Hollande hat am Dienstag den 62jährigen Jean-Marc Ayrault, den Vorsitzenden der sozialistischen Parlamentsfraktion, zu seinem Premierminister ernannt, bevor er zu seinem ersten Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin nach Berlin flog. Die Parteivorsitzende Martine Aubry, die in den parteiinternen Vorwahlen zur nationalen Präsidentenwahl an zweiter Stelle nach Hollande kam, gab gleich am Mittwoch bekannt, dass sie nunmehr auf ein Regierungsamt verzichte, denn dies "mache keinen Sinn mehr". Damit machte sie klar, dass für sie nur das Amt einer Premierministerin in Frage gekommen wäre und kein Prestigeministerium als Trostpreis.
Konflikt vermieden
Wie Sarkozy vor fünf Jahren mit François Fillon zog jetzt Hollande mit Ayrault einen dienstbaren Premierminister vor. Mit Aubry wäre der Konflikt zwischen Regierungschef und Präsident vorprogrammiert gewesen, denn die Tochter des früheren EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors vertritt viel pointiertere sozialistische Positionen als Hollande und Ayrault. Sie hatte Hollande als die "weiche Linke" verächtlich gemacht.
Ayrault, der aus dem Linkskatholizismus kommt, vertritt wie Hollande einen gemässigten sozialdemokratischen Kurs, der auf Konsens angelegt ist. Der frühere Deutschlehrer gilt auf seinem neuen Posten jetzt als gutes Omen für die deutsch-französischen Beziehungen. Einen - unbegründet - befürchteten Eklat in diesem Verhältnis hat Hollande in Berlin ohne Probleme und mit nur wenig Selbstverleugnung vermieden.
Ayrault, wie Hollande der Provinz verbunden, war seit 1989 Stadtpräsident von Nantes. Als Fraktionsvorsitzender arbeitete er jahrelang mit Hollande zusammen, der Parteivorsitzender war. Wie Hollande gehörte Ayrault nie einer bestimmten internen Parteigruppierung an. Hollande kann Ayrault, der im Wahlkampf sein "Sonderberater" war, zu seinen engsten Vertrauten zählen.
Paritätische Regierung
Die Regierung, die am Mittwochabend vorgestellt wurde, ist erstmals paritätisch: 17 Männer und 17 Frauen (ohne den Premierminister). Sie steht vorläufig bis zu den Parlamentswahlen vom Juni fest. Dann kann es Änderungen geben: Ein Minister, der seine Wahl verliert, muss zurücktreten, wie Ayrault ankündigte (wenn ein Minister gewinnt, muss er sein Abgeordnetenmandat aber auch abgeben). Und Hollande könnte nach den Wahlen auch Minister vom "Front de gauche" und der Kommunistischen Partei ernennen.
Derart zahlreiche Mitkämpfer und Weggenossen von Hollande sind in der Regierung aufgetaucht, dass man an der versprochenen Diversifizierung etwas zweifelt. Das gilt allerdings nicht für die Nummer Zwei, den 66-jährigen Laurent Fabius, der Aussenminister wurde. Fabius war mit 34 Jahren der jüngste Premierminister Frankreichs, 1984 unter Mitterrand. Er hat in der neuen Equipe zusammen mit Michel Sapin am meisten Regierungserfahrung, war aber anders als Hollande 2005 gegen das EU-Referendum.
Er hätte Dominique Strauss-Kahn als Präsident vorgezogen und bezeichnete Hollande einmal despektierlich als "Walderdbeere". Loyales Nachsitzen hat ihm nun einen wichtigen Prestigeposten gesichert. Der 60-jährige Sapin, mit Hollande zusammen im Militärdienst und an der Verwaltungshochschule ENA, wurde Arbeitsminister und muss den "sozialen Dialog" mit den Gewerkschaften wieder herstellen.
Bewährungsproben
Das für das Überleben Hollandes zentrale Wirtschafts- und Finanzministerium wird von seinem Wahlkampfleiter Pierre Moscovici übernommen. Der 55-Jährige war von 1997 bis 2002 Europa-Minister unter Jospin. Er war ein enger Anhänger von Strauss-Kahn, schloss sich dann aber rasch Hollande an. Der neue Innenminister Manuel Valls war selbst Präsidentschaftskandidat, stellte sich nach der ersten Runde dann aber energisch an die Seite Hollandes und wurde dessen wichtigster Kampagnen-Sprecher. Der 49-Jährige gehört zum rechten Flügel des Parti socialiste, was 2009 beinahe zu einem Bruch mit Aubry geführt hatte, die ihn zum Austritt drängte. Valls, der katalanisch-schweizerische Eltern hat, aber selbst naturalisierter Franzose ist, tritt für eine konsequente Sicherheits- und Immigrationspolitik ein.
Verteidigungsminister wurde ein Vertrauter von Hollande, Jean-Yvan Le Drian, Militärexperte der Partei, der Hollande jetzt Munition für den vorzeitigen Abzug der französischen Truppen aus Afghanistan - Thema am bevorstehenden Nato-Gipfel - liefern muss.
Dank des Wahlabkommens zwischen dem PS und den Grünen haben letztere zwei Posten erhalten, aber nicht für die Umwelt, sondern für den Wohnungsbau und die Entwicklungshilfe. Beide Grünen gehören zu den zahlreichen "Unerfahrenen" dieser neuen Regierung, die jetzt schnell ihre Bewährungsproben ablegen und vor allem die Parlamentswahlen gewinnen müssen, um an der Macht zu bleiben.