Bald ist er 82 Jahre alt. In einer Schönheitsklinik in Meran hat er sich aufschönen lassen. Er hat neue Haare, eine straffe Haut und einige Kilo weniger.
„Jetzt kehre ich auf die politische Bühne zurück“, sagte er am Sonntagabend in einer Fernsehdiskussion. Tatsächlich: Er, der längst abgeschrieben wurde, zieht wieder die Fäden wie eh und je.
Zwar kann er sich bei den Wahlen im kommenden Frühjahr nicht als Ministerpräsident bewerben. Wegen Steuerbetrugs darf er auch im kommenden Jahr für kein politisches Amt kandidieren. Doch Berlusconi will bestimmen, wer neuer Regierungschef wird. Zuerst allerdings muss er die Wahlen im kommenden Frühjahr gewinnen.
Politischer Nobody
Die Chancen, dass ihm das gelingt, stehen nicht schlecht. Seine Partei, die „Forza Italia“, legt seit Monaten sachte, aber stetig zu. Laut jüngsten Meinungsumfragen würde ein Mitte-rechts-Bündnis am meisten Stimmen erhalten und damit die Regierung stellen.
Und wer würde Ministerpräsident? „Berlusconi hat die ausserordentliche Fähigkeit, plötzlich Namen aus dem Zylinder zu zaubern“, sagte am Montag Roberto Maroni von der „Lega Nord“. Und das tat Berlusconi jetzt auch.
Er könne sich Leonardo Gallitelli als neuen Regierungschef vorstellen, sagte Berlusconi in der Fernsehdiskussion am Sonntagabend. Damit verblüffte er Freunde und Gegner. Und vor allem jene in seiner Partei, die sich Hoffnungen auf das Amt des Ministerpräsidenten gemacht hatten.
Der 69-jährige General Gallitelli ist ein politischer Nobody. Er stammt aus Taranto in Apulien und war zwischen 2009 und 2015 Kommandant der Carabinieri. An seiner Integrität zweifelt niemand. Das Erstaunliche ist, dass Gallitelli bis vor Kurzem den Sozialdemokraten Matteo Renzi unterstützt hatte.
Fauchender Lega Nord-Chef
Berlusconi liess offensichtlich diese Katze aus dem Sack, ohne dass er jemanden informiert hatte. Auch Matteo Salvini nicht, Chef der „Lega Nord“, mit der Berlusconi eigentlich ein Bündnis schmieden sollte. Beide brauchen einander, um die Wahlen gemeinsam zu gewinnen. Doch die beiden hassen sich. Salvini reagierte denn auch verärgert auf eine mögliche Kandidatur Gallitelli. „Das ist mir neu“, sagte er am Montag am Radio, „wir haben nie darüber gesprochen.“ Und: „Kann jemand für das Mitte-rechts-Bündnis kandidieren, der bis vor vier Monaten das Mitte-links-Bündnis unterstützt hat. Findet ihr das seriös? Ich nicht.“
Salvini hat gehofft, selbst Ministerpräsident zu werden. Er forderte, dass jene Partei im Mitte-rechts-Bündnis, die am meisten Stimmen erhält, den Ministerpräsidenten stellt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die „Lega“ mehr Stimmen macht als „Forza Italia“.
Doch all das kümmert Berlusconi nicht. Mit seinem Coup am Sonntagabend gelang es ihm, Salvini öffentlich zu desavouieren. Er zeigte ihm, dass er eigentlich nichts zu sagen hat. Salvinis Schmach wurde am Montag umso grösser, als ein anderes Schwergewicht der „Lega“, Roberto Maroni, erklärte, die Kandidatur Gallitelli sei „sehr gut“.
„5 Sterne“ stärkste Partei
Trotz des ewigen Schlagabtauschs der beiden: Berlusconi und Salvini werden irgendwann zusammenfinden. Die jüngsten Meinungsumfragen lassen beide hoffen.
