Dem im Exil lebenden jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur al-Hadi und seinen Verbündeten war es gelungen, die Huthis aus der Hafenstadt Aden und den südlichen Provinzen zu vertreiben. Einen wesentlichen Anteil für die Verdrängung hatte die von Saudi-Arabien geführte Koalition und ihre Luftwaffe. Unterstützt wird al-Hadi von Teilen der regulären jemenitischen Armee. Saudi-Arabien hat in jüngster Zeit auch neue jemenitische Kämpfer ausgebildet. Auch lokale Freiwillige, die die Huthis loswerden wollen, unterstützen al-Hadi.
Ihnen stehen nicht nur die Huthi-Milizen entgegen, sondern auch Teile der regulären Armee, die nicht al-Hadi, sondern den früheren langjährigen Machthaber, Ali Saleh Abdullah, unterstützen. Auch Stammesverbündete und einige lokale Kämpfer lehnen sich gegen die von Saudi-Arabien geführten Kräfte auf.
Zwei Fronten
Jetzt, nachdem die Huthis aus dem Süden vertrieben worden waren, verlagert sich der Krieg ins innere des Landes. Zwei Hauptfronten haben sich aufgetan. Die ein liegt bei Taez, der zweitgrössten Stadt Jemens. Die zweite Front verläuft in der Wüsten- und Erdölprovinz Marib, östlich der Hauptstadt.
Die Huthis beherrschen weiterhin die Hauptstadt Sanaa und fast alle nördlich davon gelegenen Gebiete. Auch einige Ortschaften zwischen Taez und Sanaa werden von den Huthi-Rebellen dominiert.
Kampf um Taez und Mareb
Mit allen Mitteln versuchen die Huthis, Taez zu halten. Bekämpft werden sie vor allem von Bürgerwehren. Taez ist eine sunnitische Stadt, die seit Beginn des Bürgerkrieges zum Kampf gegen die vorwiegend schiitischen Huthis aufgerufen hat. Rund um die Stadt stehen Huthi-feindliche Truppen, die vor allem Artillerie einsetzen. Schwer zu schaffen machen den Huthis in Taez auch die saudischen Luftangriffe. Den Rebellen ist es nie richtig gelungen, die Stadt einzunehmen.
In Marib, der zweiten Front, versuchten die Huthis, an die Erdölquellen zu gelangen. Doch lokale Stämme, die von den Saudis mit Geld und Waffen unterstützt werden, stellen sich ihnen entgegen. Sie werden verstärkt durch Truppen, Panzer und Panzerfahrzeuge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrein und Saudi-Arabien. Sie verfügen über schweres Kriegsgerät. Auch tausend Mann aus Katar sollen für den Kampf gegen die Huthis eingeflogen worden sein. Ob auch ägyptische Sondertruppen dabei sind, ist unklar.
Rückschlag bei Marib
Im Kampf gegen die Huthis sind wahrscheinlich etwa 5'000 nicht-jemenitische Kämpfer im Einsatz. Sollte es ihnen, zusammen mit den Stammeskämpfern und die Pro-Hadi-Armeeteilen gelingen, die Huthis aus dem Gouvernement Marib zu vertreiben, können sie gegen die Hauptstadt Sanaa oder gegen Saada vorstossen. Saada ist der Heimatort der Huthis.
Doch zunächst erlitten die Pro-Hadi-Kräfte an der Marib-Front einen Rückschlag. Am 4. September griffen die Huthis ein Munitionsdepot der Pro-Hadi-Koalition östlich von Marib an. Bei der Explosion starben laut letzten Meldungen 45 Soldaten aus den Emiraten, fünf aus Bahrein und zehn aus Saud-Arabien. So viele Opfer mussten die ausländischen Truppen, die gegen die Huthis kämpfen, bisher nie hinnehmen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde eine dreitätige Staatstrauer angeordnet. Der Herrscher und seine Minister erklärten bei der Ankunft der Särge, die Rache werde nicht lange auf sich warten lassen.
Rache
In den Tagen danach wurde Sanaa schwerer bombardiert als je zuvor. Hauptziele waren Kasernen und ganze Stadtteile im Norden der Hauptstadt. Dort wohnen mehrheitlich Zaiditen; das sind Religionsgenossen der Huthis. In den letzten fünfeinhalb Monaten haben die Saudis fast alle militärischen Huthi-Stellungen angegriffen. Jetzt werden immer mehr auch zivile Ziele, darunter Schulen, Spitäler und öffentliche Gebäude bombardiert.
