In genau einem Monat wird der neugewählte iranische Präsident Hassan Rohani sein Amt antreten. Die politische Karriere des Noch-Amtsinhabers Mahmud Ahmadinejad dürfte dann zu Ende gehen. Ahmadinejad ist zuletzt selbst im eigenen Land wegen seiner kontraproduktiven Herausforderungen der Grossmächte und überspitzten Formulierungen gegenüber Israel kritisiert worden. Die vom Weltsicherheitsrat beschlossenen und mehrmals verschärften Sanktionen gegen Iran gehen auf sein Konto. In Teheran leugnet niemand mehr, dass diese Massnahmen die iranische Wirtschaft hart treffen, während das Land aussenpolitisch zunehmend isoliert ist.
Rohanis Aussagen von 2006
Wird der neue Präsident den Schaden beheben? Von seinem Lebenslauf her wäre dies möglich. Rohani war von 2003 bis 2005 iranischer Delegationsleiter bei den Atomverhandlungen mit den fünf ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrats und Deutschland (P5+1) unter dem gemässigten Präsidenten Mohammad Chatami. Iran stellte in einem Moratorium freiwillig die Anreicherung von Uran ein. Die Regierung in Teheran stand unter grossem internationalem Druck, denn 2002 wurde von Überläufern enthüllt, dass sie in einer geheimen Anlage bei Natanz seit 18 Jahren illegal Uran anreicherte und damit den Atomwaffensperrvertrag brach, dem das Land 1970 noch unter dem Schah beigetreten war. Vielleicht hat der Westen damals durch seine starre Haltung unter der Federführung von George W. Bush eine Friedenschance verpasst.
Rohani schrieb noch im Mai 2006 im US-Magazin „Time“: „Ein Atomwaffenstaat Iran würde die Region destabilisieren, ein regionales Wettrüsten auslösen und die knappen Rohstoffe verschleudern.“ Im gleichen Artikel machte er Vorschläge für eine Verhandlungslösung, „die gefunden werden muss, um das Regime der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zu stärken und einen ebenso unklugen wie unnötigen Konflikt zu vermeiden“. Aber da hatte Rohani keinen Regierungsposten mehr.
Irans Nuklear-Anreicherung unter Ahmadinejad
Ahmadinejad nahm sofort nach seinem Amtsantritt 2005 die Uran-Anreicherung wieder auf und beschleunigte sie deutlich. Die Verhandlungen mit den „P5+1“ gingen zwar weiter, drehen sich aber seither im Kreis. Offensichtlich spielte das Regime in Teheran auf Zeitgewinn. Dem jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien zufolge haben die Iraner allein in den letzten sechs Monaten 1.395 neue Gaszentrifugen installiert, mit denen das Uran-Isotop U-235 vom wertlosen U-238 getrennt wird.
Insgesamt besitzt Iran nach den Angaben der IAEO derzeit 14.244 solcher Schleudern in Natanz und 696 in der neuen verbunkerten Anlage Fordo. Die Bestände an leicht bis mittel (20 Prozent) angereichertem Uran sind in den letzten drei Monaten um acht Prozent auf fast zehn Tonnen angewachsen – eine Menge, die mit derzeitigen oder künftigen Bedürfnissen von Atomkraftwerken nicht zu rechtfertigen ist.
Welches sind die „unerklärten Ziele?
Der Leiter der iranischen Atomenergie-Organisation, Fereydun Abbasi, sagte letzten Donnerstag bei einem Besuch in Sankt Petersburg, dass die Produktion von Nuklearbrennstoff auch unter dem neuen Präsidenten „in Übereinstimmung mit unseren erklärten Zielen“ fortgesetzt werde. Laut Abbasi wird Teheran der IAEO „bald eine Liste von neuen Reaktorplänen übermitteln“. Die Iraner schwafeln schon lange über den Bau von 24 neuen Atomkraftwerken, die aber nicht einmal auf dem Papier existieren. Mit ihrer einzigen, von den Russen gebauten Anlage in Bushehr haben sie technische Probleme ohne Ende.
