Es war ein schöner Herbst in Paris, ich war blutjung und besuchte Verwandte. Eines Abends gingen wir ins Kino. Ein neuer Film, den man unbedingt sehen müsse, sagten sie. Wie recht sie hatten! Ich erinnere mich nicht an ein wirklich wichtiges Detail – im Gegensatz zu anderen -, aber ich denke, dass James Bond synchronisiert war und Französisch sprach. Egal – auf seine Körpersprache kam es an. Und die passte! Der Held hiess Bond, James Bond, und er war ein Doppel-Null-Agent des britischen Geheimdienstes mit der Lizenz zu töten und der Nummer sieben. Doch 007 musste nicht nur finstere Gesellen umlegen, er durfte auch Ladykiller sein. Die erste Leading Lady kam aus Ostermundigen bei Bern, und sie hatte nicht viel zu sagen, sie tauchte nur buchstäblich auf.
Der Dolch an der Hüfte
An einem Traumstrand entstieg eine Traumfigur mit blonden Haaren einem exotischen Meer, in einem weissen Bikini, für das mindestens doppelt so viel Stoff vernäht worden war wie für jene in den folgenden Filmen. Sie trug rosa Riesenmuscheln in den Händen und einen langen Dolch an der Hüfte. Und sie trällerte ein Liedchen. Ursula Andress, die Bikini-Göttin, wurde dieser Tage durch die Leser der britischen «Sun» zum heissesten Bond-Girl aller Zeiten gewählt.
Der Held erschien ihr vor 50 Jahren in einem himmelblauen Jerseyshirt mit Polokragen, in dem sich damals kein vernünftiger Mann hätte zeigen mögen. Ansonsten trug James Bond schon damals feinstes englisches Tuch und mit Ausnahme des himmelblauen Ausrutschers, gelegentlicher Taucher- und anderer Overalls oder der Marineuniform niemals Freizeitkluft. Jeans – in Schwarz - gibt es erst seit Daniel Craig, dem letzten Darsteller, der uns noch für zwei, drei weitere Abenteuer erhalten bleiben wird. Allenfalls trug 007 als Arbeitskleidung in dunklen Ecken einen feinen schwarzen Pullover zu einer Anzughose.
Taucheranzug und Smoking
James Bond war das Aushängeschild der britischen Schneiderei. Sie wurde – zumindest für Pierce Brosnan - abgelöst durch das italienische Label Brioni, bei dem auch Tito und angeblich sogar Chruschtschew schneidern liessen. Heutzutage darf der geniale Tom Ford Mass nehmen. Hinreissend, wie 007 in einem der Bond-Filme ein Abenteuer im Taucheranzug besteht und am Strand das Neopren abschält, unter dem ein tadelloser Smoking samt Fliege zum Vorschein kommt, mit dem sich der Agent unauffällig unter die bessere Gesellschaft mischt. Und wie unnachahmlich die allererste und allerbeste Bond-Verkörperung die grauen Anzüge und schwarzen Smokings trug! Als hätte er zeitlebens nichts anderes getan, was wirklich nicht der Fall war.
Sogar die feine englische Art musste der Schotte Sean Connery erst von seinem ersten Regisseur Terence Young lernen. Aber so, wie er dann spielte, hätte er fortan auch bei Hofe eine gute Figur gemacht. Das tat er viele Jahre später denn auch, notabene im Kilt, als ihn die Queen 2000 zum «Sir» adelte. Er war schon früher vorgeschlagen worden, doch sein Aktivismus für ein unabhängiges Schottland stand im Weg.
