Es ist Sonntagabend, 18.00 Uhr, beste Fernsehzeit. 80 Minuten lang lässt er sich auf dem grössten seiner eigenen Fernsehkanäle interviewen. Wobei „interviewen“ ein grosses Wort ist. Eine nette junge Dame von „Canale 5“ gibt ihm einige Stichworte. Einmal sagte Berlusconi: "Und jetzt kannst du mich fragen, ob ..." Kritische Fragen gab es nicht.
Die wenigen Fragen sind so etwa nach dem Muster gestrickt: Signor presidente, erklären Sie doch einmal im Detail, weshalb sie so toll sind? Da musste er nicht lange nachdenken und hatte einiges zu sagen.
Berlusconi feierte sich, zelebrierte sich – immer wieder vom Applaus von Studiogästen unterbrochen.
In seinem langen Monolog verpflicht sich Berlusconi, die neu eingeführte Immobiliensteuer (Imu) wieder abzuschaffen. Da trifft Berlusconi einen wunden Punkt von Ministerpräsident Monti. Dieser hat die Steuer, die Berlusconi schon einmal abgeschafft hat, wieder eingeführt – und deshalb rasant an Popularität verloren.
Viele vor allem ärmere Italiener leiden unter dieser neuen Steuer. Die meisten Italiener mögen zwar Silvio Berlusconi nicht mehr, doch wenn es ums Geld geht, ist ihnen Berlusconi doch noch lieber als 1200 Euro Imu-Steuern.
Warten auf Monti
Er warte jetzt auf eine Antwort von Ministerpräsident Monti. Dieser müsse nun erklären, ob er als Vertreter des gemässigten Zentrums kandidieren wolle. Wenn ja, werde ihn Berlusconi unterstützten. Monti wird nicht so töricht sein und sich auf die ultimative Forderung Berlusconis einzulassen. Er hat Zeit, Berlusconi hat keine Zeit mehr.
Er werde der Präsident der wichtigsten Mitte-rechts-Partei bleiben, sagt Berlusconi. Doch sicher ist das längst nicht. In seiner Partei, die – wegen Berlusconi – auf katastrophale 15 Prozent zusammengeschrumpft ist, rumort es mächtig. Wieder dreht er die klassische Leier von den Linken und den Kommunisten, die das Land bedrohten.
Bunga Bunga - von der Staatsanwaltschaft inszeniert
Und natürlich die Attacke gegen die „roten“ Richter. Er sei zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er in einem Jahr, in dem er 570 Millionen Euro Steuern bezahlt habe, drei Millionen nicht angegeben habe. „Das schreit nach Vendetta vor Gott und den Menschen.“ Der Strafgerichtshof sei zu einem politischen Organ geworden.
Angesprochen wurde er dann auf die jungen Frauen, die zuhauf in seiner Villa in Mailand verkehrten. „In jener Zeit fühlte ich mich allein. Meine Mutter war gestorben. Ich habe mich scheiden lassen" (was nicht stimmt). In dieser Zeit sei er in eine Falle getappt, die die Mailänder Staatsanwaltschaft ihm gestellt habe. Also: Man hat ihm junge Frauen geschickt. Der Prozess um die damals minderjährige Marokkanerin Ruby, der vor dem Abschluss steht, sei eine „unglaubliche Machenschaft“.
Francesca Pascale
Dann liess er die Katze aus dem Sack. „Es ist offiziell, ich habe mich verlobt. Sie heisst Francesca Pascale und ist 27 Jahre alt" – 49 Jahre jünger als Berlusconi. „Endlich finde ich mich weniger allein, sie ist äusserlich schön, aber noch schöner ist sie innerlich. Sie hat solide moralische Prinzipien, ich fühle mich ihr sehr nahe.“
Francesca Pascal ist Neapolitanerin. In einem neapolitischen TV-Kanal war sie als Showgirl aufgetreten. Sie war Regionalrätin von Berlusconis Partei in der Provinz Neapel. Sie hatte eine Initiative gegründet mit dem Slogan „Silvio, wir vermissen dich, Silvio, ich vermisse dich!“
Eine neue Heirat liegt noch nicht drin. Berlusconi ist noch immer verheiratet. Seine zweite Frau, Veronica Lario, hatte ihn 2008 wegen seiner Frauengeschichten verlassen. 2009 wurde die Trennung ausgesprochen. Doch man streitet sich noch immer um Alimente.
Eine furchtbare Überraschung ist diese sogenannte Verlobung übrigens nicht. Berlusconi wurde schon lange mit ihr zusammen gesehen.
Meister der Selbstvermarktung
Und wieder ist er in allen Gazetten. Wieder wird über ihn getuschelt. Er ist ein Meister der Selbstvermarktung. Journalisten in Rom glauben, die angekündigte Verlobung habe einzig den Zweck, vor den Wahlen im kommenden Februar im Gespräch zu bleiben und sein lädiertes Image aufzupolieren. Das ist dringend nötig.
Einige sprechen von einem Verzweiflungsakt Berlusconis. Ihm, dem reichsten Mann Italiens, der während zwanzig Jahren mit einer teils grotesken Arroganz alles bestimmte und alles hatte, schwimmen die Felle davon. Zwei Drittel der Italiener sind laut jüngsten Umfragen gegen Berlusconi. Das Alphatier, das schalten und walten konnte, muss plötzlich einsehen, dass man ihn nicht mehr braucht und nicht mehr will.