Weder die PVV von Geert Wilders am rechten noch die Sozialistische Partei am linken Rand konnte sich mit ihrem europaskeptischen Kurs durchsetzen. Der niederländische Wähler hat Stabilität für sein eigenes Land, aber auch für die Euro-Zone gewählt. Nicht von den Populisten, sondern von den etablierten Parteien erwartet er Lösungen für die aktuellen Probleme wie die Eurokrise oder die steigenden Gesundheitsausgaben.
Der amtierende Ministerpräsident Mark Rutte konnte sich in einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen knapp gegen seinen sozialdemokratischen Kontrahenten Diederik Samsom durchsetzen. Am Ende machten 1,8% den Unterschied zwischen Erst- und Zweitplatziertem aus. „Unsere schöne Partei (…) hat heute Abend das beste Ergebnis in seiner Geschichte erreicht“, jubelte Rutte vor seinen begeisterten Anhängern. Der Wählerauftrag ist deutlich: „ Es muss so schnell wie möglich ein stabiles Kabinett gebildet werden.“
Keine Zerrissenheit, sondern Einheit
Auch wenn sie nicht stärkste Partei geworden ist, als Wahlverlierer kann die PvdA nicht bezeichnet werden. In Umfragen lag sie lange Zeit unter 20 Sitzen an fünfter Stelle. Mehrere gelungene Fernsehauftritte ihres Spitzenkandidaten Diederik Samsom sorgten für den Umschwung. Noch am Wahlabend machte Samsom deutlich, dass die Sozialdemokraten Teil der zukünftigen Regierung sein wollen: „ Das Land braucht in den kommenden fünf Jahren keine Zerrissenheit sondern Einheit (…) Die PvdA will daran mitarbeiten, solange sich dass Ergebnis des heutigen Abends in den Plänen des neuen Kabinetts widerspiegelt.“
Bei der Regierungsbildung kommt Rutte an Samsom nicht vorbei. Keiner der beiden kann ohne die Partei des anderen eine stabile Mehrheitsregierung bilden. Entgegen der Prognosen könnten die VVD mit 41 Sitzen und die PvdA mit 39 der insgesamt 150 Parlamentssitze sogar eine Zweiparteienkoalition bilden. Eine solche Koalition hätte jedoch keine Mehrheit in der Ersten Kammer. Auch die Polarisierung im Wahlkampf spricht gegen eine solche Koalition. Die VVD ist weiter nach rechts gerückt und hat mit dieser Taktik Wählerstimmen von Wilders gewonnen. Die PvdA hat sich zugleich weiter links positioniert, um Wähler der Sozialisten zu gewinnen. Am Ende läuft es wohl auf ein Drei- oder sogar Vierparteienkabinett hinaus. Gewinner dieser Konstellation sind die linksliberale Pro-Europapartei D66 und die christdemokratische CDA.
In Brüssel wird gefeiert
Rutte hatte sich im Vorfeld gegen eine Neuauflage der „lila Koalition“ ausgesprochen. Unter dieser Bezeichnung regierten in den 90er Jahren die Rechtsliberalen, Linksliberalen und Sozialdemokraten zusammen das Land. Eine solche Regierung bezeichnete Rutte im Wahlkampf als „höchst unwahrscheinlich“. Analysten halten es für denkbar, dass eine solche Dreierkonstellation durch die Christdemokraten ergänzt wird, um eine Balance zwischen rechts und links zu schaffen. Und so könnten die Christdemokraten trotz schwerer Verluste doch noch zum Wahlsieger werden. Die einstige Volkspartei konnte den Abwärtstrend der vergangenen Wahlen nicht aufhalten und verlor acht der 21 Sitze. Sie kommen auf magere 8,5% der Stimmen.
Herbe Verluste musste auch der erfolgsverwöhnte Rechtspopulist Geert Wilders hinnehmen. Seine PVV verlor 9 Sitze, ist mit 15 Sitzen aber noch drittstärkste Partei. „Der Wähler hat entschieden und wir haben hoch verloren“, kommentierte ein sichtlich angeschlagener Wilders das Wahlergebnis. Anders als bei den letzten Wahlen vor zwei Jahren konnte er diesmal nicht mit seinen Themen den Wahlkampf dominieren. Der Anti-Europakurs wurde vom Wähler nicht honoriert.„In Brüssel wird gefeiert (…) aber wir geben uns niemals geschlagen“, versuchte Wilders schließlich seinen Anhängern Mut zu machen.
Schnelle Regierungsbildung nötig
Ein weiterer Verlierer der fünften Parlamentswahlen in zehn Jahren ist der Sozialist Emile Roemer. Seine Partei konnte zwar die 15 Sitze der letzten Wahlen halten, hatte sich aber mehr erhofft. Die Sozialisten führten die Umfragen zwischenzeitlich an, Roemer wurde bereits als zukünftiger Ministerpräsident gehandelt. „Ich hätte gerne dort (oben) gestanden“, gab Roemer zu. „ Wir haben es dieses Mal nicht geschafft. Dieses Mal.“
Aufgrund einer Verfahrensänderung findet die Regierungsbildung zum ersten Mal ohne die Hilfe der Königin statt. Nächste Woche wird das neue Parlament mit insgesamt 11 Parteien zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Dann beginnt offiziell die Regierungsbildung. Zeit genug für die beiden Wahlsieger, wieder in die Mitte zu rücken. Denn in einem Punkt sind sie sich jetzt schon einig: Im Interesse des Landes ist eine schnelle Regierungsbildung notwendig.