Besonders die Jugend sieht keine Perspektiven, stellt der Chef der UNO-Beistandsmission für Irak (UNAMI), Ad Melkert, fest.
Melkert appelliert an die irakischen Behörden, »eine Vision und Strategien zu entwickeln, um die wirtschaftlichen und sozialen Aussichten der Jugendlichen zu verbessern«.
Die Indikatoren geben zur Sorge Anlass, schreibt der Niederländer in einem Bericht, den er in Zusammenarbeit mit zwei Universitäten in Bagdad erstellt hat. Danach sind mehr als 57 Prozent der jungen Iraker zwischen 15 und 29 Jahren arbeitslos. »Auch die Analphabetenrate ist hoch«, stellt der Bericht fest, ohne einen Prozentsatz zu nennen. Die irakische Regierung gab den Alphabetisierungsgrad der Erwachsenen vor fünf Jahren mit 77,6 Prozent an. Laut UNO erreichen derzeit nur 21 Prozent der Schulkinder in Irak die Sekundarstufe.
Wenig Zahlenmaterial
Der von Melkert vorgestellte »Analytische Bericht über die Lage der Jugend« enthält wenig Zahlenmaterial. Der Gründ dafür ist, dass es im Nachkriegs-Irak nur lückenhafte Statistiken gibt. Vor dieser Tatsache musste auch der jüngste »Weltbericht über die menschliche Entwicklung« kapitulieren, den das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) alljährlich herausgibt. Auf der Rangliste von 169 Staaten, deren Entwicklungsstand in den verschiedenen Bereichen bewertet wird, fehlt Irak. Mangels verfügbarer Angaben, erläutert eine Fussnote.
Melkert fordert die irakische Regierung auf, »den jungen Menschen zuzuhören und ihre legitimen Forderungen und Erwartungen zu erfüllen«. Sein Bericht schlägt drei Massnahmen vor: Zuerst eine Einigung der Politiker auf eine »Agenda für die Zukunft«, die die Ziele und den Zeitrahmen für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Jugendlichen festlegt. Hernach soll eine Plattform für einen Dialog mit und zwischen den Jugendlichen gebildet werden. Die dritte Massnahme wäre ein Arbeitsbeschaffungsprogramm, das auch berufliche Ausbildung anbietet und die Gelegenheiten selbständiger Erwerbstätigkeit aufzeigt.
Vier Millionen irakische Kinder leben in bitterster Not
Auch das UNO-Kinderhilfswerk Unicef nimmt sich der heranwachsenden Generation an. Es hat zu einem besseren Schutz der 15 Millionen Kinder in Irak vor der andauernden Gewalt aufgerufen. Nach Regierungsangaben wurden 2010 in neun Monaten mindestens 134 Kinder getötet und 590 verwundet - die meisten durch blindwütige Attentate. Vier Millionen irakische Kinder leben laut Unicef in bitterster Not. Internationale Hilfe wird erbeten.
Das Bild wäre nicht vollständig ohne die Flüchtlinge. Nach dem jüngsten Jahresbericht des Flüchtlings-Hochkommissariats (UNHCR) sind 1,683.600 Iraker seit 2003 ins Ausland geflohen und nicht mehr heimgekehrt. Damit stellt Irak die zweitgrösste Zahl von Flüchtlingen hinter Afghanistan - nicht gerechnet die rund zwei Millionen irakischen Binnenflüchtlinge, die aus ihren Heimstätten flohen oder vertrieben wurden.