Wahrscheinlich ist es Zufall, nicht Koordination, dass ISIS, der "Islamische Staat im Irak und in Syrien" zurzeit in einem doppelten, ja dreifachen Kampf steht:
- ISIS-Kämpfer haben die Städte Ramadi und Fallujah mindestens teilweise in Besitz genommen und versuchen sie nun gegen den Ansturm der irakischen Streitkräfte zu halten.
- Gleichzeitig ist es zu einem Krieg zwischen ISIS und den anderen syrischen Rebellengruppen in den Provinzen Idlib, Aleppo und in der Jazira gekommen.
- Drittens will ISIS ja eigentlich gegen die syrische Armee und das Asad-Regime kämpfen.
"In Wirklichkeit auf der Seite Asads"
Die schwersten Kämpfe finden zurzeit im Irak und in Nordsyrien statt. Die syrischen Kampfgruppen, die nun ISIS den Krieg angesagt haben, erklären, dass ISIS und das Asad-Regime heimlich zusammenarbeiteten. Sie haben dabei insoweit recht, als die Existenz und die brutalen Aktionen von ISIS in der Tat Asad nützen und der Sache der Rebellion gegen ihn empfindlich schaden. Zweifellos waren Wachstum und Aktivität der mit al-Qaeda verbundenen islamistischen Gruppen ein wichtiger Grund für das Ausbleiben der westlichen Hilfe an den syrischen Widerstand.
Ohne Zweifel dienen ISIS und seine Aktivitäten der Propaganda des Asad-Regimes innerhalb Syriens und im Ausland. Die Aktivitäten dieser jihadistischen Extremisten bestätigen die Hauptthese der syrischen Regierung, nach der die syrische Rebellion das Werk von ausländischen Kräften sei und verleihen dieser einen Schein von Glaubhaftigkeit.
Gesinnungsgenossen von al-Qa'eda
ISIS ist zusammen mit Nusra-Front jener Teil des syrischen islamistisch gefärbten Widerstands, der sich offen zu al-Qa'eda bekennt. Ihr Hauptziel ist die Schaffung einer "Islamischen" Grossmacht. Diese soll möglichst aus allen Ländern der islamischen Welt zusammengesetzt sein. Sie soll der heutigen Weltordnung, an deren Spitze die USA stehen (oder mindestens bis vor kurzem noch standen), den Kampf ansagen und sie dann besiegen.
Zwischen ISIS und der Nusra-Front gibt es jedoch Unterschiede. ISIS ist die doktrinärere und pan-islamistischere der beiden Organisationen; die Nusra-Front die syrischere. Den Nusra-Leuten geht es heute darum, Asad zu besiegen und in Syrien einen islamischen Staat einzurichten. Wie ein solcher genau aussehen soll, verraten die Nusra-Ideologen nicht. Ihre Standard-Antwort ist: "Zur gegebenen Zeit werden wir eine Versammlung von islamischen Gottesgelehrten einberufen, die dann bestimmen wird, wie unser Staat zu organisieren sei."
„Islamische Emirate“
Auch ISIS lässt sich nicht über die Details der angestrebten Weltmacht aus. Ihre Ideologen begnügen sich mit der Antwort, der Islamische Staat werde alle Länder des Islams umfassen, unter einem Khalifa stehen (d.h. einem rechtmässigen Nachfolger des Propheten) und dann die Welt bekehren und beherrschen.
Jene Länder, in denen ISIS zuerst an die Macht gelangt, nennen die ISIS-Ideologen "islamische Emirate". Ein solches bestand in Afghanistan unter den Taliban und könnte dort leicht wieder auferstehen, wenn die Amerikaner Ende dieses Jahres Afghanistan räumen. Ein islamisches Emirat haben auch die ISIS-Kämpfer bereits in Falluja ausgerufen. Wie lange wird es dort wird bestehen können, Tage, Wochen, Monate? Das hängt vom Ausgang der gegenwärtigen Kämpfe ab. ISIS führt diese gegen die irakische Armee und die mit ihr verbündeten Stammeskämpfer von Anbar, aus dem Stamm der Dulaim.
