Die USA und die islamistischen Taliban haben ein Abkommen unterzeichnet, das viele ein Friedensabkommen nennen. Doch das ist es nicht. Wenn schon: die Vertragsparteien bekunden die Absicht, Friedensverhandlungen zu beginnen. Deshalb heisst die Vereinbarung offiziell: „Agreement for Bringing Peace to Afghanistan“.
Was heisst „Peace“? Die Taliban waren schon immer für einen Frieden. Aber für „ihren“ Frieden. Einen Frieden nach ihren Vorstellungen. Einen Frieden ohne die jetzige Regierung. Einen Frieden in einem Gottesstaat?
Das Abkommen von Doha ist ein Sieg für die Taliban. Sie haben ihr wichtigstes Ziel erreicht: dass die Amerikaner und die anderen ausländischen Truppen das Land bald einmal verlassen.
Und was haben sie dafür hergegeben? Konkret eigentlich nichts. Sie versprachen, keinen internationalen Terrororganisationen wie al-Kaida Zuflucht zu geben. Das ist keine eigentliche Konzession, denn damit fällt den Taliban kein Stein aus der Krone. Al-Kaida brauchen sie gar nicht.
Der wichtigste Punkt: Die Taliban versprachen, mit der afghanischen Regierung Friedensverhandlungen aufzunehmen. Doch diese Regierung ist von Korruption und inneren Machtkämpfen zerfressen. Zudem hat die Regierung in weiten Teilen des Landes die Kontrolle verloren. Die Taliban beherrschen über die Hälfte Afghanistans. Und wenn die ausländischen Truppen abgezogen sind, könnte die andere Hälfte schnell in ihre Hände fallen.
Wie kann also eine solch schwache, zerstrittene Regierung den Gotteskriegern bei Verhandlungen Paroli bieten? Die Taliban sind am stärkeren Hebel und werden ihre Vorstellungen durchsetzen. Symbolisch ist, dass die afghanische Regierung auf Druck der Taliban an den Doha-Gesprächen gar nicht teilnehmen durfte.
Werden die fundamentalistischen Taliban bald einmal ihren Gottesstaat aufbauen – oder werden sie einsehen, dass sie nur dann überleben können und vom Ausland Hilfe bekommen, wenn sie pragmatisch werden? Niemand weiss das. Sicher ist nur, die Taliban sind nach wie vor von finsteren Ajatollahs und Mullahs durchsetzt. Von Pragmatismus sind die meisten noch weit entfernt. Für die afghanischen Frauen ist ein Abkommen keine gute Nachricht. Es gibt gute Gründe, den Friedensschalmeien der Taliban nicht zu glauben.
Die Amerikaner haben in Afghanistan zweieinhalb Tausend Soldaten verloren. Für was sind sie gestorben? Die Antwort ist ernüchternd: für nichts. Dass Trump Afghanistan den Afghanen überlassen will, ist nachvollziehbar. Viel haben die USA in den fast zweijährigen Verhandlungen nicht herausgeholt. Trump wollte und brauchte ein Abkommen, vor allem auch in einem Wahljahr. Welcher Art dieses Abkommen ist, war plötzlich zweitrangig. Die Taliban wussten das, machten einige kosmetische Konzessionen und haben die Chance gepackt.
Man kann es auch positiv sehen. Es ist das erste Mal, dass es im langen Afghanistan-Krieg zu einer Vereinbarung mit den Taliban gekommen ist. Doch es braucht schrecklich viel Optimismus, um sich einen baldigen Frieden am Hindukusch vorstellen zu können.