- Die Christ- und Sozialdemokraten gehören zu den grossen Verlierern der Europawahlen. Zum ersten Mal haben sie zusammen die absolute Mehrheit verloren. Um handlungsfähig zu bleiben, müssen beide Allianzen auf die Suche nach Partnern gehen.
- Drittstärkste Kraft nach den Christdemokraten und den Sozialdemokraten werden die Liberalen, der auch Präsident Macrons Bewegung „En Marche“ angehört.
- Die grossen Wahlsieger sind die Grünen. In Deutschland haben sie ihren Wähleranteil verdoppelt.
- Für die Rechtspopulisten wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Zwar haben sie da und dort zugelegt, doch weniger stark, als vielerorts prophezeit. In Deutschland erzielte die AfD ein für sie enttäuschendes Ergebnis. Auch die spanische Vox liegt mit 6,2 Prozent unter den Erwartungen. Die besten Ergebnisse erzielten die Rechtspopulisten in Frankreich, Schweden, Grossbritannien und in Italien. Insgesamt jedoch verfügen die pro-europäischen Parteien nach wie vor über eine erdrückende Mehrheit.
- Die letzten Wahllokale in Europa schlossen in Italien, und zwar um 23.00 Uhr. Laut dem Endergebnis kommt Matteo Salvinis rechtspopulistische Lega auf 34,3 Prozent der Stimmen. Damit wird die Lega, wie es die Umfragen voraussagen, erstmals stärkste Partei. Der sozialdemokratische Partito Democratico PD überholt Salvinis Koalitionspartner Cinque Stelle deutlich und wird damit zweitstärkste italienische Partei.
- In Grossbritannien hat die neu gegründete Brexit-Partei von Nigel Farage erwartungsgemäss am besten abgeschnitten. Sie erzielte laut provisorischen Ergebnissen über 30 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Kraft sind die pro-europäischen Liberaldemokraten mit über 20 Prozent. Die Tories (9 Prozent) und Labour (14 Prozent) brachen ein.
- Steve Bannon hatte angekündigt, die Wahlen würden in Europa ein Erdbeben bringen. Salvini sagt, Europa würde mit diesen Wahlen aus den Angeln gehoben. Es gab kein Erdbeben, Europa wurde nicht aus den Angeln gehoben.
- Die Wahlbeteiligung lag so hoch wie seit 25 Jahren nicht: europaweit bei über 50 Prozent.
SITZVERTEILUNG IM PARLAMENT
Das Europaparlament zählt 751 Sitze (inklusive der britischen Abgeordneten). Die pro-europäischen Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen kommen insgesamt auf eine satte Mehrheit von 436 Sitzen. Rechnet man noch die 70 Sitze der pro-europäischen Grünen dazu ergibt sich eine pro-europäische Mehrheit von über 500 Sitzen.
Die Anti-EU-Parteien und die EU-Skeptiker vereinen insgesamt 172 Sitze. Zählte man noch einige EU-kritische Linke dazu (es sind höchstens noch 15), kommt man auf höchstens 187 Sitze. Die EU-Kritiker stellen also rund etwa einen Viertel des Parlaments. Wenn die Briten ausziehen, sind es noch weniger.
- Deutschland
Laut dem provisorischen Endergebnis kommt die CDU auf 28,9 Prozent der Stimmen. Das ist im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren ein Minus von 6,4 Prozent. Damit wird die magische 30-Prozent-Hürde nicht übersprungen, was vor allem für die neue CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schmerzen wird. Ihr erster Auftritt nach Bekanntgabe des Ergebnisses wird als peinlich empfunden. Sie betonte, dass die Partei nach wie vor stärkste Kraft ist, ging aber nicht auf die herben Verluste ein.
Die SPD erleidet dramatische Verluste und kommt auf 15,8 Prozent. Das bedeutet einen Verlust von über 11 Prozent. Das wird die Position von SPD-Parteipräsidentin Andrea Nahles weiter schwächen. Im Gegensatz zu Kramp-Karrenbauer sprach Andrea Nahles Klartext. Sie bezeichnete das Ergebnis als „extrem enttäuschend“ und „schmerzlich“ für die SPD. Zum ersten Mal seien die Sozialdemokraten nicht mehr zweitstärkste Kraft. Sie beglückwünschte die Grünen zu ihrem starken Ergebnis.
Die grossen Gewinner sind die Grünen, die 20,5 Prozent erreichen. Das bedeutet ein Plus von 9,8 Prozent. Damit haben die Grünen die SPD vom zweiten Platz verdrängt.
Der Zuwachs der AfD ist weniger gross, als mehrere Forschungsinstitute vorausgesagt haben. Die Rechtspopulisten gewinnen 3,9 Prozent und erzielen 11 Prozent. Das Ergebnis der AfD liegt unter jenem der Bundestagswahl 2017. Damals hatte die AfD 12,6 Prozent erzielt. Alexander Gauland, einer der AfD-Parteivorsitzenden, erklärt das Abschneiden seiner Partei mit einem „schwierigen Wahlkampf“. Er weist auch auf das Strache-Video hin.
Endergebnis
CDU/CSU: 28,9 Prozent (-6,4 Prozent)
SPD: 15,8 Prozent (-11,5 Prozent)
Grüne: 20,5 Prozent (+9,8 Prozent)
AfD: 11 Prozent (+3,9 Prozent)
FDP: 5,4 Prozent (+2,0 Prozent).