Im Schatten der irakischen Sunni-Proteste
Im Irak konnte ISIS von dem Dauerprotest profitieren, der sich seit über einem Jahr in Anbar abspielt. Dort protestierten sunnitische Zivilisten in grosser Masse, jedoch zuerst gewaltlos, gegen das Regime des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maleki. Sie werfen ihm vor, er behandle die sunnitische Minderheit im Irak, etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung, diskriminierend. In der Tat ist es offensichtlich, dass al-Maleki sich auf seine Gemeinschaft, die schiitische, stützt, indem er Schiiten die Hauptrolle in den Sicherheitskräften, Polizei, Geheimpolizei und Armee zuteilt. Gleichzeitig duldet er, dass die Schiiten auch in den Regierungsinstitutionen die erste Rolle spielen und damit auch als erste Gelegenheit erhalten, sich zu bereichern.
Der Irak gilt heute als eines der korruptesten Länder der Welt. Sehr bedeutende Geldströme stehen der Regierung zur Verfügung, weil sie es ist, welche die Erdöleinnahmen kassiert. Doch diese versickern weitgehend, bevor sie die Provinzen erreichen. Wenn sie zu kleinen Teilen in Aussenprovinzen dann doch ankommen, sind dies die schiitischen Provinzen des Südens und die kurdischen des Nordostens. Die Kurden, die weitgehend autonom regieren, gewinnen und verkaufen selbst Erdöl – unter dem Protest von Bagdad.
"Unloyal und gemeingefährlich"
Für die als "unloyal" oder gar "gemeingefährlich" eingestuften Nordwestprovinzen der Sunniten bleibt kaum etwas übrig. Dass die Sunniten von den regierenden Schiiten als "unloyal" und "gemeingefährlich" eingestuft werden, hat seinen Grund.
Ganz abgesehen von den früheren Grausamkeiten des Saddam-Regimes gegen die Schiiten, hat der Bombenkrieg im ganzen Lande nie ganz aufgehört. Im vergangenen Jahr hat er wieder an Intensität gewonnen. 2013 sind beinahe 9‘000 Menschen umgekommen, über 1‘000 davon waren Soldaten und Polizisten. Dieser Bombenkrieg richtet sich primär gegen Schiiten. Allerdings haben diese von Zeit zu Zeit ebenfalls mit Bomben geantwortet - in den letzten Monaten häufiger als zuvor.
Abu Bakr al-Bagdadi
Die sunnitischen Bombenleger werden als "Qa'eda"-Terroristen eingestuft. Qa'eda ermuntert sie in der Tat. Wie weit und in welcher Weise das Qa'eda-Netzwerk wirklich die Drähte zieht und die grossen Linien der Strategie bestimmt, ist ungewiss. Dass ISIS unter ihrem derzeitigen Führer, der sich "Abu Bakr al-Bagdadi" nennt, aber noch andere Aliase führt, in den sunnitischen Provinzen des Iraks Bombenleger ausbildet, mit Sprengstoff versieht, motiviert und einsetzt, ist offensichtlich.
Zentrum dieser Aktionen war bisher die Provinz Mosul. Dort hat sich die islamistische Opposition seit der Zeit der Amerikaner eingenistet und zu halten vermocht. Von Mosul aus strahlt ihre Macht auf die weite und unbewohnte Wüstenprovinz Anbar aus, deren Westgrenze an der weitgehend offenen Grenzlinie liegt, welche die Syrische Wüste in einen irakischen und einen syrischen Teil trennt.
Aufräumbefehl al-Malekis
Auf Jahresende hatte al-Maleki beschlossen, die Protestlager der gewaltlosen sunnitischen Protestversammlungen bei Ramadi, an der internationalen Strasse, die den Irak mit Jordanien verbindet, durch Heeres- und Polizeigewalt aufzulösen. Als Hauptgrund gab er an, die Lager seien "zum Hauptquartier von al-Qa'eda geworden". Der wirkliche Grund dürfte mit den Wahlen vom kommenden März zusammenhängen. Vor diesem Urnengang konnte al-Maleki den Massen- und Dauerprotest der Sunniten nicht dulden, besonders nicht weil er beständig begleitet war von Bombenattentaten, die das ganze Land zusehends erschütterten. Die Masse der Protestierenden billigte freilich die Bombenangriffe nicht und wollte keineswegs dafür verantwortlich gemacht werden. Doch die Regierung al-Maleki, deren Wählerpotential die Schiiten sind, wollte nicht als „schwach“ gegenüber den „sunnitischen Terroristen“ erscheinen.
