Vor über zwanzig Jahren beim „Tages-Anzeiger“ als Rechtsberater von „Tagi-Persönlich“ eingestiegen, arbeitete er seit 1991 als Redaktor in verschiedenen Ressorts. In letzter Zeit machte Suter von sich reden, weil er – als Mitglied der Tagi-Personalkommission - seine Kündigung vom Sommer 2009 vor Gericht als missbräuchlichen Racheakt anfocht und vorderhand Recht bekommen hat. Letztlich möchte Suter vom Bundesgericht eine klare Antwort, ob man Personalvertreter während Entlassungswellen selber kündigen darf. Daniel Suter arbeitet heute als freischaffender Texter und Autor.
Frage: Sie wurden eben zum Präsidenten von impressum, der grössten Journalistenorganisation der Schweiz, gewählt – was bedeutet Ihnen diese Wahl?
Zuerst einmal eine grosse Freude und eine Ehre! Die Einladung zur Kandidatur kam ganz unerwartet im Dezember vom impressum-Vorstand. Und nach einem sehr freundschaftlichen und offenen Gespräch mit dem Vorstand kam ich zur Einschätzung, dass ein Engagement hier viel Sinn macht. In meiner jetzigen beruflichen Situation habe ich auch die Zeit, mich dieser Aufgabe zu widmen.
impressum schweiz ist ein Berufsverband – Sie sind aber gleichzeitig auch Mitglied bei Syndicom, der Mediengewerkschaft: Wie gehen Sie mit dieser Doppelmitgliedschaft zwischen Verband und Gewerkschaft um? Streben Sie eine Annäherung an?
Ich bin seit 1979, meiner Zeit als Jurist am Bezirksgericht Zürich, Mitglied einer Gewerkschaft. Zuerst war es der vpod Staatspersonal, dann seine Journalistensektion SJU, die den Namen und die Partnerschaften patchwork-familiär wechselte und in ihrer jüngsten Ehe nun syndicom heisst. Ich bin stets gewöhnliches, zahlendes Gewerkschaftsmitglied geblieben und habe nie eine Funktionärslaufbahn angestrebt. Die Gewerkschaft gehört für mich trotzdem zum Berufsleben eines Arbeitnehmers. Die Unabhängigkeit – die gerade Journalistinnen und Journalisten so gerne beschwören – soll eine geistige sein. Doch in der Arbeitswelt ist kein Angestellter je unabhängig – das merkt er oder sie spätestens bei der Kündigung. Und da die Arbeitgeber stets sehr gut organisiert sind, ist es ein Gebot der Vernunft, als Arbeitnehmer einem Berufsverband oder einer Gewerkschaft beizutreten.
Meine syndicom-Mitgliedschaft war dem impressum-Vorstand von Anfang an bekannt. Und ich sagte ihnen auch, dass es für mich nicht infrage komme, wegen meines impressum-Engagements aus der Gewerkschaft auszutreten. Aber der Vorstand – und offenbar auch alle Delegierten am 25. März – suchten bewusst jemanden, der eine Brückenfunktion zwischen beiden Organisationen einnehmen kann. So bin ich nun seit Januar Doppelmitglied. Doch meine Aktivität gehört ganz ungeteilt impressum. Ich spüre dabei keinerlei Rivalität zu syndicom. Impressum und syndicom haben in jüngster Zeit hervorragend und gemeinsam die Interessen der Journalistinnen und Journalisten vertreten. Ich habe das hautnah während der Sozialplanverhandlungen nach der Massenentlassung des Tages-Anzeigers im Frühsommer 2009 erfahren.
Welches sind Ihre Ziele als Präsident von impressum?
Ich möchte dazu beitragen, dass die Journalistinnen und Journalisten wieder stolzer auf sich und ihre Arbeit sein können. Das fängt mit der Wertschätzung an, auf die sie Anspruch haben, und das hört nicht vor den Löhnen auf.
impressum leidet in den letzten Jahren unter einem Mitgliederschwund – haben Sie eine Strategie dagegen?
Mit dem Mitgliederschwund verhält es sich wie mit einem Auflagenschwund: Wir müssen unsere Kolleginnen und Kollegen überzeugen, dass einen Sinn hat, Mitglied der Berufsorganisation zu werden, weil es Organisationen braucht, die kollektive Ziele anstreben, von denen jede und jeder Einzelne auch profitiert. Insofern sollten wir versuchen, ein bisschen Greenpeace-Feuer in den Herzen zu entfachen. Beim WWF oder bei Greenpeace engagieren sich die Mitglieder auch für ein ideelles, aber reales Ziel.
impressum ist ein gesamtschweizerischer Verband. Ist der Journalismus in der der lateinischen Schweiz anders als rund ums Medienzentrum Zürich? Und was heisst das für Sie?
