt mit dem immer etwas räudig wirkenden königlichen Hermelin, gegen den holländische Tierschützer protestiert hatten. Und «Alex» wirkte so souverän und ernsthaft wie noch nie. Er hielt eine ordentliche Rede und dankte seiner Mutter für ihr Wirken. Sah man hier, wie der englische Ausdruck für die Übernahme von Verantwortung im Wortsinn zum Tragen kam: «To seize the mantle»?
Die sonst zu einer Krönung gehörende ganze goldene Hardware, Krone, Reichsapfel, Szepter, lagen derweil auf einem roten Kissen. Die Krone der Niederländer ist zwar auf ihrem unteren Reif mit riesigen Klunkern in den Farben der holländischen Fahne besetzt, ansonsten aber nur mit vielen kirschengrossen Perlen. Sie allein wären, auch dies ein englischer Ausdruck für Lösegeld, «a king’s ransom» wert.
Schweizer, besonders Schweizerinnen, sind durchaus königstreu. Magazine mit Monarchischem auf der Frontseite verkaufen sich hervorragend. Sicherlich ist es angenehmer, die Könige und Königinnen anderer Leute aus sicherer Entfernung zu bewundern, als eigene zu finanzieren.