Von den erhaltenen 150 Kirchenburgen in Siebenbürgen – dem heutigen rumänischen Transsilvanien – setzte die Unesco sieben auf die Welterbe-Liste, ein denkmalpflegerischer Ansporn auch für den Restbestand. Tartlau, rumänisch Prejmer, eine von den sieben, ist als Welterbestätte ideal, zugleich musterhaft und einzigartig. Musterhaft für die Grundfunktion aller siebenbürgischen Kirchenburgen: Zuflucht für die (evangelische) Gemeinde in Notzeiten.mit vorbereiteter Infrastruktur: Schlafräume, Vorratskammern für Getreide und Speckseiten, Mühle und Bäckerei, Zwinger für Schafe und Vieh – gegebenenfalls für monatelange Belagerungen.
Tartlau ist die östlichste Gründung im vordem deutschen Siedlungsgebiet, seine Kirchenburg die eindruckvollste des Landes. Ihre graphische Eleganz – die Kreuzkirche eingeschrieben in einen runden Bering – macht sie einzigartig. Den Ort gründeten Deutschritter um 1212, der Bau der Kirche mit dem in Siebenbürgen singulären Grundriss eines griechischen Kreuzes begann wenig später. Befestigt wurde die Kirche erst im 15. und 16. Jahrhundert in laufender Anpassung an Neuerungen der Kriegstechnik. Der Bering – 14 m hoch, 5 m stark – erhielt einen Wehrgang mit Schiessscharten und Pechnasen sowie halbrunde Türme für die flankierende Verteidigung und wurde um eine Vorburg erweitert.
Die Innenseite der Ringmauer hat auf bis zu vier Stockwerken 250 Schlaf-, Kleider- und Vorratskammern. Keine Kirchenburg Siebenbürgens ist anziehender – und keine ist abweisender. Mit gutem Grund. Tartlaus Nähe zum Bosauer Pass, dem Einfallstor für die Reitervölker aus dem Osten, sorgte für besonders viele ungebetene Gäste: Mongolen, Türken, Tataren, Kosaken, Moldauer nebst assortierten Räubern, Freischärlern und Marodeuren. Der Ort wurde fast ein halbes hundert Mal gebrandschatzt und fast ebenso oft überlebten die Einwohner hinter den festen Mauern der Kirchenburg. – Jahr des Flugbilds: 1994 (Copyright Georg Gerster/Keystone)