Eine Notenbank, die Staatsschuldpapiere aufkauft oder sie als Sicherheit akzeptiert, selbst wenn der schuldende Staat faktisch bankrott ist, pervertiert ihre eigentliche Aufgabe zur Absurdität. Die lautet nämlich, für finanzielle Stabilität zu sorgen. Ihre zweite Aufgabe ist, keine Geldblasen mit hoher Inflationsgefahr entstehen zu lassen.
Falsch gedreht
In St. Gallen und anderswo wird dieser Unsinn immer noch gelehrt: Lahmt die Konjunktur, sorgt die Notenbank für billiges Geld. Banken verteilen es an die Realwirtschaft, die investiert, Konjunktur zieht an. Seit der wohl grösste Finanzhalunke aller Zeiten, der als Guru und Genie apostrophierte ehemalige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan, um die Jahrtausendwende auf die absurde Idee kam, dass man Dotcom- und andere Blasen mit Geldblasen bekämpfen könne, ist aber klar: funktioniert nicht.
Genauer: Das funktioniert nur, wenn die Grundfunktion des Zinses als Risikoprämie erhalten bleibt. Verliert der Gläubiger aber Geld, wenn er Geld verleiht, gewinnt der Schuldner mehr, wenn er mehr Schulden macht, dann ist das ganze Finanzsystem aus den Fugen geraten. Aber daran lässt sich ja noch weiter schrauben. Wenn die Absenkung des Leitzinses auf historische Tiefstände in den letzten Jahren nicht die gewünschte Wirkung hat, dann gebietet die Fortsetzung dieser absurden Logik: weiter senken.
Zentrifugalkräfte
Die Börse sollte normalerweise der Ort sein, an dem Kapital gesucht wird und sich in Form von Aktienkursen zukünftige Erwartungen in die Entwicklung eines Unternehmens einpreisen. Nun befinden sich die Börsen selbst von wirtschaftlichen Wackelkandidaten wie Spanien oder Griechenland seit ein paar Monaten im Höhenflug und setzten, wie überall in Europa, zu einem neuen Freudensprung nach oben an, als EZB-Präsident Mario Draghi die Senkung des Leitzinses auf 0,25 Prozent verkündete.
Dabei befindet sich Europa weiterhin in einer Rezession, die Eurokrise ist weder vorbei noch ausgestanden, die Wirtschaftsleistung schrumpft, zukünftige Wachstumserwartungen werden ständig nach unten korrigiert. Also eigentlich alles Gründe für sinkende Aktienkurse. Ausser, ein System ist ausser Rand und Band geraten.
Exportschlager Deutschland
Fachleute weisen gerne darauf hin, dass es in der Eurozone zwar ziemlich trübe aussehe, aber immerhin Deutschland von einem Exportweltrekord zum nächsten eile, und das sei doch eine gute Sache. Ist es natürlich nicht, denn Exporte bedeuten immer auch mangelnden Konsum und mangelnde Investition im eigenen Land. Oder einfacher ausgedrückt: Deutschland exportiert nicht nur Güter, sondern auch das Kapital, mit dem diese Güter im Ausland gekauft werden. Und ob die dadurch entstehenden Schulden auch mal wieder beglichen werden?
Am allerschlimmsten ist aber für Deutschland: Was nicht konsumiert oder investiert wird, wird gespart. Deshalb ist Deutschland auch Sparweltmeister. Auch das wäre eigentlich eine gute Sache. Ausser, das Geldsystem ist ausser Rand und Band geraten.
Das perfekte doppelte Versagen
Durch Gratisgeld wird offensichtlich nicht die Wertschöpfung stimuliert, sondern es werden Blasen aufgepumpt. Immobilienblasen, Spekulationsblasen, Zockerkasinoblasen. Wozu soll eine Bank, ein privater oder institutioneller Gläubiger Geld in ein Unternehmen stecken? Das würde damit investieren, im schlimmsten Fall sogar langfristig, dazu eine Rendite von 5 Prozent erwirtschaften. Oder Verlust, denn die Zukunft ist bekanntlich unvorhersehbar.
Dafür müssten Businesspläne studiert werden, Marktstudien, Vertriebslogistik, Herstellungsprozesse. Kompliziert, aufwendig, anstrengend.
Dagegen ein schneller Gewinn mit etwas eigenem und viel geliehenem Gratisgeld, wo die dadurch entstehende Hebelwirkung aus kleinsten Profiten zweistellige Prozentzahlen macht. Muss man wirklich darüber nachdenken, was der Investor bevorzugt?
Gescheibelter Sparer
Wirtschaft besteht immer aus Wechselwirkung. Geld auch. Ein Sparer hat normalerweise etwas für seinen Spargroschen getan. Er will ihn nun zurücklegen, um sich später dafür etwas leisten zu können. Und sei es eine anständige Altersversorgung, wenn er nicht mehr in der Lage ist, aktiv Einkünfte zu generieren. Eine Notenbank muss nichts für Geld tun, sie kann es aus dem Nichts erschaffen. Dieser fundamentale Unterschied zum Sparer sollte eigentlich mit entsprechender Verantwortung respektiert und honoriert werden.
Wenn nun aber die Europäische Zentralbank Geld billig wie nie macht, unbegrenzt Liquidität garantiert und mehr als fragwürdige Staatspapiere als Sicherheiten akzeptiert, dann ist das nicht nur verantwortungslos, absurd und schädlich. Sondern jede Leitzinssenkung bedeutet für den Sparer, dass er sich scheibchenweise von der Vorstellung verabschieden kann, dass sein heute erspartes Geld in einem Jahr, in zehn Jahren wenigstens die gleiche Kaufkraft behält.
Damit verliert Geld einen seiner zwei fundamentalen Werte: Es ist zwar weiterhin Tauschmittel, aber nicht mehr Wertaufbewahrungsmittel.
Wertvernichtungsmittel
Ganz im Gegenteil, Geld wird zu einem Wertvernichtungsmittel. Gleichzeitig verliert Geld seine Funktion, als geronnener Gewinn aus der Vergangenheit wieder investiert zu werden, damit durch Wertschöpfung zukünftige Gewinne entstehen. Das ist immer mit Risiko verbunden, und dafür muss es eine Risikoprämie geben, wieso sollte sonst jemand bereit sein, etwas zu riskieren?
Fällt die Möglichkeit weg, in der wertschöpfenden Realwirtschaft eine anständige Risikoprämie zu bekommen, fällt die Möglichkeit weg, Geld risikofrei so aufzubewahren, dass es wenigstens nicht an Wert verliert, fällt also die Motivation weg, Geld zu sparen, dann ist Geld eigentlich kaputt.
Ist es zudem so, dass der Anreiz, sinn- und verantwortungslos Schulden zu machen, durch Gratisgeld gewaltig stimuliert wird, dann ist Geld doppelt kaputt. Aber das ist sicherlich reine Schwarzseherei. Irgendwie kommt das schon gut. Irgendwann. Irgendwo.