Linke: 5,5 Prozent (-2,0 Prozent)
Bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen überholt die CDU die SPD. Damit sind die Sozialdemokraten seit 73 Jahren nicht mehr stärkste Kraft in Bremen.
Bremen: Endergebnis
CDU: 26,3 Prozent
SPD: 24,2 Prozent
Grüne: 17,8 Prozent
Linke: 11,4 Prozent
AfD: 6,9 Prozent
FDP: 5,6 Prozent
- Österreich
Die österreichische ÖVP legt stark zu; sie gewinnt über 8 Prozent. Die SPÖ verliert leicht, liegt aber auf Platz zwei. Nur geringe Verluste erleidet die FPÖ trotz des „Ibiza-Skandals“. Den Grünen stagnieren, sie liegen klar vor NEOS.
ÖVP: 35,35 Prozent (+8,37 Prozent)
SPÖ: 23,59 Prozent (-0,5 Prozent)
FPÖ: 18,05 Pronzent (-1,63 Prozent)
Grüne: 13,05 Prozent (-1,48 Prozent)
NEOS: 8,15 Prozent (0,01 Prozent)
- Frankreich
Marine Le Pens „Rassemblement National“ (früher: Front National) wird mit 23,3 Prozent stärkste Partei in Frankreich. An zweiter Stelle folgt Emmanuel Macrons „La République en Marche“ mit 22,4 Prozent.
Rassemblement National: 23,3 Prozent
La République en Marche: 22,4 Prozent
Grüne: 13,5 Prozent
Les Républicains: 8,5 Prozent
La France insoumise: 6,3 Prozent
Parti Socialiste: 6,2 Prozent.
- Italien
Lega: (rechtspopulistisch, Salvini) 34,3 Prozent
Partito Democratico: (sozialdemokratisch) 22,7 Prozent
Cinque Stelle: (populistisch) 17,1 Prozent
Forza Italia: (rechtsbüergerlich, Berlusconi) 8,8 Prozent
Fratelli d’Italia: (postfaschistisch) 6,5 Prozent
- Spanien
Laut dem provisorischen Endergebnis gewinnt der sozialdemokratische PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez die Wahlen klar.
PSOE: (sozialdemokratisch) 32,85 Prozent
PP: (konservativ) 20,11 Prozent
Ciudadanos: (liberal) 12,22 Prozent
Podemos: (sozialistisch) 10,07 Prozent
Vox: (rechtspopulistisch) 6,2 Prozent
Junts: (sparatistisch, katalanisch) 4,65 Prozent
- Niederlande
In den Niederlanden wurde schon am Donnerstag gewählt, die Stimmen aber erst am Sonntag ausgezählt.
Zur Überraschung vieler sind die Sozialdemokraten klar als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgegangen. Die rechtspopulistische PVV (Partiji voor de Frijheid) wurde regelrecht abgeschmettert.
PvdA: 18,1 Prozent (sozialdemokratisch)
VVD: 15 Prozent (bürgerlich, konservativ)
CDA: 12,3 Prozent (christdemokratisch)
GL: 10,5 Prozent (Grüne)
PVV: 4,1 Prozent (rechtspopulistisch)
- Schweden
Im Land der Klimaaktivistin Greta Thunberg mussten die Grünen Verluste hinnehmen. Die grossen Gewinner in Schweden sind mit einem Plus von 5,7 Prozent die rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Sie kommen auf 15,4 Prozent. Auch die Zentrumspartei und die Moderaten legen zu. Stärkste Partei bleiben die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Stefan Löfven. Sie erhalten 23,6 Prozent.
Sozialdemokraten: 23,6 Prozent (-0,8 Prozent)
Moderate Sammlungsbewegung: 16,8 Prozent (+3,2 Prozent)
Schwedendemokraten: 15,4 Prozent (+5,7 Prozent)
Grüne: 11,4 Prozent (-3,8 Prozent)
Zentrumspartei: 10,8 Prozent (+4,3 Prozent)
Christdemokraten: 8,7 Prozent (+2,7 Prozent)
Linkspartei: 6,7 Prozent (+0,4 Prozent)
- Portugal
In Portugal erringen die regierenden Sozialisten einen klaren Sieg . Dies prognostiziert der TV-Senders RTP. Danach kommt die Sozialistische Partei (PS) von Ministerpräsident Antonio Costa auf 30 bis 34 Prozent der Stimmen.
Platz zwei belegt die konservativ orientierte Sozialdemokratische Partei (PSD) mit 20 bis 24 Prozent.
Sozialisten: 30 bis 34 Prozent
PSD-Sozialdemokraten: 20 bis 24 Prozent (konservativ)
Linksblock: 9 bis 12 Prozent (marxistisch)
CDU: 7 bis 9 Prozent (Kommunisten, Grüne, andere Linke)
- Polen
Die regierende rechtspopulistische PiS geht ersten Prognosen zufolge als stärkste Kraft aus der Europawahl. Sie kann mit 42,4 Prozent der Stimmen rechnen. Die Europäische Koalition – deren grösste Kraft die liberalkonservative Oppositionspartei Bürgerplattform von EU-Ratspräsident Donald Tusk ist – kann 39,1 Prozent auf sich vereinigen.
(J21)