Der General versuchte, sich das Leben zu nehmen. So wollte er der Schmach einer Absetzung zuvorkommen. Das war am 26. Januar 1871. Die Deutschen waren dabei, den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 zu gewinnen.
Denis Charles de Bourbaki befehligte die französische „Armée de l’Est“: fast 100’000 Soldaten. Sie hatten in diesen letzten Kriegsmonaten verzweifelt versucht, die Deutschen bei Belfort anzugreifen. Doch die hungernde und frierende Bourbaki-Armee wurde aufgerieben, zurückgeschlagen und bei Pontarlier eingekesselt. Viele starben in diesem eiskalten Winter 1870/71.
87’000 Soldaten, 12’000 Pferde
Bourbaki überlebte den Suizidversuch. General Justin Clinchant übernahm seine Nachfolge und führte die Bourbaki-Armee in Richtung Schweiz. Mit General Hans Herzog, dem Oberbefehlshaber der Schweizer Armee, schloss Clinchant den „Vertrag von Les Verrières“. Dieser erlaubte es, den übriggebliebenen 87’000 verzweifelten Soldaten in der Schweiz Zuflucht zu suchen.
Vom 1. bis 3. Februar 1871 überquerten sie zusammen mit 12’000 Pferden bei Les Verrières im tiefverschneiten und eiskalten Val de Travers im Neuenburger Jura die Schweizer Grenze. Bedingung war, dass sie ihre Waffen und ihre Munition beim Übertritt in die Schweiz abgaben.
Riesige Solidaritätswelle
Die Franzosen wurden in der Schweiz mit offenen Armen empfangen und in 190 Lagern in allen Kantonen verteilt – ausser im Tessin. Man wollte den geschwächten Franzosen die Reise über den verschneiten Gotthardpass nicht zumuten. Eine riesige Solidaritätswelle schwappte über das Land. Dies, obwohl die Bevölkerung im Land innerhalb von drei Tagen um drei Prozent angewachsen war, was den jungen schweizerischen Bundesstaat schwer belastete.
Überall entstanden Hilfskomitees, die den „Bourbakis“ halfen. Frauenvereine kochten für die Franzosen, nähten Kleider für sie und brachten Schuhe. Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter leisteten Sonderschichten.
Das IKRK, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, kam zu seinem ersten Grosseinsatz, den es vorbildlich meisterte. 1’700 Internierte waren nicht mehr zu retten: sie starben an Entkräftung, Verletzungen und Krankheiten. Sie wurden in der Schweiz beigesetzt.
Einen Monat später, im Februar, ging der Krieg zu Ende. Die Franzosen verloren das Elsass und Lothringen. Jetzt, sechs Wochen nach ihrer Ankunft in Les Verrières, verliessen die Bourbakis die Schweiz wieder und kehrten in ihre Heimat zurück. Später überwies die französische Regierung der Schweiz 12 Millionen Franken für ihre Hilfeleistung.
Ein monumentales Dokument
Heute zeugt das Bourbaki-Panorama in Luzern vom Übertritt der „Armee de l’Est“ in die Schweiz. Das 110 mal 14 Meter grosse Panorama wurde vom Genfer Maler Édouard Castres angefertigt. Zu seinen zehn Mitarbeitern gehörte der junge Ferdinand Hodler.
Castres war Augenzeuge des Grenzübertritts der Bourbakis. Als Sanitäter des Roten Kreuzes hatte er in der Ostarmee gedient und trat mit ihr in Les Verrières in die Schweiz über. Schon kurz nach Kriegsende fertigte er erste Skizzen des monumentalen Rundgemäldes an.
Bourbaki wurde nicht, wie er befürchtete, degradiert. Er übernahm nach Kriegsende das 6. Französische Armeekorps. 1881, zehn Jahre nach Kriegsende, schied er aus der Armee aus. Er starb am 22. September 1897 in Cambo bei Bayonne in Südfrankreich.
Siehe auch: Étiez-vous à Sedan?
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