Ein Jahr lang Agitation
Dass ISIS-Ideologen und Kämpfer in den Protestlagern Einfluss gewannen, war zu erwarten. Die Regierung selbst hatte zu dieser Entwicklung beigetragen, als sie im April 2013 ein kleineres Protestlager in Hawije, nordöstlich von Bagdad, mit solcher Gewalt auflöste, dass 44 Personen ihr Leben verloren. Über ein Jahr dauerten die fruchtlosen Dauerproteste an. Sie waren begleitet von Brandreden und gelegentlichen Zusammenstössen mit der Polizei. So wuchsen die Spannungen auch im Hauptlager bei Ramadi kontinuierlich. Am 31. Dezember zerstörten Polizei und Armee gemeinsam die Bühnen, Versammlungshallen und Zelte, die von den Protestierenden im Verlauf des Jahres aufgebaut worden waren. Dies scheint gelungen zu sein, ohne allzu grosse Opfer. Die Rede war von zehn Todesopfern. Weitere 14 Tote soll es in der Nachbarstadt Fallujah gegeben haben. Doch die Städte waren und sind abgeriegelt. Überprüfbare Informationen sind nicht erhältlich. Sie stammen entweder von der Armee oder der Polizei – oder sind wilde Gerüchte. Videos zirkulieren, deren Bilder nicht verifiziert werden können.
Verfrühter Abzug der Armee
Al-Maleki befahl nach der Auflösung der Lager, die Armee solle beide Städte, Fallujah und Ramadi, sowie das nahe gelegen Khaldiye, wieder verlassen. Er sagte, sie solle sich nun darauf konzentrieren, die Qa'eda-Terroristen in der Wüste zu verfolgen. Die Polizei werde in den Städten für Ordnung sorgen. Doch es zeigte sich, dass dies ein Fehler war.
Bewaffnete erschienen sofort auf den Strassen mit der schwarzen Fahne von ISIS. Sie stürmten die Polizeiposten und scheinen mindestens 30 Polizeilokale in ihre Gewalt gebracht und angezündet zu haben. Sie bemächtigten sich auch der dortigen Waffen und befreiten Gefangene. Der Polizeichef von Falluja erklärte, seine Mannschaften hätten sich "jenseits der Stadtmauern" zurückgezogen. Die "ganze Stadt" sei von ISIS besetzt und ihre Bewohner seien zu Geiseln der Terroristen geworden. Dies war offenbar übertrieben. Stammeskämpfer des in Anbar wichtigsten Stammes, Dulaim, waren es, die offenbar weite Teile der Stadt hielten, nach manchen Angaben etwa ein Drittel. In Ramadi dürfte die Lage ähnlich gewesen sein.
Die Dulaim gegen ISIS
Die Dulaim unter ihrem Führer Scheich Ahmed Abu Risha haben im Jahr 2007 die Fronten gewechselt. Zuerst standen sie auf Seiten des islamistischen Widerstands. Doch in jenem Jahr schlossen sie sich den Amerikanern an, weil die Islamisten allzu brutal gegen ihre Bevölkerung vorgegangen waren. Sie halfen als sogenannte "Sahwa", "Erweckte", den Amerikanern entscheidend mit, die Anbar-Provinz und die damals bitter umkämpfte Statdt Fallujah wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Für die radikalen Islamisten sind sie daher "Verräter". Sie haben ihnen Rache geschworen und mehrere ihrer Anführer durch Bombenattentate und Überfälle umgebracht. Falls sie oder ihre Gesinnungsgenossen nun in der Anbar-Provinz an die Macht kämen, müssten die Anführer der Dulaim - und wohl auch der gesamte Stamm - mit einer grausamen Rache rechnen.
Die Armee in Strassenkämpfen
Al-Maleki sah sich gezwungen, der Armee zu befehlen, in beide Städte zurückzukehren und die dortigen Kämpfer "zu eliminieren". Die Generäle taten sich mit den Dulaim zusammen. Auch al-Maleki selbst soll mit ihrem Chef verhandelt und einen Vertrag abgeschlossen haben. Die Dulaim sind zwar nicht gut zu sprechen auf al-Maleki und die reguläre Armee. Sie hatten gehofft, nach ihrem Sieg über die Islamisten im Jahr 2008 in die Armee aufgenommen zu werden. Doch al-Maleki vermied dies, weil er keine ausgesprochen sunnitischen Einheiten in seinen schiitisch dominierten Sicherheitskräften sehen wollte. Nur ein geringer Teil der Stammesleute wurde vom Staat angestellt, allerding nicht im Sicherheitsapparat. Die grosse Mehrzahl wurde links liegen gelassen, obwohl sie stets alle die Rache der Islamisten befürchten mussten.