Das ist für mich die grosse Chance, mein Französisch zu verbessern und meinen Horizont zu erweitern. Italienisch spreche ich – fern von jeder Grammatik – wesentlich unbefangener, wegen meiner regelmässigen Ferien und Olivenerntearbeiten in Italien. Ich werde also dank impressum viel lernen!
Zurzeit gibt es zwischen JournalistInnen der Deutschschweiz und den Verlegern keinen Gesamtarbeitsvertrag mehr. Wie militant sind Sie bereit, für einen neuen GAV zu kämpfen? Braucht es überhaupt bei diesem Beruf einen GAV?
Ein GAV ist das sichtbarste Zeichen einer funktionierenden Sozialpartnerschaft. Darum ist auch für den Journalistenberuf der Deutschschweiz ein GAV ein sinnvolles Ziel. Sogar der „tote“ GAV von 2000/2004 hat noch bis heute ein Nachleben, denn er ist die Benchmark, an dem die branchenüblichen Löhne gemessen werden.
Weil ein solcher GAV eine partnerschaftliche Einigung ist, glaube ich, dass Militanz nicht der Wegweiser in diese Richtung ist. Journalistinnen und Journalisten sollten ihre Rechte selbstbewusst einfordern – notfalls auch auf juristischem Weg. Aber mit Militanz Barrikaden zu errichten, um sie dann theatralisch selbst stürmen zu können, halte ich für weniger zeitgemäss.
Das Image des Journalismus in der Schweiz hat in den letzten Jahren ziemlich gelitten. Kommerz kommt vielfach vor Qualität, Redaktionen werden abgebaut und Copy&Paste ersetzt oftmals fundierte Recherchen…was gedenken Sie zu tun, um das Renommee des Journalistenberufs zu verbessern?
Wir leben in der Tat in einem neuen Guttenberg-Zeitalter – mit zwei T im Namen und einer Computermaus im Wappen. Das ist unter anderem eine Folge der Lohn- und Personaldrückerei: Weniger Medienleute müssen mehr produzieren – und das geht auf Kosten der Sorgfalt und der Kompetenz. Ich schwärme nicht von den früheren Zeiten, die ich zu Beginn meiner journalistischen Arbeit erlebt habe – als es in den Redaktionen noch Experten gab, die eine Materie besser kannten als die Verwaltungsbeamten, welche die Gesetze dazu machten. Die Artikel dieser Oberexperten waren oft entsetzlich trocken und detailliert – aber sie waren so vertrauenswürdige Wertpapiere wie Bundesobligationen.
Ich persönlich finde, Journalismus ist immer Übersetzungsarbeit: Wir bemühen uns, Fachchinesisch und komplexe Zusammenhänge einfacher, aber in den richtigen Proportionen darzustellen. Und wenn das Lesen sogar noch Spass macht, dann ist die Arbeit geglückt. Doch bevor man süffig und dennoch sachgerecht schreibt, muss man die Sache verstanden haben – und das braucht in der Regel länger als nur den Besuch einer Pressekonferenz. Wo aber die Kompetenz fehlt, wird sie oft durch die grosse Geste ersetzt. Besonders wenn am Schluss noch Blattmacher, die von allem ein bisschen und von nichts richtig Bescheid wissen, den Artikel aufmotzen.
Text, Bild, Ton und Online vermischen sich immer mehr: Welche Gedanken machen Sie sich zur künftigen Entwicklung dieses Berufs?
Einen Teil der Antwort habe ich schon bei der letzten Frage gegeben. Die Vermischung der verschiedenen Medien ist derzeit noch ein Experimentieren der Zauberlehrlinge auf der Suche nach dem Stein der Weisen, der aus unedlem Blei kostbares Gold und Silber und die Zauberlehrlinge reich machen soll. Doch vorläufig ist noch alles Blei und kostet Gold.
Gegen das vielgestaltige Nebeneinander der Medien habe ich nichts. Aber mir genügen schon die bisherigen Versuche, um zu erkennen was nicht geht: dass ein und dieselbe Person alles macht. Der Mensch ist kein Multitasker – man schaue nur, wie es herauskommt, wenn der gleiche Reporter zu einem Ereignis schreibt, fotografiert, filmt und ein Radiointerview macht: Das Resultat ist eine vierfache Stümperei! Keine und keiner kann auf allen Kanälen gleich gut kommunizieren. Die Überforderung drückt die Arbeit auch dort, wo er oder sie noch begabt wäre, unter das Niveau des Dilettantismus.