Kalter Krieg elegant umschifft
Die ersten Bond-Filme mit Sean Connery in den 1960er Jahren hätten den Kalten Krieg abbilden können, aber die Drehbuchautoren fanden schon damals einen Ausweg, der die Filme politisch zeitloser machte und der nach 1989 vielen Thriller-Autoren nicht recht gelingen mochte. Die grossen Bösewichte gehörten nicht dem KGB an , das taten einige kleinere, sondern sie arbeiteten für Spectre (Special Executive for Counter-Intelligence, Terrorism, Revenge and Extortion). Felix Leiter von der CIA holt den britischen Cousin zwar oft aus dem Schlamassel. Den ersten Felix Leiter gab Jack Lord, später bestens bekannt als Commander Steve McGarrett in der Ur-Serie «Hawaii Five-O», die neuerdings ein Remake erlebt.
Die Bond-Filme zeichneten sich fast durchwegs durch witzige Oneliner aus. In «Thunderball» sieht 007 gerade noch rechtzeitig das auf ihn gerichtete Gewehr und dreht seine Gegnerin Claudine Auger im Tanz abrupt um, sodass die Kugel sie trifft. Er drapiert ihre blaue Boa über dem Einschussloch und platziert die Dame am nächst gelegenen Tisch bei einem älteren Paar mit den Worten: «Kann sich meine Freundin zu Ihnen setzen? Sie ist einfach tot.» In «You only live twice» wird Bonds Tod und feierliche Seebestattung inszeniert. Taucher fangen den Sarg ab und bringen ihn zu einem Unterseeboot. Da liegt Commander Bond in Gala-Uniform. Er öffnet die Augen und fragt den Kapitän das, was jeder Besucher eines Schiffes fragen muss: «Permission to come aboard, Sir?»
Als bester Bond-Film wird oft «Goldfinger» genannt. Shirley Bassey sang die Titelmelodie (ihr folgten andere Grosse, wie Tom Jones, Paul McCartney, Tina Turner, Madonna und für den neusten Film Adele). Einige Szenen spielten in der Schweiz, am Furkapass und beim Rhonegletscher. Dabei war auch Harold Sakata, der den grausamen Oddjob spielte, der seine Gegner mit der Stahlkrempe seines Bowler-Huts umbringt. Der in Hawaii geborene, stämmige Japaner im schwarzen Anzug war die Sanftmut in Person. Nach einem stundenlangen, immer wieder zwischen den Aufnahmen weitergeführten Gespräch mit Sean Connery (er gab sehr selten Interviews, schon gar nicht während eines Drehs) brachte mit Sakata geduldig bei, wie man Telefonbücher zerreisst. Doch der Handkantenschlag zur Zerteilung von Granitplatten im Gartenrestaurant gelang mir nicht.
Selbstironie und Charme
Sean Connery war der richtigen Mischung von Haudegen, Mann von Welt, Ironie und Selbstironie fähig, die den Charakter kennzeichnet. Geschmack, Eigensinn und fast animalischer Charme gehörten zu seinem 007. Die Bond-Girls, die dem Helden reihenweise ins Bett fallen, konnten keine Feministin wirklich ärgern. Auch sie gehörten dazu, wie der Champagner, der für viel Geld als Product Placement zwischen Dom Pérignon und Bollinger oszilliert. Gegenwärtig perlt wieder Bollinger. James Bonds Uhr ist noch immer eine Schweizer Omega, und das Auto ist meist ein Aston Martin, aber es durften auch schon andere Hersteller das Checkbuch zücken.
Zu Connerys Qualitäten gehörte auch, dass er mit den verrückten Gadgets, die der Tüfler «Q» für ihn entwickelte, nicht lächerlich wirkte. Als er nicht mehr 007 sein wollte, folgten ihm George Lazenby (einmal), Roger Moore (sieben Filme), Timothy Dalton (zwei), Pierce Brosnan (fünf) und jetzt Daniel Craig, den wir bald Mal in «Skyfall» sehen werden. Ihn lassen die meisten Bond-Fans als Darsteller gelten. Auch mit Pierce Brosnan konnten sie sich abfinden. Der Rest war Schweigen. Connery ist und bleibt der beste. Es kann nur einen geben. Diese Kult-Aussage stammt zwar aus einem anderen Film («The Highlander»), aber Connery ist schliesslich Schotte.