Spanien wählt zum vierten Mal innerhalb von vier Jahren. Die grösste spanische Zeitung, El País, gibt sich am Vorabend des Urnengangs pessimistisch. Die Wahlkampagne gehe zu Ende, schreibt das Blatt, ohne Aussicht, dass der Weg für eine neue Regierung freigemacht werden kann.
Der amtierende sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez („El guapo“, der Hübsche) wird gemäss Umfragen als klarer Sieger aus dem Urnengang hervorgehen – wie schon bei den Wahlen im vergangenen April. Doch wie damals könnte es ihm schwerfallen, etwas mit seinem Sieg anzufangen.
Koalitionspartner gesucht
Denn von der absoluten Mehrheit ist seine „Sozialistische Arbeiterpartei“ (PSOE) weit entfernt. Das Parlament zählt 350 Sitze. Die absolute Mehrheit beträgt also 176 Sitze. Die Sozialisten kamen jedoch im April nur auf 123 Mandate. Meinungsumfragen geben ihr jetzt zwischen 115 und 125 Sitze.
Der PSOE bräuchte also einen Koalitionspartner, doch ein solcher ist nicht in Sicht. So besteht die Gefahr, dass auch diese Parlamentswahlen keine Regierung hervorbringen werden.
Zerstrittene Linke
Würde sich die Linke zusammenschliessen, würde eine Koalitionsregierung – mit der Duldung kleinerer Parteien – in den Bereich des Möglichen rücken. Doch die Linke geht zerstritten in die Wahl.
Zwischen Sánchez und Pablo Iglesias, dem wirbligen Chef der linken „Unidas Podemos“-Bewegung (UP) herrscht Streit.
Zwei Alphatiere
In erster Linie sind die beiden persönlich verfeindet. Doch neben dem Streit zweier Alphatiere geht es jetzt auch um Inhalte. Vor allem in der Katalonienfrage liegen die beiden weit auseinander. Sánchez lehnt jegliche Konzession an die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ab. Iglesias hingegen schliesst eine Volksabstimmung der Katalanen über ihre Unabhängigkeit nicht aus.
Unidas Podemos war 2014 gegründet worden und steht links von den Sozialisten. Im Parlament besass UP bisher 42 Sitze. Laut Umfragen könnte sie 3 bis 7 Sitze verlieren.
Dritte Linkspartei
Zu allem Übel für die Linke tritt jetzt noch eine dritte linke Partei auf: Der 35-jährige Politologe Íñigo Errejón, der frühere Gründer der Partei „Más Madrid“, tritt jetzt mit der linken Formation „Más País“ auf. Errejón hatte sich von seinem einstigen Freund Iglesias losgesagt, verfolgt eine weniger radikale Politik als der Chef von Unidas Podemos und wird jetzt vor allem der UP Stimmen abjagen.
Errejón hat sich, im Gegensatz zu Iglesias, bereit erklärt, mit Sánchez eine Koalition zu bilden. Laut Umfragen könnte die Formation 3 bis 7 Sitze erobern, vor allem auf Kosten von Unidas Podemos.
Sture „Ciudadanos“
Rein rechnerisch wäre nach den Wahlen vom vergangenen April eine Koalition zwischen den Sozialisten und der rechtsbürgerlichen Bewegung „Ciudadanos“ möglich gewesen. Zusammen wären beide Parteien auf 180 Sitze gekommen (absolutes Mehr: 176).
Doch der Chef von Ciudadanos, Albert Rivera, lehnte jede Zusammenarbeit mit Sánchez ab. Seine sture Haltung könnte ihm jetzt viele Stimmen kosten. Im April eroberte Ciudadanos 57 Sitze. Umfragen sagen der Partei jetzt Verluste von bis zu 25 Sitzen voraus.
Der PP rappelt sich auf
Der „Partido Popular“ (PP), die während Jahren staatstragende bürgerliche, christlich-konservative Volkspartei, hatte bei den Wahlen im vergangenen April einen eigentlichen Absturz erlitten. Von den 350 Parlamentssitzen verfügte die Partei nur noch über 66.
Jetzt könnte sich die Partei unter dem Spitzenkandidaten Pablo Casado erholen. Umfragen geben dem PP einen Zuwachs von 20 bis 25 Sitzen. Casado fordert eine harte Hand gegenüber jeglichen Autonomiebestrebungen in Katalonien.
Gewinne für die Rechtsextremen
Starke Gewinne werden der rechtsextremen „VOX“ prophezeit. Sie schaffte im April erstmals mit 10,26 Prozent der Stimmen den Einzug ins Parlament, und zwar mit 24 Sitzen. Umfragen geben ihr bis zu 50 Sitzen. Auch VOX fordert ein hartes Vorgehen gegen die katalanischen Separatisten und verlangt, dass in Katalonien der Ausnahmezustand ausgerufen wird.
Die von Santiago Abascal Conde angeführte Partei bezeichnet sich als „antifeministisch“, ist gegen Immigration und gegen gleichgeschlechtliche Ehen. In spanischen Medien wird die Partei als spanische Tea-Party bezeichnet.
(J21/dc/EFE/El País)