Auf seinem Programm steht eine Dringlichkeitsdebatte über die Lage in Syrien und die Annahme einer Resolution, die den Druck auf das Regime in Damaskus verstärken soll.
Bundesrat Didier Burkhalter ist einer der 43 Aussenminister, die diese Woche in Genf auftreten. Die Erwartungen sind aber gering. Mehr als eine erneute Verurteilung der Gewalt in Syrien liegt nicht in der Zuständigkeit des Menschenrechtsrats. Man wird versuchen, auch Russland und China an Bord zu kriegen. Verhindern können die beiden Staaten eine Syrienresolution nicht. Anders als im Weltsicherheitsrat gilt in dem aus 49 Staaten zusammengesetzten Gremium kein Vetorecht.
Das Treffen der „Freunde Syriens“, an dem weder Russland noch China teilnahmen, zeigte die Hilflosigkeit der Staatengemeinschaft auf. Obwohl US-Aussenministerin Hillary Clinton und ihre Amtkollegen Alain Juppé (Frankreich) und William Hague (Grossbritannien) persönlich in Tunis aufkreuzten, endete die Konferenz ohne konkrete Ergebnisse. Die USA schliessen ein militärisches Eingreifen aus, solange ihre Interessen nicht direkt betroffen sind. Ein weiterer Krieg auf fremdem Boden würde von der amerikanischen Bevölkerung nicht geschätzt.
"Assad muss freiwillig oder unfreiwillig abtreten"
Frankreich und Grossbritannien haben ein Image-Problem. Sie waren es, die nach dem Ersten Weltkrieg die vormaligen fünf türkischen Distrikte besetzten und unter sich aufteilten. Erst 1946 zogen die Besatzungstruppen aus Syrien und dem Libanon ab. Dass sich jetzt ausgerechnet die Franzosen und Briten zusammen mit den Öl-Monarchien Saudi-Arabien und Katar als die Ober-„Freunde Syriens“ definieren, erweckt in weiten Weltgegenden Misstrauen.
Saudi-Arabien und Katar schlagen die Entsendung einer „Sicherheitstruppe“ der Arabischen Liga nach Syrien vor, um einen Machtwechsel in Damaskus zu begleiten. Der saudi-arabische Aussenminister al-Faisal bezeichnete das syrische Regime als eine „Besatzungsmacht“. Präsident Baschar al-Assad müsse „freiwillig oder unfreiwillig“ abtreten, forderte er. Doch der syrische Diktator denkt offenbar nicht daran. Als Antwort an seine Gegner liess er die Bevölkerung am Sonntag über eine neue Verfassung abstimmen, die seine Machtbefugnisse ausweitet.
Wie fest al-Assad noch im Sattel sitzt, ist schwer zu ergründen. Innenpolitisch wie geostrategisch ist die Lage Syriens wesentlich komplexer als jene Libyens. Hillary Clinton warnte daher in einem Artikel für die New York Times vor einer „falschen Analogie“. Die Bewaffnung zersplitterter Oppositionsgruppen mit unterschiedlichen Zielen wird von Washington ausgeschlossen. Eine Nach-Assad-Ära scheint noch nicht am Horizont auf.
Die Westmächte haben einen Fehler begangen, indem sie gleich nach dem Ausbruch der Revolten al-Assad ultimativ aufforderten, zu verschwinden. Damit trieben sie den syrischen Machthaber mit dem Rücken zur Wand. Erst ein Jahr nach dem Beginn der Aufstände werden jetzt hinter den Kulissen Vorschläge diskutiert, al-Assad und seiner Sippe einen Weg ins Asyl anzubieten, um ein noch grösseres Blutbad zu vermeiden. Das schliesst keineswegs aus, ihn später wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen.
Ändern Russland und China ihre Haltung?
Es war auch ein Fehler, den Widerstand Russlands und Chinas gegen einen von aussen erzwungenen Regimewechsel in Syrien zu unterschätzen. Eine der Folgen ist die Lähmung des Weltsicherheitsrats, wo die beiden ständigen Mitglieder zwei Syrienresolutionen mit ihrem Veto blockierten.
In vertraulichen Gesprächen halten westliche Diplomaten an ihrer Hoffnung fest, dass Russland und China angesichts des Drucks der Medien und der Isolierung auf dem internationalen Parkett letztendlich ihre Haltung ändern werden. Was aber für die Regierenden in Moskau und Peking (wie auch in Washington) zählt, ist die öffentliche Meinung im eigenen Land. Ungerecht empfundener Druck von aussen erzeugt nationalistische Trotzreaktionen, die Wladimir Putin und den chinesischen Führern nicht ungelegen kommen.
In dieser verfahrenen Lage haben die UNO und die Arabische Liga eine Wunderwaffe ausgegraben: Der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan soll als ehrlicher Makler eine Lösung der Syrienkrise aushandeln. Der charismatische Weise aus Ghana hat den Auftrag angenommen, stellt aber „die volle Mitarbeit aller Parteien“ zur Vorbedingung. Die Russen haben sich bereit erklärt, mit Annan zusammenzuarbeiten. Al-Assad wird sich kaum verschliessen können.
Eine wichtige Rolle fällt dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zu. Diese unparteiische humanitäre Institution ist derzeit die einzige Kraft, die gemeinsam mit dem Syrischen Halbmond den Kriegsopfern Hilfe leisten kann. Zwar konnte das IKRK bisher erst 17 Schwerverletzte aus der beschossenen Stadt Homs bergen, doch die Leitungen zu beiden Seiten stehen offen.
Humanitäre Aktionen sind gut, sie können aber kein politisches Handeln ersetzen. Hinter mancher humanitären Aktion verbergen sich politische oder militärische Beweggründe. Zu dieser Kategorie gehört die vorgeschlagene Schaffung „humanitärer Korridore“ unter dem Schutz von Blauhelmen oder Soldaten der Arabischen Liga. Der Vorschlag ist nicht umsetzbar, solange die Kämpfe andauern. Das hat man schon in den Jugoslawienkriegen der neunziger Jahre und in Somalia erfahren.