Die ausländische Bewunderung für die zwischen 1917 und 2017 bewahrte finnische Unabhängigkeit wird ignoriert im Buch „Finnish Fingerprints. A Hundred Years, a Hundred Stories“. Die nordische Nation präsentiert sich nicht als politischer Überlebenskünstler, sondern als Musterschüler in internationalen Organisationen. Noch wichtiger aber sind finnische Erfolge in Industrie, Sport und Kultur.
Die von den Historikern abgefeierte Selbstbehauptung bei der Unabhängigkeitserklärung von 1917 und die Abwehrerfolge im Zweiten Weltkrieg gegen die Rote Armee Stalins werden nur gerade in einer Story berührt. Und auch da geht es vor allem um die Mobilisierung der Bürger und Bürgerinnen im Rahmen der allgemeinen Verpflichtung zum Militärdienst.
Kulturbotschafter Finnlands
Für die 99 weiteren Stories können die Finnen aus dem Vollen schöpfen. In der Industrie vom Eisbrecher bis zu Nokia, bei der Schule natürlich mit dem Spitzenplatz bei Pisa, bei der Musik findet man die Kollegen von Sibelius und beim Sport wimmelt es geradezu an Nachfolgern des ehemaligen Langstreckenläufers Nurmi. Das Interesse der hundert Autoren gilt aber nicht den Klischees und schon berühmten Finnen, sondern jenen, die bisher als „Kulturbotschafter Finnlands“ noch zu wenig bekannt sind.
Ausser dem Komponisten Jean Sibelius wird die erfolgreiche finnische Cellistin Liina Leijala vorgestellt. Der Architekt Alvar Aalto erhält ebenfalls Konkurrenz. Unter den weltweit bekannten Kinderbüchern glänzen die Mummifiguren mit Nilpferdnasen der Schriftstellerin und Zeichnerin Jansson. Unter die hundert Erfolgreichen geriet auch „Sinuhe der Ägypter“ von Mika Waltari, wobei der Erfolg nicht dem Niltal gilt, sondern der Übersetzung in 33 Sprachen.
Erholung in der Schweiz
Unser Land hat bei den finnischen Erfolgstories kein Platz. Die Schweiz wird nur erwähnt, weil der berühmteste Finne, nämlich Baron Carl Gustaf Emil Mannerheim, sich mehrmals am Genfersee erholt hat und in der Schweiz gestorben ist. Dass der „Retter der finnischen Unabhängigkeit“ im Zweiten Weltkrieg über siebzig war und die moderne Kriegführung nicht mehr verstand, passt nicht zur Erfolgstory. Ebenso wenig der schweizstämmige General Karl Lennart Oesch, den ein finnischer Historiker als „Retter von Finnland“ einstufte. Die bekannte Familie Fazer, deren Name bis heute für die älteste finnische Schokoladenmarke steht, wird nur als Flüchtling aus Sankt Petersburg erwähnt.
Wenn es um hundert finnische Erfolgsgeschichten geht, ist natürlich Beschränkung nötig. Auch die Eisbrecher sind eine finnische Story, bei der die schwedisch-schweizerische Firma für Schiffsdieselmotoren keinen Platz findet. Finnisch ist dagegen der Pfadfinderdolch, der natürlich für Fischer, Jäger und Lappland-Wanderer unerlässlich ist.
Aber bei den hundert Erfolgsgeschichten geht es ja auch – wie der Titel des Buches sagt – um Fingerabdrücke. Und da kann man nicht wählerisch sein. Ich zumindest wäre in grosser Verlegenheit, wenn ich hundert Schweizer Erfolgstories aufzählen müsste und dabei nicht das französische Fondue oder die italienisch-tessinerischen Vermicelles einbeziehen könnte.