Im Frühjahr 2014 haben die EU und Amerika Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen dessen Aggression in der Ostukraine und die Annexion der Krim verhängt. Seit dem militärischen Eingreifen Putins in den syrischen Bürgerkrieg sind trotz Moskaus dubiosen Motiven Stimmen zu vernehmen, die die Beendigung dieser Strafmassnahmen fordern. Dies mit der Begründung, damit könnte die bereits halbwegs existierende Kampfgemeinschaft gegen den Islamischen Staat (IS) gestärkt werden.
Doch die Interessen im Ukraine-Konflikt einerseits und im Kampf gegen IS im syrischen Bürgerkrieg andererseits dürfen nicht vermischt oder gar gegeneinander verrechnet werden. Tatsache bleibt, dass die direkte Intervention Russlands in der Ostukraine und die militärische Unterstützung der Separatisten noch keineswegs beendet ist. Zwar sind seit dem Minsker Waffenstillstandsabkommen vom Februar die Kämpfe deutlich abgeflaut. Doch sind in der Zwischenzeit zu den mehr als 6000 Toten in der Ostukraine mehrere hundert weitere Todesopfer hinzugekommen. Gegen zwei Millionen Flüchtlinge können nicht in ihre Heimat zurückkehren. Ein Hauptpunkt in der Minsker Vereinbarung ist die Wiederherstellung der vollständigen Grenzkontrolle durch die Ukraine bis Ende 2015. Davon kann vorläufig keine Rede sein. Nach wie vor kann Russland nach Belieben militärisches Personal und Nachschub über die Grenze nach der Ostukraine verschieben. Würde Moskau die Unterstützung der sogenannten Separatisten aufgeben, würde deren Herrschaft schnell in sich zusammenfallen.
Dass die Sanktionen auf Putin Eindruck machen, ist kaum zweifelhaft, auch wenn er das nicht zugibt. Sie sind umso überzeugender, als sie sich schwergewichtig gegen Strippenzieher in Putins engerem Dunstkreis richten. Dass seine Truppen im Frühjahr 2014 bis nach Mariupol am Schwarzen Meer oder gar bis nach Kiew durchmarschiert wären, wenn er nicht mit einer radikalen Verschärfung westlicher Sanktionen hätte rechnen müssen, erscheint als plausibles Szenario. Es wäre ein Verrat an der Ukraine und an der eigenen Glaubwürdigkeit, wenn der Westen das wirtschaftliche Druckmittel aufgeben würde, ohne im Kriegskonflikt in der Ostukraine eine akzeptable Lösung durchzusetzen. Die Fortsetzung dieser Sanktionen und ein kontinuierlicher Dialog mit Putin schliessen einander nicht aus. Am Klarsten hat das von Anfang an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erkannt.