In Stockholm vereinbarten Delegationen der Huthis und der international anerkannten, aber meist in Riad residierenden Regierung des Präsidenten Abd Rabbo Mansour Hadi am vergangenen Donnerstag einen Vertrag. Gemäss der Übereinkunft sollen die Hafenstadt und der Distrikt Hodeida von den Truppen geräumt werden, die gegenwärtig um Hodeida kämpfen. Die Uno soll Beobachter entsenden, um den Hafen zu kontrollieren, und «lokale Sicherheitskräfte» sollen die Stadt und ihr Territorium absichern.
Offene Details
Nach einem Sprecher der Huthis sollen diese lokalen Kräfte jene sein, die unter den Huthis als Polizisten und Sicherheitsleute wirkten und zurzeit noch wirken. Ein Sprecher der Kräfte al-Hadis jedoch insistierte darauf, die «lokalen Kräfte» in Hodeida müssten der «legitimen Regierung» unterstehen.
Die Uno-Kontrolleure sollen auch die Zölle und Steuern einziehen, die in der Hafenstadt fällig sind und diese Gelder an den Hodeida-Zweig der jemenitischen Zentralbank abgeben. Diese müsste daraus die Gehälter der Staatsangestellten bezahlen. Nur dass die Zentralbank zwei Teile hat: einer steht unter der Kontrolle des Präsidenten und seiner Regierung und befindet sich in Aden, der andere, in Sanaa, steht unter der Kontrolle der Huthis. Die Zölle und Steuern der Hafenstadt waren bisher eine der wichtigsten Einnahmequellen der Huthis. Doch die so eingenommenen Gelder genügten nicht, um die Staatsangestellten der Bevölkerungsmehrheit zu bezahlen, die unter der Herrschaft der Huthis leben. Lehrer und Beamte blieben und bleiben meist unbezahlt.
Ein Erfolg mit Bedingungen
Die Übereinkunft von Stockholm wurde als ein Erfolg gefeiert. Sie ist es, wenn man bedenkt, dass die Huthis und die Hadi-Regierung seit zwei Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben. Doch bleibt abzuwarten, ob die Vereinbarung wirklich umgesetzt wird. Am vergangenen Freitag, dem Tag nach der Bekanntmachung des Vertrages, meldeten die Bewohner der Hafentstadt, man höre Gefechtslärm aus den südlichen und westlichen Randgebieten Hodeidas.
Die Uno hofft, auf dem Teilwaffenstillstand von Hodeida aufzubauen und zu einer Waffenruhe für ganze Jemen vorzustossen. Der nächste Schritt wären dann politische Verhandlungen über das zukünftige Regime des umkämpften Landes.
Beide Seiten haben zugesagt, sie wollten im Januar nach Stockholm zurückkehren, um die Verhandlungen weiterzuführen. Doch der Aussenminister der Hadi Regierung, Khaled Al-Yamani, der deren Delegation leitet, fügte hinzu, seine Seite komme nur, wenn die gegenwärtige Übereinkunft auch voll eingehalten werde. Bisher, so sagte er, hätten die Huthis stets alle Verträge gebrochen.
Voreiliger Sicherheitsrat
Eine Sicherheitratsresolution der Uno sei dringend notwendig, um die erreichte Abmachung zu verstärken. Desgleichen ein solides Kontrollsystem. Dies sagte der Uno-Vermittler Martin Griffiths, dessen unermüdlicher Arbeit die Erfolge von Stockholm – so sie denn so genannt werden können – weitgehend zu verdanken sind.
Doch die Hadi-Regierung und Saudi-Arabien gehen darauf aus, den Sicherheitsratsbeschluss 2216, der am 5. April 2015 zustande kam, unmittelbar nachdem die Bombardierungen Jemens durch die saudische Koalition begannen, ungeschmälert aufrechtzuerhalten. Dieser Beschluss fordert von den Huthis, sie müssten ihre schweren Waffen aufgeben und sich aus Sanaa und anderen von ihnen besetzten Gebieten zurückziehen, um der international anerkannten, aber exilierten Hadi-Regierung zu weichen. – Die Resolution ist nie verwirklicht worden.
Riad im Hintergrund
Hintergrundberichte wollen wissen, dass die Hadi-Delegation nach Stockholm gereist sei, nachdem zwei «Telefone aus Riad», ein Anruf an Hadi persönlich und einer an seinen Regierungschef, sie dazu aufgefordert hätten. Saudi-Arabien steht unter internationalem Druck wegen des Mordes an Kashoggi und ist möglicherweise nun daran interessiert, den Jemenkrieg zu beenden. Auch Teheran begrüsste die Übereinkunft über Hodeida.
