Und dann die Vernissage der ‚Design Miami Basel’ . Und die der Nebenmessen, -nicht direkt mit der ART verbunden, doch immer zum gleichen Zeitpunkt abgehalten. Es gibt die Vernissage der ‚Liste 16’ , der Messe der jungen Künstler auf dem Areal der alten Warteckbrauerei im Kleinbasel.
Es gibt die Eröffnung des ‚Scope’, gegründet vom New Yorker Künstler Alexis Hubschman , weil er als Maler keine Galerie fand, diesmal abgehalten im Kasernenhof . Dann diejenige der ‚Volta 7 Basel 2011’, heute im aufstrebenden Kunstquartier Basels, dem alten Freilager beheimatet. Die mittel-und südamerikanischen Gallerien zeigen ausgewählte Kunst im Rheinhafen, in und bei der Brasilea, dem brasilianischen Kulturzentrum.
"Previews"und "Plebs"
Dazu kommt die ‚Swiss Art Awards 2011’ Vernissage, die Eröffnungen der ‚ART Conversations’, des ‚Art Salons’, des ‚ART Parcours’, die Premieren der ‚ART Film’, die Vernissage bei der Vitra in Weil. Auch die Galerien von Basel und Umgebung wollen in punkto Vernissagen nicht hintanstehen.
Doch auch die eigentlichen ART Vernissagen, der Hauptmesse, kommen in der Mehrzahl. Früher einmal würgte (metaphorisch gesehen), schmeichelte, erpresste und erkaufte man sich die Einladung zur Art Vernissage am Vorabend der Messeeröffnung. Heute sieht man dort nur noch ‚den Plebs’. Die ART hat mit ‚Preview’, ‚First Choice’, ‚Collectors Preview’ etc den Zugang zur Messe graduell verfrüht und die Bedeutung des Zugangs differenzierter gewichtet.
Rennen der Magnaten
Nun gibt es ein Rennen der grössten Magnaten um den Zugriff zu den besten Stücken. Ein großer Schweizer Verleger und passionierter Kunstsammler soll vor zwei Jahren im blauen Übergewand eines Standbauers verkleidet in die Messe geschmuggelt worden sein, um sich dort die von seinen Beratern vorselektionierten Stücke anzusehen und den Kaufentscheid zu sanktionieren.
Besagter Verleger wurde heute, vor allen möglichen Vernissagen, am Stand einer Galerie gesichtet und dazu befragt. ‚Das war nicht ich’, wehrte er ab,’ das war -glaube ich-, der Pinault. Allerdings stimmt es, dass ich von einer Galerie schon am Montagnachmittag mitgenommen wurde, als sie einrichteten und dann allein und in Ruhe die ganze Messe anschauen konnte. Das war mein schönstes ART Erlebnis.’
Der französische Grossindustrielle François Pinault muss in den letzten Jahren begeistert eingekauft haben. Momentan füllen seine Errungenschaften mindestens zwei Museen: Den ‚Palazzo Grassi’ und die ‚Punta della Dogana’; beide in Venedig.
Wichtigster Mann der Kunstwelt
Eigentlich besuchen sich die Galeristen in den Stunden vor dem grossen Besucheransturm gegenseitig um sich über die Konkurrenz zu orientieren und kritisch deren Bestände einzuschätzen. Hans-Ulrich Obrist, umgeben von jugendlich eleganten Bewunderern wie eine Bienenkönigin von ihrem Volk, durchpflügt die Menge. Er ist Direktor der ‚Serpentine Gallery’ in London, doch international so gut vernetzt, dass er als ‚wichtigster Mann der Kunstwelt’ apostrophiert wird.
Auch Kurator Jean Christoph Ammann tourt die Messe und stärkt sich im Rundhof mit einem Pfeifchen. Doch die Käufer sind schon da: Altbotschafter Ueli Sigg, Besitzer der wahrscheinlich grössten privaten Sammlung moderner chinesischer Kunst, und mit dem nun inhaftierten Ai Wei Wei sowie Herzog & Demeuron für den Bau des Olympiastadions in Peking verantwortlich, informiert sich über die nächste Auktion bei ‚Kornfeld’.
Das grösste Prominentenaufkommen hat die Galerie Bischofsberger, Vertreter von Warhol, Basquiat und Francesco Clemente. Naomie Campell hält dort Hof, fast unauffällig mit riesiger Sonnenbrille, doch ohne den russischen Verlobten. Günter Netzer kommt mit Frau vorbei: Wird er kaufen? Netzer cool: "Wenn’s was hat. Kauf ich auch."
Älter, reicher, bürgerlicher als bei der Bienale
Nun, es hat Einiges. Der Zürcher Kinozar This Brunner informiert sich über das Angebot und wirbt zugleich für den Film ‚Cave of Forgotten Dreams’ by Werner Herzog, den er am Mittwoch im ‚Art Film’ zeigt. Claude Picasso besucht mit seiner Frau Sylvie die Eröffnungen unauffällig und verfügt sich dann in die Fondation Beyeler um sich Brancusi und Serra anzusehen. Die Voltashow vermeldet bereits am Abend Rekordumsätze.
Das Publikum ist durchwegs älter, reicher, bürgerlicher und arrivierter als bei der Biennale in Venedig. Und besser und teurer angezogen. Doch auch gesättigter. Lächeln, Freude, Begeisterung ob der wunderbaren Kunst, die es da zu bestaunen geht, gibt es kaum. Der häufigste Gesichtsausdruck ist angespannte Aufmerksamkeit. Warum nur ?
Führungen mit Rendite-Informationen
Mehrere Banken bieten ihren VIP-Kunden deshalb ausgeklügelt designte Lounges zum Verweilen, mit dienstbaren, smart uniformierten Hostessen und exquisiten Leckerbissen an. Versicherer, vor allem die mit Kunstversicherungen, bieten ihren Grosskunden geführte Messebesuche. Eine internationale Grossbank lässt ihre beiden Kunsteinkäuferinnen Führungen nur mit Hinweisen auf die potentiellen Renditen der jeweiligen Künstler und ihrer Werke machen. In Zeiten der Krise ist Kunst wohl die neue Währung. Jedenfalls wird einem beim Hinausgehen als schwergewichtige Publikation der ‚Art Investor’ mitgegeben.