Am 10. Januar hätte der Präsident von Venezuela, Hugo Chávez, seine dritte Amtszeit, beginnen sollen. Daraus wird vorerst nichts. An Krebs erkrankt, ist Chávez beim grossen Bruder Fidel Castro in Behandlung; die Prognosen, dass er in absehbarer Zeit weiterregieren könnte, stehen schlecht. Es wird dem Subkontinent wohl eine der farbigsten Figuren des politischen Personals abhanden kommen. In der Manier eines tropischen Sturms fegte „Hurrikan Hugo“, wie sein Spitzname lautete, regelmässig übers Land, richtete ein wirtschaftliches Chaos an und brachte Venezuela, trotz reicher Ölvorkommen, nicht aus der Misere hinaus. Die Armen im Land, für die er sorgte, waren seine Anhänger und hielten ihn an der Macht. Seine Gegner pflegte er aufs Übelste zu beschimpfen und zu bedrohen – verbal. Der ehemalige Offizier glich in Gestik und Gebaren den gewalttätigen Caudillos früherer Zeiten, aber er war keiner, hielt sich an das, was er unter demokratischen Spielregeln verstand (wobei er freilich diese Regeln selbstherrlich zu manipulieren wusste). Wer ihn je als Redner erlebt hat, wird ihn nicht vergessen: er liebte es, den charismatischen Volkstribun zu mimen, führte rhetorische Vernichtungsfeldzüge gegen den Feind im In-und Ausland, spickte seinen pathetischen Patriotismus mit Bibelzitaten und martialischen Vergleichen, um schliesslich das Paradies auf Erden, das Zeitalter der sogenannten „Bolivarischen Revolution“ (nach dem Befreier Südamerikas, Simón Bolivar, benannt) zu verkünden. Er wird einem fehlen. (Christoph Kuhn)