Unsere Sprache hat sich der neuen Kommunikationsform noch nicht angepasst. Uns fehlen die richtigen Worte.
Das Telefon läutet und schellt nicht mehr. Es spielt Jingle Bell, die Marseillaise oder die Traviata. Swisscom spricht von „Klingelton“. Nix klingelt mehr.
Wie sollen wir denn sagen: Das Telefon manifestiert sich? Das Telefon leuchtet auf? Das Telefon geht an?
Ein Kollege hat das Geschrei seines Babys als „Klingelton“ gedownloaded. Ruft man ihn an, schreit es in der Hosentasche. Toll.
Ein Freund setzt das Gebell seines Cocker Spaniels als Klingelton ein. Ruft ihn jemand an, erschrickt seine Katze.
Telefone brummen heute, vibrieren, klopfen, beepen oder piepsen.
Kürzlich sass ich im Tram. Plötzlich ging’s los hinter mir: Suzi Quatro, „She's in love with you“. Ich dachte, das muss eine ältere Person sein, denn wer kennt heute noch die Rock’n’Roll Heulsuse Suzi Quatro. Ich drehte mich diskret um. Da sass ein älterer distinguierter Mann, sicher ein Professor.
Die Modernisierung hat es dazu gebracht, dass wir keine Worte mehr finden, wenn das Telefon sich meldet.
Nicht genug: Früher hingen die Telefonapparate an der Wand. Da nahm man, wenn es klingelte, den Hörer ab: Das Telefon abnehmen. Heute hängt das Telefon nicht mehr an der Wand. Die meisten stehen auch nicht mehr auf einem Tisch. Wir nehmen also kein Telefon mehr ab.
Wir streichen uns mit dem Finger von links nach rechts oder rechts nach links auf Empfang. Wie sollen wir sagen? Ich streiche das Telefon an? Ich wische mich in die Leitung? Ich streichle mich in die Verbindung?
Und noch mehr: Auflegen, aufhängen: Früher legte man das Telefon, den Hörer, nach dem Gespräch auf. Oder hängte den Hörer an den Apparat an der Wand. Heute hängt und legt kaum jemand mehr auf.
Wie sollen wir sagen? Ich drücke mich aus dem Gespräch? Auch „klicken“ geht nicht, denn nichts „klickt“ mehr. Ich tippe mich aus der Leitung. Eigentlich gibt es ja auch keine Leitungen mehr.
Die neue Technik überfordert die Sprache.