Neben der Vereinbarung über Hodeida ist schon im Vorfeld von Stockholm auch der Austausch von Gefangenen beider Seiten beschlossen worden. Er soll rund 1’500 Personen betreffen und «in den nächsten Tagen» stattfinden. Doch am Tag nach dem Beschluss von Stockholm wurde aus Sanaa gemeldet, die Huthis hätten weitere Personen gefangengesetzt, bei denen es sich wahrscheinlich um Anhänger des ehemaligen Präsidenten und starken Mannes, Ali Saleh Abdullah, handelt. Der Ex-Präsident hatte sich 2014 mit den Huthis zusammengeschlossen und ihnen dadurch ihre Expansion bis nach Aden hinab ermöglicht. Er wurde jedoch am 10. Dezember 2017 von den Huthis erschossen, als er versuchte, sie zu verlassen und sich ihren Feinden, den Saudis und den Truppen Hadis, anzuschliessen.
Noch zu lösende Streitfragen
Auch andere Fragen neben Hodeida kamen in den Verhandlungen zur Sprache, konnten jedoch nicht gelöst werden. Der Flughafen von Sanaa bleibt geschlossen, weil die saudische Seite, welche die Lufthoheit innehat, eine Öffnung nicht zulassen will. Der Kompromissvorschlag, die Flugzeuge in Sanaa in Aden zwischenlanden und kontrollieren zu lassen, um zu vermeiden, dass sie Waffen aus Iran transportieren, wurde von den Huthis abgelehnt mit der Begründung, mehrere der Ihren seien in Aden auf Durchreise gefangen genommen worden und verschwunden.
In Aden herrschen in erster Linie die Emirate, welche zwar die aktivsten Verbündeten der Saudis sind, aber in Südjemen auch als deren politische Konkurrenten wirken. Mit den Ministern Hadis, die Aden als ihre provisorische Hauptstadt ansehen, sind die Kräfte der Emirate mehrmals zusammengestossen. Menschenrechtsgruppen werfen ihnen vor, sie unterhielten in Aden geheime «Foltergefängnisse».
Die südjemenitische Unabhängigkeitsbewegung, die von den Emiraten unterstützt wird und deren politische und militärische Führung der sogenannte Südliche Übergangsrat innehat (englich abgekürzt STC), war nicht zu den Gesprächen in Schweden geladen. Doch seine Sprecher betonten, ohne eine Regelung der südlichen Frage, werde es in Jemen keinen Frieden geben. Rund 20’000 Mann der Truppen, die in Hodeida auf Seiten der Hadi-Regierung kämpfen, sind Südländer, die von den Emiraten ausgebildet wurden und bezahlt werden. Für den STC sind sie so gut wie alle Anhänger der separatistischen Linie.
Dreieckskrieg in Taez
Auch der Vorschlag eines humanitären Korridors nach Taez, der drittgrössten Stadt Jemens, wurde in Schweden diskutiert, fand jedoch keine Lösung. Die Huthis halten die Stadt zu drei Vierteln umzingelt. In Taez selbst werden die meisten Quartiere von Bewaffneten des Islah gehalten. Islah ist die jemenitische Variante der Muslimbrüder. Sie hatten sich gegen die Huthis erhoben und diese aus Taez vertrieben.
Doch für die VAE sind die Brüder und mit ihnen der jemenitische Islah Feinde. Sie unterstützen daher in Taez einen Feind von Islah, den Warlord Abul Abbas, dessen Kräfte, das Abu Abbas Batallion, andere Stadtteile besetzt halten und Islah bekämpfen. Islah und Hadi sind Verbündete im Kampf gegen die Huthis und geniessen die Unterstützung der saudischen Luftwaffe.
Noch keine Agenda für «Schweden zwei»
Martin Griffiths und der Generalsekretär der Uno, Antonio Guterres, versuchten eine Agenda für die weiteren Verhandlungen festzulegen, die im Januar stattfinden sollen. Doch auch dies kam nicht zustande. Der oben erwähnte Sicherheitsratsbeschluss 2216, der die Hadi-Kräfte begünstigt und sich gegen die Huthis ausspricht, bildet ein Hindernis für die gegenwärtigen Verhandlungen, weil die Hadi-Kräfte sich auf ihn berufen, um alle Kompromisse mit den Huthis zurückzuweisen. Ohne Kompromiss mit den Huthis wird es jedoch aller Voraussicht nach keinen Frieden in Jemen geben.
Wenn es wirklich gelingt, die Hafenstadt Hodeida zu neutralisieren, können die Hungersnot und die gegenwärtig wieder aufflackernde Cholera-Epidemie gemildert werden. Nach der Welt-Gesundheits-Organisation WHO soll es zurzeit mehr als tausend neue vermutete Cholera-Krankheitsfälle pro Tag geben. Doch wenn Hodeida wirklich neutralisiert werden kann, verfehlen die Hadi-Kräfte ihr eigentliches Kriegsziel. Dieses bestand in der Übernahme der Hafenstädte am Roten Meer mit der Möglichkeit, die Hauptmasse der jemenitischen Bevölkerung, die unter der Herrschaft der Huthis lebt, auszuhungern.