Für die Dulaim sind die Islamisten jedenfalls der gefährlichste Feind. In den letzten Tagen gab es offenbar blutige Kämpfe um die Zentren der beiden Städte. Dass die Islamisten sich dort auf die Dauer werden halten können, ist unwahrscheinlich. Die Armee setzt Artillerie gegen sie ein. Auch Helikopter, die vor kurzem aus Russland geliefert wurden, fliegen Einsätze. Die Amerikaner haben der irakischen Armee eilig "Hellfire"-Rakten geliefert und Beobachtungsdrohnen versprochen. Wie zerstörerisch die "Rückeroberung" ausfallen wird und was dies für die Bevölkerung bedeutet, bleibt abzuwarten. Jeder sunnitische Tote wird von ihr unvermeidlich auf das Konto der Untaten der "schiitischen" Staatsmacht verbucht.
Überfüllte Gefängnisse
Schon jetzt herrscht böses Blut. In den Gefängnissen befindet sich eine riesige Anzahl sunnitischer Gefangener. Sie werden des „Terrorismus“ beschuldigt und aufgrund eines drakonischen Anti-Terror-Gesetzes festgehalten.
Die meisten von ihnen sind Sunniten. Den wenigsten wurde ein Prozess gemacht. Da die Zahl der Festgenommenen immer weiter anschwillt, können Richter und Untersuchungsbehörden nicht Schritt halten.
Hilft Asad den ISIS-Kämpfern?
Auf dem syrischen Kriegsschauplatz hat ISIS (die arabische Abkürzung des Namens ist "Da'sh", die auch von den Kämpfern verwendet wird) den Zorn der andern Rebellen erregt. Unter ihnen befinden sich alle andern islamischen Gruppen, aber auch die „Säkularen“. Überall, wo die Rebellen gemeinsam Gebiete erobert haben, versuchten die ISIS-Kämpfer die Oberhand zu gewinnen, die eroberten Gebiete unter ihre Verwaltung zu stellen und die andern Kämpfer zu verdrängen.
Oft, so sagen die Verdrängen, würde damit das Hauptziel des Aufstandes, der Kampf gegen Asad, aus den Augen verloren. ISIS beherrscht heute Raqqa, die einzige Provinzhauptstadt im Besitz der Rebellion. Zahlreiche Gruppen hatten bei der Eroberung der Stadt mitgewirkt. ISIS verdrängte die andern Kämpfer und unterwarf die Stadt ihrem Befehl.
Die Verdrängten behaupten, dies geschehe in heimlicher Zusammenarbeit mit den Leuten Asads. Als Beweis gegeben sie an, die Kommandozentralen von ISIS würden nie von den Regierungsflugzeugen bombardiert. Die Kommandozentralen der Nicht-ISIS-Rebellen jedoch würden angegriffen. Die Exilregierung im Ausland, die "Koalition", ist der gleichen Ansicht.
Kontrolle der Grenzübergänge zur Türkei
Eine andere Taktik von ISIS zielt darauf ab, die Grenzübergänge zur Türkei zu kontrollieren. So könnte ISIS bestimmen, wohin die humanitäre Hilfe, die über die türkische Grenze kommt, geliefert wird. Doch auch Munitions- und Waffenlieferungen würden von den ISIS-Leuten kontrolliert. Sie könnten sogar bestimmen, wo die Freiwilligen aus dem Ausland, die für den Jihad kämpfen wollen, zum Einsatz kommen.
Dies sind sehr wichtige Positionen für den gesamten Widerstand. Wenn ISIS sich dort ein Monopol erkämpfte, könnte es alle Konkurrenten und Mitstreiter dominieren.
Entsprechend hart waren die Kämpfe um diese Grenzpositionen - und auch um die Strassensperren in der nächsten Umgebung. ISIS hat dabei mehrmals Einheiten der Konkurrenten überfallen, ihre Führer gefangen genommen und alle Waffen an sich genommen. Offenbar sind auch Anführer der konkurrierenden Kampftruppen von ISIS-Leuten gefoltert und ermordet worden.
Auf Twitter: das Bild der Leiche
Der letzte derartige Fall war jener des Arztes und Guerillachefs einer der kleineren Einheiten, der "Ahrar ash-Sham" (Freien Syriens), die zur Allianz der Islamischen Front gehören. Dr. Hussain al-Sulaimani war Kommandant des wichtigen Grenzübergangs Bab al-Hawa an der Hauptstrasse von Aleppo nach Antiochien.
ISIS eroberte den Grenzposten und nahm Dr. Hussain gefangen, Wenige Tage danach wurde seine verstümmelte Leiche, die Folterspuren aufwies, an seine Kampfgefährten zurückgegeben. Das Bild der Leiche auf Twitter erregte Abscheu und Wut.
