Bis die syrische Regierung und die in Genf vertretenen Oppositionsparteien Klarheit über ihre Absichten geschaffen haben, geht das Dossier jetzt an den Weltsicherheitsrat. Brahimi kündigte an, dass er sich in New York mit US-Aussenminister John Kerry, dessen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow und UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon treffen werde.
Aber auch dieser Weg über die Grossmächte scheint verbaut. Brahimi hatte am Donnerstag in Genf mit dem russischen Vize-Aussenminister Gennadij Gatilow und der US-Unterstaatssekretärin Wendy Sherman konferiert. Er verlangt von Washington und Moskau, Druck auf ihre Schützlinge im syrischen Bürgerkrieg auszuüben, um den Konflikt friedlich beizulegen. Sowohl die Amerikaner wie die Russen vermeiden aber konkrete Zusagen. Ihre Ansichten über die Ursachen und Lösungen des syrischen Desasters sind weit voneinander entfernt.
Globalpolitik
Moskau und Washington betreiben Globalpolitik. Die verschiedenen Konfliktherde sind für sie kommunizierende Gefässe. Unausgesprochen wird dabei eine Parallele zwischen den Vorgängen in Syrien und in der Ukraine gezogen. In beiden Fällen versuchen die Grossmächte, ihre Einflusszone auszuweiten beziehungsweise zu verteidigen. Die Russen befinden sich dabei in der Defensive. Solange sie befürchten müssen, dass sich die EU und die Nato der Ukraine bemächtigen, werden sie dem Westen nicht den Gefallen tun, ihren syrischen Verbündeten Baschar al-Assad zu opfern.
Der Rest ist Geplänkel. Auf der Genfer Konferenz will die syrische Regierung nur über das „Ende des Terrorismus“ (sprich: des bewaffneten Widerstands) reden, die Opposition hingegen nur über die Bildung einer Übergangsregierung ohne Assad. Vermittler Brahimi hat nun kurz vor der unbefristeten Vertagung der Gespräche den Plan unterbreitet, bei der nächsten Runde vier Punkte auf die Tagesordnung zu setzen: 1. Beendigung der Gewalt und des Terrorismus, 2. Schaffung einer politisch breit gestreuten Übergangsbehörde, 3. Neuaufbau der nationalen Institutionen, 4. nationale Wiederversöhnung durch einen Dialog.
140'000 Tote
Beide Konfliktparteien haben diesem Plan im Prinzip zugestimmt, legen ihn aber völlig gegensätzlich aus. Sie setzen offenbar weiterhin auf eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Nach den jüngsten Schätzungen des in Grossbritannien niedergelassenen „Syrischen Observatoriums für Menschenrechte“ hat die Zahl der Todesopfer mittlerweile 140.000 erreicht. Allein während der Genfer Verhandlungen seien mehr als 3400 Menschen getötet worden. Dass die Regierungstruppen mit Schrapnell gefüllte primitive „Fassbomben“ auf Wohngebiete abwerfen, haben UNO-Quellen bestätigt. Generalsekretär Ban Ki-Moon verurteilte diese Art der Kriegsführung als einen Bruch des internationalen Verbots von Anti-Personen-Waffen, die unterschiedslos wirken.
UNO-Vermittler Brahimi wirkt ermüdet. Für den algerischen Diplomaten, der am 1. Januar seinen 80. Geburtstag feierte, bedeuten die Sitzungen, Reisen und Pressekonferenzen Anstrengungen an der Grenze der physischen Belastbarkeit. Seine Einleitung der Pressekonferenz nach der Vertagung der Syrien-Konferenz am Samstag klang wie ein Schwanengesang: „Ich bin sehr, sehr betrübt und ich entschuldige mich bei der syrischen Bevölkerung, dass wir ihre Hoffnungen nicht erfüllen konnten und die zwei Verhandlungsrunden ihr nicht sehr viel geholfen haben.“