In Rom wird nichts dem Zufall überlassen: nicht, wer die Fasten-Exerzitien hält, nicht welche Indiskretionen ans Tageslicht kommen. Alles ist bedeutsam. Jedes Zeichen ist wichtig. Als versteckter Hinweis auf eine mögliche Nachfolge darf sicher die Tatsache gelten, dass Papst Benedikt XVI. den Kurienkardinal Gianfranco Ravasi mit den diesjährigen Fasten-Exerzitien betraute. Und mehr als ein Zufall dürfte auch sein, dass ausgerechnet jetzt die Existenz eines schwulen Netzwerkes im Vatikan publik gemacht wurde. Es sollen ihm auch Kardinäle angehören, die sich dadurch erpressbar gemacht haben. Egal, ob diese jüngsten Enthüllungen den Anstoss zum Rücktritt gegeben haben oder nicht, verdächtig sind sie allemal. Denn das Thema Homosexualität dürfte bei der kommenden Papstwahl keine geringe Rolle spielen. Michael Meier hat im „Tages-Anzeiger“ aufgezeigt, dass es unter den Papabili einige gibt, deren Einstellung zu Homosexualität intolerabel ist. Da ist einmal der Kanadier Marc Quellet, der sich gegen die Homo-Ehe stark macht. Und da ist vor allem der Hoffnungsträger aus Afrika, Peter Turkson, der die Anti-Gay-Gesetze in Afrika verteidigt und unlängst sogar die Todesstrafe für Schwule befürwortet haben soll. Es dürfte nicht wenige geben, die ein Interesse an solchen Nachrichten haben: sei es, um sich selbst als Kandidaten zu empfehlen, oder sei es, um andere als Konkurrenten auszuschalten. In Rom wird hinter den Kulissen mit harten Bandagen gekämpft. Schmutzige Bankgeschäfte, Schwulenfeindlichkeit und die Nähe zu Unrechtsregimen spielen dabei eine wichtigere Rolle als der christliche Glaube. Kein Wunder, dass da einer vorzeitig das Handtuch wirft. (Klara Obermüller)