Ermittelt man einen Durchschnitt der Erhebungen der grossen Meinungsforschungsinstitute, so käme „Forza Italia“ heute auf 14,4 Prozent der Stimmen, die „Lega Nord“ auf 14,3 Prozent und die postfaschistischen „Fratelli d’Italia“ auf 4,9 Prozent.
Damit würde das Mitte-rechts-Bündnis – sofern es denn zustande kommt – die populistische Protestpartei „5 stelle“ knapp überholen. Die „Fünf Sterne“ des Komikers Beppe Grillo sind zurzeit mit 27,4 Prozent stärkste Partei. Sie haben die regierenden Sozialdemokraten (25,1 Prozent) überholt.
Berlusconi – „Mumie“, „Tutanchamun“
Berlusoni schiesst sich denn auch schon vor allem auf die „5 Sterne“ ein. „Als ich 1994 die politische Bühne betrat, bestand die Gefahr im Kommunismus“, sagte er am Sonntagabend im Fernsehen. „Jetzt sind die ‚5 Sterne’ die grosse Gefahr.“
Berlusconi und Grillo mögen sich nicht. Grillo bezeichnete den gelifteten bald 82-Jährigen als „Mumie“ und „Tutanchamun“. Berlusconi nennt Grillo einen „alten Clown“. Und vom Spitzenkandidaten der „Cinque stelle“, Luigi Di Maio, hält Berlusconi gar nichts. Er sei ein „Meteörchen“ (Meteorina).
Berlusconi hat bereits entschieden, wie eine künftige Regierung zusammengesetzt sein soll. Er will zwanzig Ministerien, zwölf sollen von Technokraten und acht von Politikern besetzt sein. Von den acht sollen drei von der „Forza Italia“, drei von der „Lega Nord“ und zwei von den „Fratelli d’Italia“ stammen.
„Italien braucht mich“
Berlusconi gibt sich in jüngster Zeit als besonnener Staatsmann. „Das Alter macht weise“, sagte er am Sonntag. Er hat seine Rhetorik gezügelt, Frauen macht er nicht mehr öffentlich an, er gibt sich als Vermittler, den das Land braucht, der nur an das Wohl Italiens denkt und alles andere zurückstellt. Er würde sich ja eigentlich lieber zur Ruhe setzen, doch das Land ruft ihn. Er will sich der Verantwortung nicht entziehen. Und: „Ich fühle mich wie ein Vierzigjähriger.“ Wieder einmal verspricht er Steuersenkungen und höhere Pensionen.
Zudem gibt er sich als emotionaler Landesvater. Am Fernsehen erzählt er mit bedächtiger Stimme, wie sein Vater in den Krieg zog und wie er darunter litt. „Am Tag, als er zurückkam, das war der schönste Tag in meinem Leben.“
Dass die Italienerinnen und Italiener immer noch – und immer wieder – auf seine Schalmeien hereinfallen, zeigt, dass sie ein kurzes Gedächtnis haben. Es zeigt auch, dass sich in Italien nichts ändern wird. Von neuem Wind keine Spur. Der dreifache Ministerpräsident hat in seiner fast zwanzigjährigen Politikkarriere das Land fast in den Ruin geritten.
Die Linke tut, was sie am besten kann
Jetzt gibt sich der 82-Jährige als neue Kraft. Und sein designierter Ministerpräsident ist auch nicht mehr der Jüngste. Doch noch hat das Mitte-rechts-Bündnis nicht gewonnen. Doch auch wenn die „5 Sterne“ am meisten Stimmen erhalten sollten, werden sie kaum regieren; dafür werden die anderen Parteien schon sorgen.
Bleiben die Sozialdemokraten, denen Berlusconi einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Doch Matteo Renzis Stern sinkt und sinkt. Er ist im Moment nur der sechstbeliebteste Politiker. Die Sozialdemokraten tun wieder einmal das, was sie am besten können: sie zerfleischen sich.