Israels Ministerpräsident, Naftali Bennett, hat angeboten, sein Land könne – und sei bereit – zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Bennett machte das Angebot zu einer Zeit, wo direkte Kontakte ausländischer Politiker rar geworden sind: Entweder will man nicht in den Verdacht geraten, den russischen Präsidenten Putin zu unterstützen oder aber dieser ist nicht zu sprechen für Mitglieder seines internationalen Kritiker-Chors.
Der Vorschlag russisch-ukrainischer Verhandlungen war keine israelische Idee gewesen. Aber selbst Moskau hatte angeregt, man könne sich doch in der belarussischen Hauptstadt Minsk treffen. Diese Idee war aber vom ukrainischen Präsidenten Selenski postwendend abgelehnt worden: Dies sei nicht der richtige Ort, wo doch ein Teil der russischen Angreifer über die belarussische Grenze gekommen sei.
Gute Beziehungen zu Putin
Sonntagmittag hiess es dann plötzlich, es werde wahrscheinlich doch zu Gesprächen kommen, aber «an der ukrainisch-belarussischen Grenze». Ob mit oder ohne Beteiligung Israels blieb offen. Dies dürfte aber einigermassen unwahrscheinlich sein – trotz seines eindeutigen Interesses: Israel hatte sich seit Jahren zurückgehalten mit Kritik an der Politik des Kreml. Besonders seit Ausbruch des innersyrischen Bürgerkrieges vor elf Jahren. Und dies schien sich für die Jerusalemer Regierung auszuzahlen. Wie sonst wäre Bennetts Vorgänger Netanjahu bei den Wahlkämpfen der letzten Jahre aufgetreten als ein Politiker, der sich mit den Grossen dieser Welt bestens versteht. Besonders eng war die Beziehung natürlich zu Donald Trump zu dessen Amtszeit, aber für viele war doch überraschend, dass auch Putin zum kleinen Kreis von Netanjahus Favoriten gehörte.
Der Grund hierfür lag in Israels Nachbarland Syrien. Russland war schon zu Zeiten von Bashar al-Assads Vater Hafez die wichtigste ausländische Macht mit politischem und militärischem Gewicht und Einfluss in Syrien und dies hatte – und hat – eine Reihe von Vorteilen für Israel: Während des syrischen Bürgerkrieges verstärkte sich nämlich das iranische Engagement in Syrien und auch im Libanon, wo die einst vom Iran gegründete Hisbollah-Miliz sich zur wichtigsten politischen Macht und einem weitgehend unberechenbaren Gegner Israels gemausert hatte.
Israel konzentrierte sich zunehmend auf die Entwicklungen in Syrien und die immer stärker werdende Präsenz iranischer und iranisch kontrollierter Militärs im Land. Immer häufiger griff die israelische Luftwaffe deren Waffenlager und Truppen-Camps an und es wurde dabei nie ernsthaft von russischem Militär behindert, obwohl die russische Luftwaffe sonst rücksichtslos gegen Assad-Gegner der verschiedensten Couleur vorging. Absprachen über die russische Zurückhaltung gab und gibt es offenbar keine, aber selbst die syrische Führung hielt sich zusehends zurück, weil sie wusste, dass sie auf die Unterstützung aus Moskau angewiesen ist. Selbst wenn diese keine wirklich grundlegende Veränderung gebracht hat.
Auf den Spuren Netanjahus
Nach Netanjahu hat sich daran kaum etwas geändert. Abgesehen davon, dass die militärischen Entwicklungen in Syrien wie so vieles durch die Corona-Entwicklungen in den Hintergrund gedrängt wurden. Dass Naftali Bennett sich nun als Vermittler angeboten und damit Bereitschaft gezeigt hat, sich in wichtige Entwicklungen in und um Russland selbst einzuschalten, ist einerseits die weitergedachte Entwicklung der beschriebenen Vorgeschichte, aber nicht ohne einen Schuss aussenpolitischen Oberliga-Denkens. Die Entwicklungen, die zum Angriff der Russen auf die Ukraine führten, sollten doch deutlich genug zeigen, dass im Vordergrund Machtgier und Kaltblütigkeit von Putin stehen und diese keinen Raum lassen für neutrale Dritte, schon gar nicht für die Vermittlung von Kompromiss-Vorschlägen.
Die Interessen Irans
Israel steht damit nicht alleine. Makaberweise dürfte es ähnlich dem Iran gehen: Durch die schlechten Erfahrungen erst mit Grossbritannien und dann den USA ist Teheran seit vielen Jahren auf sich selbst gestellt und sorgt mit seinem politischen und auch militärischen Vorgehen in der Region immer wieder für international wenig akzeptierte Alleingänge. Mangels besserer Partner war man schon vor Jahren auf die Idee verfallen, Moskau als wichtigsten Partner zu pflegen. Dies war freilich nur begrenzt möglich, denn Russland war zum Beispiel unter anderem lange noch nicht einmal bereit, dem Iran die gewünschten Luftabwehr-Systeme zu liefern, die ihm mehr Schutz gegen mögliche Angriffe von Seiten Israels oder auch der Arabischen Halbinsel gewähren könnten. Gemeinsames Auftreten in regionalen Verbänden allein dürfte kaum die Wünsche der iranischen Führung erfüllen. Und eine Alternative ist kaum in Sicht: Zwar gibt es weitgehende Verträge und Abkommen mit China, aber diese sind schon im Iran selbst umstritten und wenn man die eher vorsichtige Reaktion Pekings auf den Angriff in der Ukraine betrachtet, dann dürfte einem auch in Teheran klar werden, dass von dort nicht viel zu erwarten ist.
Vertrauensverlust für Moskau?
Ausser vielleicht Enttäuschung. Da hatte der Iran sich unter Reform-Präsident Rohani und dessen Hardliner-Nachfolger Raissi seit fast einem Jahr mit den Unterzeichnerstaaten des Atomabkommens von 2015 (und den USA im «Nebenzimmer») über eine Rückkehr zu dem durch den Trump-Rückzug lädierten Abkommen zu einigen. Und als nun selbst der Iran wissen liess, dass man kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen stehe, da gibt Putin den Befehl zum Angriff auf die Ukraine. Das Abkommen hätte nicht dazu geführt, dass die (unter den Iranern eigentlich populären) USA nun zum zuverlässigen Verbündeten aufsteigen. Auch die Europäer werden kaum in solch eine einst favorisierte Rolle zurückkehren können. Vor China gibt es unverändert Bedenken und Angst wegen seiner weltweiten Expansionsbemühungen. Und Russland? Wer ein benachbartes «Brudervolk» plötzlich als Nazis bezeichnet und militärisch in die Knie zwingen will, dürfte für den Iran erst recht nicht als verlässlicher Partner in Frage kommen.