Die Saudis rechtfertigen dies damit, dass sich Huthi-Kämpfer in zivilen Gebäuden verschanzten und dort ihre Waffen stapelten. Der Widerstandwillen der Huthis und ihrer Verbündeten ist offenbar noch nicht gebrochen. Wie sich das an der Marib-Front auswirkt, ist noch unklar.
Der Feind meines Feindes...
Auch an der Taez-Front dauern die heftigen Kämpfe an. Ähnlich wie zuvor in Aden drohen weite Teile der Stadt zerstört zu werden. Die Huthis beschiessen offenbar wahllos ganze Quartiere, die von ihren Gegnern bewohnt werden. Doch auch die saudischen Luftangriffe richten schwere Zerstörungen an.
In Taez wird der Widerstand der Bevölkerung von Hamoud al-Makhloufi angeführt, einem Scheich, der den Muslimbrüdern nahesteht. Sie sind bittere Feinde der Huthis. Doch da gibt es ein Problem. Für die Emirate und Ägypten sind die Muslimbrüder nämlich "Terroristen". Auch der inzwischen verstorbene saudische König Abdullah bezeichnete die Brüder als Feinde. Der neue Herrscher jedoch, König Salman, nimmt eine nuanciertere Position ein. Offenbar hat eine Wiederannäherung stattgefunden. Nicht zuletzt, weil die jemenitische Branche der Brüder der lokale Hauptfeind der Huthis ist – und damit ein natürlicher Verbündeter Saudi-Arabiens. In Riad hiess es, der saudische Verteidigungsminister, Muhammad Ibn Salman, der Lieblingssohn des Königs, habe kürzlich mit Scheich al-Makhloufi telefoniert.
IS und Qaeda sind mit im Spiel
Wie schon in Aden versuchen Anhänger des „Islamischen Staats“ (IS) und Kämpfer von al-Qaeda den Volkswiderstand zu infiltrieren. Er eignet sich besser dazu als die regulären Truppen, denn niemand kann die Gesinnung all der Freiwilligen, die gegen die Huthis kämpfen, kontrollieren.
Laut Angaben eines Kommandanten des Widerstandes in Taez, sollen sich etwa 200 al-Qaeda-Kämpfer in seinen Reihen befinden. Man kenne sie, weil es sich um Leute aus Aden handle, die in Afghanistan gekämpft hätten und oftmals afghanische Trachten trügen. Die Frage ist nur, ob nicht weit mehr als 200 islamische Extremisten aktiv sind.
Keine Hoffnung auf Frieden
Die saudische Koalition und die Pro-Hadi-Einheiten der Armee haben es bisher vermieden, in die Strassenkämpfe in Taez einzugreifen. Dies überlassen sie den lokalen Kräften. Die Gefahr besteht nun, dass die Stadt wegen der Kämpfe und der Bombardierungen weitgehend zerstört wird – wie zuvor Aden. Von den 21 Spitälern in Aden sollen nur noch drei funktionsfähig sein. Peter Maurer, der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) hatte Jemen im August besucht. Er sagte, Jemen sei nach fünf Monaten des Krieges so aus wie Syrien nach fünf Jahren.
Die Chancen für einen Waffenstillstand oder gar für Friedensgespräche sind gering. Der in Saudi-Arabien ausharrende Präsident al-Hadi spricht zwar ab und zu davon. Doch ein Waffenstillstand oder Friedensgespräche werden stets von der Erfüllung der Resolution 2216 des Weltsicherheitsrates abhängig gemacht. Diese Entschliessung verlangt, dass die Huthis Sanaa verlassen und ihre Waffen abgeben. Dazu jedoch sind sie nicht bereit.
Möglicherweise könnten sie allerdings Taez und Marib aufgeben und als Verhandlungspfand anbieten. In Sanaa jedoch wollen sie bleiben. Dem werden die Anhänger von Präsident al-Hadi sicher nicht zustimmen. Er betrachtet sich als der legale Regierungschef. Auch die Saudis wollen die Huthis, ihre Nachbarn, unter allen Umständen entmachten und vertreiben - nicht nur aus der Hauptstadt