Im März 2001 fuhren mein Freund Said Abu-Shakra und ich nach Jerusalem, um an der Grundsteinsetzung der von der Jerusalem Foundation geplanten arabisch-jüdischen Schule teilzunehmen. Vreni Müller-Hemmi, damals Präsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI), und Felix Gutzwiller, damals FDP-Ständerat und Präsident der Jerusalem-Foundation, waren dort und sprachen.
Brennende Bücher - ein böses Zeichen
Die Schweiz war auch durch zwei Offiziere (einen Oberstleutnant und einen Hauptmann) in goldverbrämten Uniformen vertreten, und weitere Schweizer Prominenz war präsent – es ist schon lange her und an Einzelnes kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war ein festlicher Akt und mein arabischer Freund Said Abu-Shakra war beeindruckt. Es war sein erster wirklich direkter Kontakt mit Schweizern, die sich für Israel und all dessen Bürger einsetzen.
Und nun ist am Samstag diese Schule von jüdischen Fanatikern angezündet worden. Ein Schulraum von Erstklässlern brannte aus. Das Feuer, so die Presse, wurde durch einen von den Tätern erstellten Bücherhaufen entfacht. Jetzt verbrennen also auch Juden Bücher. Wohin das führt, demonstrierten die Bücherverbrennungen in Nazi-Deutschland. Heinrich Heine schrieb lange vor Hitler: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Die Nazis haben diesen prophetischen Spruch ins Praktische umgesetzt, in gewissen islamischen Ländern geschieht ähnliches.
Sind jetzt durchgeknallte Juden an der Reihe? Das Volk des Buches, dem das Buch der Bücher entsprang? Mein Entsetzen ist grenzenlos, ich schäme mich als Jude und als Israeli. Entschuldungen gibt es keine, das Absinken jüdischer Kultur in solche Niederungen ist unentschuldbar, die Täter sind mit der Zerstörung kultureller Güter durch die Taliban und ISIS zu vergleichen. Es geht nicht nur um die Bücher per se. Es geht um die Ideologie des Hasses, die dahintersteht. Die Täter sind eine kleine Minderheit in Israel – doch werden sie durch den Staat kaum bis gar nicht bekämpft.
Verständnis und Versöhnung - eine Verrücktheit?
Es gibt in Israel mehrere jüdisch-arabische Schulen. Einer meiner Enkel besuchte diejenige in Nordisrael. Jüdische und arabische Kinder lernen zusammen. Jede Klasse wird von zwei Lehrern betreut, einem arabischen und einem jüdischen, sodass in beiden Sprachen gelehrt wird - Hebräisch und Arabisch. Dazu gehört auch das Leo-Baeck-Gymnasium in Haifa, eine Elite-Schule, die nach dem Reformrabbiner Leo Baeck aus Berlin benannt ist und zur Bewegung des Reformjudentums gehört. Diese Schulen sind privat und teuer und werden meist von Kindern aus eher vermögenden Familien besucht.
Doch, es sind eben diese Kreise, die in die verfahrene Situation zwischen israelischen Arabern, die 20 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen, ein Zusammenleben, das diesen Namen verdient, voranbringen könnten. Die Situation ist heute leider so, dass von gewissen jüdischen Kreisen fast jeder, der sich für arabisch-jüdische Annäherung und ein versöhnliches Zusammenleben einsetzt, als verrückt oder gar als Verräter gesehen wird. Eine Feststellung, dich ich unzählige Male selbst erlebt habe.
Ein Damm ist gebrochen
In einem empathischen und eindrucksvoll geschriebenen Artikel „Der wahre Preis des Terrors“ in der NZZ vom Montag beschreibt der israelische Autor, Yali Sobol, die heutige Situation des wachsenden gegenseitigen Hasses zwischen Juden und Arabern im Land, der heute weiter geschürt wird. Zwar ist der arabische Hass auf Israel und Juden nichts Neues und weit älter als der Staat der Juden, sein wachsendes Ausmass aber schon.
Heute sind vermehrt auch jüdische Israelis eingeknickt und wählen den einfachen Weg, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen. Sie haben den Weg zu Hass und Rassismus gefunden - etwas, das bisher nur einer relativ kleinen Anzahl jüdischer Extremisten vorbehalten war. Doch ein Damm ist gebrochen, heute wird der Ruf nach physischer Trennung zwischen Arabern und Juden immer schriller und Terrortaten finden immer mehr Verständnis. Terrorversteher fanden sich bisher fast ausschliesslich auf der arabischen Seite. Nun scheint sich ein ähnliches Phänomen für jüdische Terrortaten gegenüber anderen – Arabern, Christen etc. – auszubreiten.
Keine Änderung in Sicht
Zwar gibt es noch immer Israelis, die sich öffentlich und privat, als Organisationen und als Einzelpersonen, für Verständnis und Versöhnung zwischen Juden und Arabern aussprechen und sich dafür aktiv einsetzen. Auf arabischer Seite ist ähnliches Verhalten leider eine Seltenheit.
Doch ein Aufrechnen des beidseitigen Terrors wäre Unsinn. Selbst wenn israelische Araber ihre Situation (zumindest innerhalb der anerkannten israelischen Grenzen) in der Öffentlichkeit übertreiben und ihre eigenen Politiker im israelischen Parlament sich vehement beklagen – es liegt an der jüdischen Mehrheit und an der Knesset (Parlament), eine Lösung voranzutreiben. Doch der bestehende gegenseitige Hass und der Unwillen beider Regierungen (Nethanyahu und Abbas), wirkliche Verhandlungen zu führen, verhindert das. Eine Änderung ist nicht in Sicht.
*Der Autor ist in der Schweiz aufgewachsen und lebt mit seiner Familie in Israel.