Journal21-Autor Armin Wertz befindet sich seit 99 Tagen in syrischer Haft.
Wertz, ein deutscher Staatsangehöriger, arbeitet seit zwei Jahren regelmässig für Journal21. Er war am 5. Mai in der umkämpften syrischen Metropole Aleppo verhaftet worden.
Die Schweizer und die deutsche Sektion von „Reporter ohne Grenzen“ fordern die syrischen Behörden auf, Wertz „umgehend“ freizulassen. „Journalisten dürfen nicht aufgrund ihrer Arbeit festgenommen werden.“
Laut Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ war es dem 68-jährigen Wertz kurz nach seiner Festnahme gelungen, einem Freund ein SMS zu schicken. Darin sagte er, er würde „korrekt“ behandelt. Am 13. April sendete er ein weiteres SMS und erklärte, er würde mit andern Gefangenen in die Hafenstadt Latakia verlegt. Seither herrscht Funkstille. Ob Wertz wirklich nach Latakia verlegt wurde, ist unklar. Latakia wird von den Asad-Truppen kontrolliert.
Nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ gehört Syrien infolge des anhaltenden Bürgerkriegs zu den „gefährlichsten Ländern weltweit für Journalisten“. Seit Beginn des Aufstands gegen das Regime von Präsident Baschar al-Asad im März 2011 sind dort mindestens 24 Journalisten sowie 60 Blogger und Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden.
Am 29. April befand sich Wertz an der türkisch-syrischen Grenze. In einer Mail an Journal21 schrieb er: „Ich warte gerade an der Grenze zu Syrien auf eine Passage nach Aleppo, um mir selbst ein Bild von den Vorgängen dort zu machen."
Wertz wollte für Journal21, die Berliner Wochenzeitung „Freitag“, die deutsche Kulturzeitung „Lettre international“ sowie für je eine Zeitung in Singapur und Indonesien über die Ereignisse in Syrien berichten.
Am 1. Mai hatte Journal21 zum letzten Mal Kontakt mit ihm. Er mailte uns: „Nun hoffe ich, dass es fortan glatt geht und nicht noch weitere unnötige und bürokratische Hürden auftauchen.“
Seither haben wir nichts mehr von ihm gehört. „Reporter ohne Grenzen“ sowie das deutsche Aussenministerium bemühen sich um seine Freilassung.
"Gezielte Gewalt gegen Journalisten"
Die Schweizer Sektion von „Reporter ohne Grenzen“ schreibt in einem jetzt veröffentlichen Communiqué: „Sowohl die Sicherheitskräfte des syrischen Regimes als auch einige Rebellengruppen versuchen mit gezielter Gewalt gegen Journalisten die Deutungshoheit über die Ereignisse im Bürgerkrieg zu gewinnen. Willkürliche Festnahmen oder Entführungen sind dabei leider keine Seltenheit.“
Laut „Reporter ohne Grenzen“ werden zurzeit neben Armin Wertz mindestens sechs weitere ausländische Journalisten in Syrien vermisst:
- die Franzosen Didier François und Edouard Elias von Europe 1
- der Italiener Domenico Quirico von „La Stampa“
- der US-Reporter James Foley von der „Global Post“ und
- der US-Reporter Austin Tice von der „Washington Post“ sowie
- der Jordanier Bashar Fahmi Al-Kadum von Al-Hurra TV.
Auch zahlreiche einheimische Journalisten befinden sich in der Gewalt einer der Konfliktparteien oder werden vermisst.
Nach wie vor verschollen ist auch Mazen Darwish, Gründer und Präsident des Syrischen Zentrums für Medien und Meinungsfreiheit (SCM), das über die Situation von Medienschaffenden im Land berichtete. Seit Sicherheitskräfte am 16. Februar 2012 das SCM-Büro stürmten und Darwish sowie mehrere seiner Mitarbeiter verhafteten, wird er an einem unbekannten Ort festgehalten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" (ROG) steht Syrien auf Platz 176 von 179 Ländern. ROG zählt den syrischen Präsidenten Baschar al-Asad wie auch die Dschihadistengruppe Al-Nusra-Front zu den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit.
Besonnener Reporter
Wertz ist ein weitgereister, erfahrener und besonnener Journalist und Reporter. In vielen Kriegsgebieten hat er Erfahrung gesammelt. In den letzten Jahren lebte er vorwiegend in Indonesien und Singapur. Er studierte an der Freien Universität Berlin Volkswirtschaft und arbeitete über dreissig Jahre als Auslandskorrespondent für den „Spiegel“ aus Mittelamerika, für die „Frankfurter Rundschau“ und den „Tages-Anzeiger“ aus Israel und für den „Freitag“ und die „Berliner Zeitung“ aus Südostasien.
Daneben publiziert er in der „TAZ“, „Zeit“, „ARD“, im „Tagesspiegel“, „Standard“ (Wien), „mare“, „Lettre International“, „El Mundo“ (Medellin), „TEMPO“ (Jakarta, englische Ausgabe) u.a. Er veröffentliche vier Bücher: „Tränen im Heiligen Land“, „Die verdammte Presse“, „Sie sind viele, sie sind eins. Eine Einführung in die Geschichte Indonesiens“, „Der Sieg der freien Welt. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA im Ausland“.
(hh)