ISIS wird auch vorgeworfen, Waffen anderer Gruppen zu stehlen. Die ISIS-Leute sollen sich auch weigern, beim Aufbau einer gemeinsamen Sharia-Rechtsstruktur mitzuwirken. Diese war von den andern Gruppen ausgearbeitet worden. Ihr Ziel wäre, in den eroberten Gebieten eine gemeinsame provisorische Verwaltung zu errichten. ISIS stellt dagegen seine eigenen Sharia-Gerichte auf. Die Gruppe entführe auch Journalisten und zivile Aktivisten.
Aktionsbündnisse gegen ISIS
Neben der im Dezember gegründeten Allianz der Islamischen Front gibt es zwei neue Bündnisse, die nun ebenfalls gegen ISIS kämpfen. Sie heissen Heer der Kämpfer im Heiligen Krieg (Jaish al-Mujahidin) und Front Syrischer Revolutionäre. Die Kämpfer der Freien Syrischen Armee sind schon seit geraumer Zeit, besonders in der Provinz Idlib, in Gefechte mit Leuten von ISIS verwickelt. Die Kämpfe sind unübersichtlich und über weite Gebiete verstreut. Um den Luftangriffen der syrischen Armee zu entgehen, operieren die Rebellen in kleinen Gruppen. Nur bei grösseren Aktionen agieren sie gemeinsam.
Diese kleinen Kampftruppen sind immer wieder aneinander geraten. Sie kämpfen – gegeneinander – um einzelne Stellungen, Strassensperren und Quartiere, die sich zwischen Idlib und der Jazira befinden – ebenso in der geteilten Stadt Aleppo. Karten der höchst komplizierten Lage findet man auf dem Blog von Joshua Landis, "Syria Comment" vom 4. Januar.
Nusra bleibt am Rande
Bemerkenswert ist, dass die zweite mit al-Qa'eda verbundene Kampfgruppe Syriens, die Nusra-Front, zwar nicht zu den Gruppen gehört, die gegen ISIS Krieg führen, jedoch auch nicht auf Seiten von ISIS steht und an ISIS Kritik übt. Die Feinde von ISIS fordern, die Kampfgruppe habe ihre Waffen abzugeben, ihre Kämpfer in die anderen Gruppen einzugliedern und die Ausländer, die dies nicht wollten, nach Hause zu schicken.
ISIS ist in der Tat die erste Anlaufstelle für Jihadisten aus dem arabischen und europäischen, sogar dem amerikanischen Ausland. Bei ISIS werden sie leicht aufgenommen. Auch die Nusra-Front nimmt sie auf, fordert jedoch eine lange und gründliche Probezeit, die ihre Loyalität, Disziplin und Kampfentschlossenheit erweisen soll.
Landesfremde Kämpfer und Ziele
Die syrische Bevölkerung erklärt sich die Brutalität und mangelnde Solidarität von ISIS damit, dass es sich um Kämpfer fremder Inspiration handle, die nur ihre eigenen Ziele verfolgten. Dies zeige schon der Deckname ihres obersten Führers, des sogenannten Abu Bakr al-Bagdadi.
Der innere Krieg, der nun offen gegen ISIS in Syrien geführt wird und der auch im Irak stattfindet, stellt die Kampfesfront vor eine harte Probe. Dass ISIS ganz zum Verschwinden gebracht werden kann, ist unwahrscheinlich. Der irakische Aussenminister, Hoshyar Zebari, ein Kurde, schätzt die Zahl der ISIS-Kämpfer auf 12‘000 Mann. Die irakischen Sicherheitskräfte sollen insgesamt 930‘000 Mann ausmachen.
Man kann jedoch vermuten, dass die ISIS-Leute sich mit ihren Versuchen, eigene "Emirate" auf syrischem und auf irakischem Boden zu schaffen, übernommen haben. Sie könnten gezwungen werden, in Zukunft unterzutauchen und im Untergrund zu agieren. In diesem Fall ist zu befürchten, dass sie sich noch stärker als bisher auf den Bombenkrieg konzentrieren werden. Dies ist die normale Entwicklung wenn eine Kampfgruppe die Fähigkeit verliert, in offenem Guerillakrieg gegen ihre Feinde zu kämpfen. Bombenattentate sind seit jeher - seit dem amerikanischen Krieg im Irak - eine Spezialität der irakischen Jihadisten – eine Spezialität, die stets weiterentwickelt und raffinierter wurde.