Diesmal war alles anders, zumindest stimmungsmässig. Der neue iranische Präsident Hassan Rohani und sein Atom-Unterhändler, der ebenfalls neue Aussenminister Mohammed Javad Zarif, haben ihre Nagelprobe bestanden. Die 5+1-Gruppe bescheinigte den Iranern Ernsthaftigkeit. «Die iranischen Gesprächspartner haben zusammenhängende Vorschläge auf den Tisch gelegt, was sich grundlegend von den früheren Treffen unterscheidet», bezeugt ein erfahrener westlicher Delegationsleiter in einem Hintergrundgespräch.
Noch keine inhaltliche Einigung
Die einzige Vereinbarung besteht aber darin, die Einzelheiten der Vorschläge nicht in der Öffentlichkeit breit zu treten. Schon in drei Wochen will man sich erneut in Genf an den runden Tisch setzen. In der Zwischenzeit sollen Experten der sieben Staaten «wichtige technische Fragen» klären. Dabei gehe es um die strittigen Atomfragen, wissenschaftliche Gutachten und die gegen Iran verhängten Sanktionen.
Die Diplomaten warnen aber davor, in eine «Euphorie» zu fallen. Das gegenseitige Misstrauen ist nicht überwunden. Die «erste Säule» des iranischen Fahrplans für die künftigen Verhandlungen besteht laut Zarif im Aufbau «vertrauensbildender Massnahmen». Anschliessend sollen alle Parameter des Nuklearstreits sachlich untersucht werden. Zuletzt gehe es darum, das «gemeinsame Ziel» in einem Vertrag festzuschreiben.
Zum ersten Mal in den seit zehn Jahren laufenden Atomverhandlungen einigten sich alle Teilnehmer auf eine Erklärung, in der die «positive Atmosphäre» der «gehaltvollen und zukunftsweisenden Gespräche» gewürdigt und der iranische Verhandlungsplan als «wichtiger Beitrag» bezeichnet werden. Einen Durchbruch in den strittigen Punkten des iranischen Nuklearprogramms hatte niemand erwartet.
Neue Offenheit signalisiert
Immerhin wurde keine der seit langem von den Westmächten, Russland und China vorgeschlagenen Lösungen ausgeschlossen. Zwar besteht die iranische Seite weiterhin auf ihr Recht, Uran für friedliche Zwecke anzureichern. Dieses Recht bestreitet auch niemand. Es geht bloss darum, durch eine internationale Überwachung sicherzustellen, dass kein spaltbares Material für militärische Zwecke abgezweigt oder auf ein Niveau angereichert wird, das nicht mit der Versorgung von Kernkraftwerken oder Versuchsreaktoren gerechtfertigt werden kann.
Zarif hat nicht ausgeschlossen, die Uran-Anreicherung herunterzufahren und die bisher erzeugten 190 Kilo auf 20 Prozent angereicherten Urans einer internationalen Kontrolle zu unterstellen. Er kündigte mehr Transparenz an. Allerdings machte der Aussenminister «legale Restriktionen» geltend, die es seiner Regierung derzeit erschweren würden, das Protokoll II des Atomwaffensperrvertrags zu ratifizieren. Dieses Zusatzprotokoll gestattet es der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien, unangemeldete Inspektionen in Nuklearanlagen durchzuführen. Iran hat dieses Protokoll unterzeichnet, doch das iranische Parlament verweigerte seine Ratifizierung.
Probe auf Irans Goodwill steht noch aus
Ob sich die iranische Regierung in dieser Angelegenheit hinter dem Parlament versteckt und wie weit letzteres überhaupt unabhängig ist, wird unterschiedlich bewertet. In der Praxis jedenfalls legte Iran das in Kraft getretene erste Überwachungsabkommen mit der IAEO bisher äusserst restriktiv aus. Oft wurden Forderungen der IAEO auf Inspektion dieser oder jener iranischen Anlage mit dem Argument zurückgewiesen, dass sie nichts mit Nukleartechnologie zu tun hätten. Unter dem Präsidenten Ahmadinedschad beschuldigte Teheran die Wiener Agentur sogar, im Auftrag westlicher Staaten Militärspionage zu betreiben.
Für den Westen hat die Ratifizierung des Protokolls II durch Iran keine vorrangige Bedeutung. Die iranischen Behörden könnten auch ohne rechtliche Verpflichtung den IAEO-Inspektoren unbeschränkten Zugang zu verdächtigen Anlagen gewähren, heisst es. Ob sich hier wirklich etwas verändert, sei ein Test des guten Willens der neuen Regierung.
Neuer Kurs oder nur neuer Stil?
In Genf gaben sich die iranischen Unterhändler alle Mühe, einen Wandel zu demonstrieren. Seine Pressekonferenz eröffnete der Aussenminister nicht mit der üblichen Anrufung «Allahs, des Allmächtigen und Barmherzigen», sondern mit der Begrüssung «liebe Freunde». Dass der neue Kurs – oder ist es nur einer neuer Stil? – auf innenpolitischen Widerstand stösst, liess sich aus den Fragen mancher der zahlreich angereisten iranischen Journalisten heraushören. Einige dieser Fragen tönten ausgesprochen aggressiv.
Wie weit Rohani mit Zugeständnissen gehen kann, um die vom Weltsicherheitsrat verhängten Sanktionen loszuwerden, wird sich in Iran entscheiden. Möglicherweise ist auch der «geistige Führer» Ali Chamenei zur Einsicht gelangt, dass das Streben nach der Atomwaffenkapazität dem Land zu teuer zu stehen kommt. Iran liegt wirtschaftlich am Boden und ist aussenpolitisch isoliert. Die Kunst der Diplomatie besteht jetzt darin, Lösungen zu finden, bei denen alle Seiten ihr Gesicht wahren.