Die Auseinandersetzungen zwischen dem Iran und Israel nehmen weiterhin Ausmasse an, die zunächst bedenklich in Richtung des seit Jahren angedrohten Vernichtungskrieges zielen, dann aber von beiden Seiten eher verharmlost werden.
Da schickt der Iran Hunderte von unterschiedlichen Geschossen in Richtung Israels, um sich für den israelischen Angriff zu rächen, bei dem im iranischen Konsulat in Damaskus führende Kommandanten der iranischen Revolutionsgarde umgekommen waren. Die Bilanz des Vergeltungsangriffs: geringer Sachschaden auf israelischer Seite, vor allem aber: keine Toten oder Verwundete – abgesehen von einer jungen israelisch-arabischen Beduinin, die schwer verletzt wurde.
Washington mahnt zur Zurückhaltung
In Teheran hiess es daraufhin offiziell, man habe keinen Krieg vom Zaun brechen, sondern Israel für den Angriff auf das Konsulat bestrafen wollen. In Israel wiederum lobte man die enge Koordination mit den Luftwaffen der USA, Grossbritanniens, Frankreichs und nahöstlicher Staaten wie Jordanien, Ägypten und Saudi-Arabien. Offizielle Sprecher in Israel wurden nicht müde, das Ergebnis des iranischen Luftangriffes als israelischen Sieg zu sehen und den Iran zu warnen, Israel könne diesen «Erfolg» wiederholen.
Eine Drohung, die nicht nur die arabischen Staaten verunsicherte, die eben noch Israel zur Seite gestanden hatten, sondern auch – und besonders – Washington: Das Weisse Haus liess die israelische Regierung wissen, dass sie nicht mit einer direkten Unterstützung durch die USA rechnen könne, wenn es ihr in den Sinn käme, die neue Situation auszunützen, um Macht und Einfluss des Iran zu reduzieren.
In Jerusalem wiederholten aber verschiedene Mitglieder der Regierung Netanjahu den Spruch, der Iran werde nun wohl endlich in seine Schranken gewiesen. Eine Spekulation, die durchaus überzeugend klingt, denn die israelische Regierung ist weiterhin mit den Folgen ihres Gaza-Krieges beschäftigt. Was nicht nur die weltweite Kritik an ihrem Vorgehen am Leben hält und immer wieder erstarken lässt, sondern auch Kritik und Ablehnung durch die israelische Bevölkerung. Von der man ausgehen kann, dass sie im Fall von Neuwahlen Netanjahus rechtsradikale Koalition nicht wieder ins Amt wählen wird.
Ungeklärter Angriff am Donnerstag bei Isfahan
Solche Bedenken führten dazu, dass Netanjahu seine Regierung zwar trotz der Warnungen aus Washington und anderen Hauptstädten zu Sondersitzungen über das weitere Vorgehen gegenüber dem Iran einbestellte, die Diskussion immer wieder vertagt wurde, ohne konkrete Hinweise zu geben, wohin «der Zug fährt».
Umso überraschender die Meldung am Donnerstagabend, Israel habe einen Angriff im Iran gestartet. Ein Ziel sei in der Nähe der Stadt Isfahan gewesen, das Zentrum der iranischen Atomforschung. Israel habe damit ein besonders wichtiges Ziel gewählt, im internationalen Streit um Atom und Iran. In den israelischen Medien erinnerte man daran, dass Israelis vor einigen Jahren aus dem dortigen Atomzentrum das umfangreiche Archiv gestohlen und nach Israel gebracht hatten, das wenig später von Netanjahu vor dem UN-Plenum vorgeführt wurde, um Irans angebliche Atompläne unter Beweis zu stellen.
Nach dem Angriff bei Isfahan mit kleinen Drohnen (im persischen Volksmund «Vögelchen») kam das Gerücht auf, dass diese im Iran selbst abgeschossen worden seien. Bisher liegen keine Beweise dafür vor. Aber – auch weil es keinen nennenswerten Schaden zu geben scheint – es könnte zwei Erklärungen dafür geben: Entweder hat der Iran das selbst getan, um die Vorwürfe gegenüber Israel zu intensivieren, oder aber die Täter gehören zu den Gruppen, die in den letzten Jahren immer wieder mit Aktionen gegen iranische Atompläne ans Tageslicht traten. Unter ihnen gab es Täter, die iranische Nuklearforscher auf offener Strasse erschossen. Einige wurden zum Tode verurteilt, andere konnten fliehen.
Wie schon der iranische Luftangriff mit Hunderten von Drohnen und ähnlichen Geschossen dürfte auch der jüngste Vorfall aber kaum Auslöser für den allgemein gefürchteten Israel-Iran-Krieg werden.