Jedes Mal wenn irgendwo barbarische Terrorakte wie in der Freitagnacht in Paris die Weltöffentlichkeit aufwühlen, wird – vor allem im Internet – die Meinung verbreitet, solche Tragödien seien nichts anderes als die logische Antwort auf die verbrecherischen Einmischungen „des Westens“ in fremde Regionen wie den Nahen Osten. Zu solchen Stimmen gehört der ehemalige CDU-Abgeordnete Jürgen Todenhöfer, der einst in seiner Partei zu den politischen Falken zählte und inzwischen als Asad-Versteher, Buchautor und Fernseh-Talker eine lukrative Marktlücke bewirtschaftet. Der Publizist und Frankreichkenner Peter Rothenbühler hat nach den Pariser Anschlägen die pauschalen Erklärungen terroristischer Mordtaten mit Verfehlungen westlicher Politik als simplistische „Schuld-Ideolgie“ angeprangert.
Natürlich ist Kritik an manchen Aspekten westlichen Handelns oder einzelner westlicher Mächte in bestimmten Krisenregionen legitim – das gehört mit zu den Grundfreiheiten demokratischer Gesellschaften. Im Nachhinein beurteilt war der US-Einmarsch in Irak und der daraus resultierende Sturz des blutigen Saddam-Hussein-Regimes – so wie sie damals mit falschen Behauptungen begründet und in den folgenden Jahren der Besetzung gehandhabt wurden – ein folgenschwerer Fehler. Das räumt ja inzwischen selbst der Bruder von George Bush junior ein. Aber erklärt und rechtfertigt das allein schon die sadistischen Terrortaten des IS?
Und was haben die Sünden des Westens mit der Gewalt und den Blutbädern zwischen den Sunniten und Schiiten im Irak, die Gasangriffe Saddam Husseins gegen die Kurden und die gleichen Verbrechen Asads gegen die eigene syrische Bevölkerung zu tun? Wie hängen die Schandtaten der muslimischen Terrororsekte Boko Haram in Nigeria mit „dem Westen“ zusammen? Ist dieser Westen als Kollektiv auch verantwortlich für das Grossattentat pakistanischer Jihadisten im Jahr 2008 gegen ein Luxushotel in Mumbai, bei dem 170 Menschen niedergemetzelt wurden? Soll der Völkermord von Hutis an den Tutsis von 1994 in Ruanda primär auf westliche Schuldkontos zu verbuchen sein? Und wo bleibt bei solchen simplen Reduzierungen die Auseinandersetzung mit so komplexen Phänomenen wie der „Krankheit des Islam“, wie sie der tunesische Gelehrte Abdelwahab Meddeb in seinem gleichnamigen Buch diagnostiziert hat?
Es geht nicht darum, westliche Fehler und Verstrickungen im Zusammenhang mit terroristischen Verbrechen grundsätzlich zu verneinen. Aber es ist billig und unehrlich, für diese Gewalttaten reflexartig und pauschal „dem Westen“ die Schuld zuzuschieben. Wer das tut, ist auch nicht bereit, den perversen Killern irgendeine persönliche Verantwortung zuzubilligen.