Wertz war Anfang Mai in der Nähe von Aleppo von syrischen Sicherheitskräften aufgegriffen worden. Journal21 hatte am 1. Mai zum letzten Mail Kontakt mit ihm. Einige Tage später berichtete er einem Freund per SMS von seiner Festnahme.
Seither herrscht Funkstille. Unklar ist, wo und unter welchen Bedingungen er festgehalten wird. In der SMS an einen Freund deutete er an, dass er zusammen mit andern Gefangenen in die Hafenstadt Latakia verlegt werden könnte. Ob er dort angekommen ist, ist unklar. Latakia wird von den Asad-Truppen kontrolliert.
In einem Schreiben an das syrische Generalkonsulat in Genf fordert Journal21 am Mittwoch die baldige Freilassung von Armin Wertz.
Ein besonnener, erfahrener Reporter
Wertz, der seit über zwei Jahren regelmässig für Journal21 arbeitet, ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist ein weitgereister, besonnener und erfahrener Journalist. In den letzten Jahren lebte er vorwiegend in Indonesien und Singapur.
Mit einem Empfehlungsschreiben von Journal21 und der Kulturzeitschrift „Lettre international“ reiste er Anfang Mai nach Syrien, um sich „selbst ein Bild über die Lage zu machen“. Wertz wollte vor allem über die Situation der Flüchtlinge berichten.
Nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ gehört Syrien wegen des anhaltenden Bürgerkriegs zu den „gefährlichsten Ländern weltweit für Journalisten“. Seit Beginn des Aufstands gegen das Regime von Präsident Baschar al-Asad im März 2011 sind dort mindestens 24 Journalisten sowie 60 Blogger und Bürgerjournalisten bei ihrer Arbeit getötet worden.
Gezielte Gewalt gegen Journalisten
Wertz wollte für Journal21, die Berliner Wochenzeitung „Freitag“, die deutsche Kulturzeitung „Lettre international“ sowie für je eine Zeitung in Singapur und Indonesien über die Ereignisse in Syrien berichten.
Die Schweizer Sektion von „Reporter ohne Grenzen“ schrieb in einem kürzlich veröffentlichten Communiqué: „Sowohl die Sicherheitskräfte des syrischen Regimes als auch einige Rebellengruppen versuchen mit gezielter Gewalt gegen Journalisten die Deutungshoheit über die Ereignisse im Bürgerkrieg zu gewinnen. Willkürliche Festnahmen oder Entführungen sind dabei leider keine Seltenheit.“
Sieben ausländische Journalisten vermisst
Laut „Reporter ohne Grenzen“ werden zurzeit neben Armin Wertz mindestens acht weitere ausländische Journalisten in Syrien vermisst. Letztes Opfer ist ein polnischer Fotojournalist, der in Saraqeb in der nordwestlichen Provinz Idlib festgenommen oder entführt wurde.
Neben Wertz sind folgende sieben ausländische Medienvertreter in Syrien verschollen:
- Marcin Suder, polnischer Fotojournalist
- die Franzosen Didier François und Edouard Elias von Europe 1
- der Italiener Domenico Quirico von „La Stampa“
- der US-Reporter James Foley von der „Global Post“ und
- der US-Reporter Austin Tice von der „Washington Post“
- der Jordanier Bashar Fahmi Al-Kadum von Al-Hurra TV.
Auch zahlreiche einheimische Journalisten befinden sich in der Gewalt einer der Konfliktparteien oder werden vermisst.
Nach wie vor verschollen ist auch Mazen Darwish, Gründer und Präsident des Syrischen Zentrums für Medien und Meinungsfreiheit (SCM), das über die Situation von Medienschaffenden im Land berichtete. Seit Sicherheitskräfte am 16. Februar 2012 das SCM-Büro stürmten und Darwish sowie mehrere seiner Mitarbeiter verhafteten, wird er an einem unbekannten Ort festgehalten.
Schlimmste Feinde der Pressefreiheit
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" (ROG) steht Syrien auf Platz 176 von 179 Ländern. ROG zählt den syrischen Präsidenten Baschar al-Asad wie auch die Dschihadistengruppe Al-Nusra-Front zu den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit.
Wertz studierte an der Freien Universität Berlin Volkswirtschaft und berichtete über dreissig Jahre lang als Auslandskorrespondent für den „Spiegel“ aus Mittelamerika, für die „Frankfurter Rundschau“ und den „Tages-Anzeiger“ aus Israel und für den „Freitag“ und die „Berliner Zeitung“ aus Südostasien.
Daneben publiziert er in der „TAZ“, „Zeit“, „ARD“, im „Tagesspiegel“, „Standard“ (Wien), „mare“, „Lettre International“, „El Mundo“ (Medellin), „TEMPO“ (Jakarta, englische Ausgabe) u.a. Er veröffentliche vier Bücher: „Tränen im Heiligen Land“, „Die verdammte Presse“, „Sie sind viele, sie sind eins. Eine Einführung in die Geschichte Indonesiens“, „Der Sieg der freien Welt. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA im Ausland“.
(hh)
Siehe auch den Artikel des Weggefährten von Armin Wertz, Helmut Scheben: Journalist aus Leidenschaft