Die Ausführungen Abbasis weichen nicht von der bisherigen Haltung des Regimes ab. Denn dessen „erklärten Ziele“ beschränken sich auf die Beherrschung des nuklearen Brennstoffflusses für friedliche Zwecke. Gibt es aber auch „unerklärte“ Ziele? Nicht nur die westlichen Staaten, sondern auch Russland und China vermuten dies. So weigern sich die Iraner weiterhin, die Militäranlage Parchin bei Teheran den Inspektoren der IAEO zu öffnen. Nach geheimdienstlichen Erkenntnissen wurden dort Supersprengstoffe getestet, die in Atombomben die erforderliche Kettenreaktion auslösen können. IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano beklagte Mitte Juni, dass zehn Verhandlungsrunden mit Iran keinerlei Fortschritte zeitigten. Mittlerweile haben die iranischen Militärs wohl alle Spuren ihrer früheren Tätigkeiten in Parchin beseitigt.
Die Stellungnahme des zukünftigen Präsidenten
Amano zeigt sich auch über den Bau eines Schwerwasserreaktors bei Arak besorgt. Dieser Atommeiler soll nächstes Jahr fertig werden. Seine Besonderheit ist, dass er Plutonium ausscheidet, das zu waffenfähigem Spaltmaterial aufbereitet werden kann. Der Weltsicherheitsrat hat Iran in mehreren Resolutionen zwingend aufgefordert, den Bau des Reaktors sowie einer nahe gelegenen Fabrik zur Herstellung von schwerem Wasser einzustellen.
Man darf dem künftigen iranischen Staatschef guten Willen bescheinigen, den angehäuften Konfliktstoff ausräumen zu wollen. Dafür wurde er von der Bevölkerung im ersten Durchgang bei starker Beteiligung mit absoluter Mehrheit gewählt. Am Samstag erklärte Rohani live am iranischen Fernsehen, er strebe „den Dialog und die Interaktion mit anderen auf der Grundlage der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Respekts“ an. „Wir wollen die Spannungen verringern und die Vertrauensbildung stärken, gleichzeitig aber unsere Rechte und unsere Würde bewahren“, führte Rohani weiter aus.
Keine unbeschränkter Zugang der IAEO-Inspektoren
Dagegen ist nichts einzuwenden. Die iranische Führung pocht unter anderem auf ihr Recht, Uran für friedliche Zwecke anzureichern. Auch das ist unbestritten. Etliche Nicht-Atomwaffen-Staaten wie Deutschland, Japan, Brasilien, Argentinien oder die Niederlande reichern Uran zur Herstellung von Reaktorbrennstäben an. Der Unterschied zu Iran besteht darin, dass diese Länder ihre Nuklearanlagen ohne Einschränkungen von der IAEO überwachen lassen. Sie sind dem Zusatzprotokoll II zum Atomwaffensperrvertrag beigetreten, das den IAEO-Inspektoren freien Zugang ohne Voranmeldung zu den kritischen Stätten erlaubt. Auch Iran hat dieses Protokoll unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Die „nuklearen Wachhunde“ sind daher ständigen Behinderungen ausgesetzt.
Eine der ersten Amtshandlungen Rohanis müsste es daher sein, das Zusatzprotokoll II dem iranischen Parlament erneut zur Ratifizierung vorzulegen. Ausserdem müssten die Uran-Anreicherung auf ein vernünftiges Mass zurückgefahren und das bereits auf 20 Prozent angereicherte Uran in das Oxyd U3O8 umgewandelt werden. In dieser Pulverform ist das Material nur mehr als Reaktorbrennstoff zu verwenden.
Der Ober-Ajatollah hat das letzte Wort
Das letzte Wort hat aber Ober-Ajatollah Chamenei. Chamenei ist nach seinen eigenen Worten überzeugt, dass es den USA nicht um einen Kompromiss im Atomstreit geht, sondern um einen Regimewechsel in Teheran. Als in Washington die Republikaner an der Macht waren, war diese Einschätzung nicht abwegig. Obama hat den Iranern zweimal Direktverhandlungen angeboten, die von Chamenei abgelehnt wurden. Die USA verfolgen geostrategische Interessen, Iran strebt nach einer regionalen Grossmachtrolle. Seit der iranischen Einmischung im syrischen Bürgerkrieg haben sich die Animositäten zugespitzt. Chamenei muss zwischen den legitimen Forderungen der iranischen Bevölkerung auf ein besseres Leben und seinen politischen Aspirationen abwägen. Es wird spannend.