Der israelische Minister für Regionale Zusammenarbeit, Tsachi HaNegbi, erklärte im Juli nicht ohne Stolz, Israel sei „das einzige Land in der Welt, das Iraner töte“: Die israelische Luftwaffe fliege Hunderte von Angriffen gegen iranische Ziele in Syrien – manchmal gebe man sie zu, manchmal würden sie nur in Berichten aus dem Ausland gemeldet.
Kurz darauf meldete die in London erscheinende arabischsprachige Zeitung „Al Sharq al Awsat“ (Naher/Mittlerer Osten), Israel habe auch iranische Militärlager in der nordirakischen Provinz Salaheddin angegriffen. Es war dies das erste, bisher aber offenbar nicht das letzte Mal, dass solches geschah: In letzter Zeit häuften sich Meldungen von „mysteriösen“ Explosionen in Lagern verschiedener vom Iran unterstützter schiitischer Milizen und auch auf der Luftwaffenbasis Al Bakr.
„Wir handeln, wo immer dies nötig ist“
Natürlich gab es sofort Spekulationen, dass auch diese Angriffe von Israel durchgeführt worden seien, diesmal schwieg Minister HaNegbi. Ministerpräsident und Verteidigungs-Minister Benjamin Netanjahu aber hinterliess bei einem Besuch in der Ukraine auf einer Pressekonferenz den Eindruck, dass etwas „dran“ sei an den Meldungen aus dem Irak: Der Iran habe keine Immunität und „wir handeln und werden weiterhin handeln wo immer dies nötig ist ... Ich lege mir keine Restriktionen auf.“
Kein Wunder, dass eine israelische Täterschaft für diese Angriffe allgemein als Tatsache betrachtet wird. Zumal Israel hiermit doch auch eine wichtige Verschiebung der strategischen Lage gegenüber dem Iran erreicht: Im Syrienkrieg stehen Einheiten der iranischen „Revolutionsgarden“ inzwischen in der Nähe der Waffenstillstandslinie zwischen Syrien und Israel und werden von diesem als beträchtliche Gefährdung seiner Sicherheit betrachtet. Israelische Angriffe im Irak – unweit der Grenze mit dem Iran – hingegen sollen offenbar eine Warnung an die Adresse Teherans sein.
Auf dem Spiel stehen die israelisch-amerikanischen Beziehungen
In seiner gegenwärtigen Fixierung auf die am 17. September stattfindenden Parlamentswahlen und seine eigene Zukunft hatte Netanjahu offenbar verdrängt, dass hierbei viel mehr auf dem Spiel steht als ein strategischer Vorteil der einen oder anderen Seite. Es steht auch die Zukunft der israelisch-amerikanischen Beziehungen auf dem Spiel. Mehr aber noch die Zukunft der amerikanischen Politik im Nahen und Mittleren Osten.
Die jüngst angegriffenen schiitischen Milizen im Irak fordern bereits den Abzug der rund 5000 US-Soldaten aus dem Irak und argumentieren, dass ohne amerikanische, vielleicht sogar auch russische Rückendeckung und Unterstützung solche Angriffe ja wohl kaum möglich gewesen seien.
Spannungen zwischen Bagdad und Washington
In irakischen Regierungskreisen scheint man überzeugt, dass die USA zumindest mitverantwortlich sind. Als erste konkrete Massnahme hat man deswegen eine Anordnung auf die US-Luftwaffe im Irak ausgedehnt, nach der auch jeder Flug amerikanischer Flugzeuge im Irak eine offizielle irakische Genehmigung benötige.
Wie immer es um die Mitverantwortung Washingtons steht – im Weissen Haus scheint man einzusehen, dass Einhalt geboten werden muss. Man versuchte es aber mit einem halbherzigen Schritt: Anonym bleibende US-amerikanische „Offizielle“ erklärten gegenüber der „New York Times“, dass hinter den Angriffen tatsächlich Israel stehe und dass man in amerikanischen Regierungskreisen fürchte, dass Spannungen zwischen Bagdad und Washington die Folge sein könnten.
Unsachgemässe Lagerung von Sprengstoff?
Einen Tag später berichtete der TV-Sender Bloomberg, Washington führe einen Teil der Explosionen in den schiitischen Militärlagern auf unsachgemässe Lagerung von Waffen und Sprengstoff zurück. Ein hilflos wirkender Versuch, Israel „aus der Schusslinie“ zu nehmen und der selbst einen Moderator des israelischen Rundfunks zu der Bemerkung verleitete: „Ich würde annehmen, dass der Iran den Milizen erklärt, wie man mit dem Material umgeht.“
Grund für den Schwenk in der amerikanischen Haltung sind wohl die jüngsten Belastungen, denen die Beziehungen mit Israel ausgesetzt waren, obwohl sie bisher – besonders unter Trump – zu den engsten und besten Beziehungen zählten.
Trübung der israelisch-amerikanischen Beziehungen
So hat sich Trump bisher vorbehaltlos hinter den Iran-kritischen Kurs Netanjahus gestellt, ist dem israelischen Premier mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem entgegengekommen und hat kein Wort der Kritik an der israelischen Siedlungspolitik und seinen Annexionsplänen für grosse Teile der Westbank abgegeben.
Aber trotzdem war es in letzter Zeit zu Trübungen dieser Beziehungen gekommen, als Trump Netanjahu empfahl, zwei muslimische Kongress-Abgeordnete der Demokratischen Partei nicht nach Israel einreisen zu lassen, weil die beiden Frauen Israel-feindlich seien.
„Totaler Mangel an Intelligenz“
Und überhaupt warnte Trump amerikanische Juden davor, bei den nächsten Wahlen für den Kandidaten der Demokraten zu stimmen: Wer das tue, der demonstriere „totalen Mangel an Intelligenz oder grosse Illoyalität“. Netanjahu folgte zuerst dem Rat zum Einreiseverbot, dann erlaubte er einer Abgeordneten doch die Einreise, wenn sie bei der Reise auf politische Erklärungen verzichte. Die Frau verzichtete auf die Israelreise. Und Netanjahu wie Trump sammelten Kritikpunkte aus aller Welt, vor allem aber in ihren eigenen Ländern, wo Netanjahu im Endspurt und Trump in der Vorbereitung der Wahlen steckt.
Besonders für Trump könnten solche Bemerkungen verhängnisvoll werden, weil er den Demokraten Israelfeindlichkeit unterstellt und Antisemitismus impliziert. Bisher war das keine Empfehlung für einen Präsidentschaftskandidaten und es ist schwer vorstellbar, wie solches die engen Beziehungen zu Israel fördern sollte.