Man muss es Putin lassen: Er hat mit wachem Gespür die lauernden Risiken seines militärischen Engagements in Syrien erkannt und nach einer vorläufigen Stabilisierung der Asad-Diktatur den teilweisen Rückzug seiner Streitkräfte aus dem Bürgerkriegsland bekanntgegeben. Damit hat er die Gefahr, in dem nahöstlichen Sumpf stecken zu bleiben reduziert. Er kann sich auf der weltpolitischen Bühne als schlagkräftiger Akteur präsentieren, der mit begrenztem Einsatz einiges zum jetzigen Waffenstillstand in Syrien beigetragen hat. Gleichzeitig sind die Aussichten für die Genfer Friedensgespräche verbessert worden.
Allseits gibt es Grund zum Aufatmen, dass das grauenvolle Blutvergiessen in Syrien eingedämmt ist. Doch es gibt Kommentatoren, die nun messerscharf behaupten, Putin habe Amerika und Obama im Nahen Osten „deklassiert“. Was hätte Obama denn erreichen können, wenn er mit geballten US-Streitkräften in Syrien interveniert hätte? Im allerbesten Fall den Sturz der Asad-Diktatur (was Putin ja unbedingt verhindern will). Aber glaubt jemand im ernst, dass sich dann in Syrien halbwegs stabile Verhältnisse ausgebreitet hätten? Die Gewaltausbrüche im Irak und in Libyen nach dem Sturz Saddam Husseins und Ghadhafis legen ein sehr viel unheilvollere Muster nahe.
Obama hat gut daran getan, aus dem Irak-Desaster seines Vorgängers Bush junior vernünftige Lehren zu ziehen und sich nicht ohne durchdachten Plan in ein neues militärisches Abenteuer im nahöstlichen Flugsand zu verwickeln. Wenn das eine amerikanische „Deklassierung“ sein soll, so verweist das auf ein ziemlich engstirniges Wertesystem. Obamas bevorstehender Besuch in Kuba nach 54 Jahren Eiszeit zwischen Washington und Havanna spricht dafür, dass sein aussenpolitischer Blick weit über machohafte tagespolitische Machtspielchen hinausreicht.
Putins vorläufiger Prestige-Erfolg in Syrien ist im Übrigen kein Grund, die westlichen Sanktionen gegen Russland zu lockern, bevor die Bedingungen des Minsker Waffenstillstandes vom Februar 2015 in der ostukrainischen Kriegszone erfüllt sind. Wenn Putin dort ein Ende seiner Intervention beschliesst, würde das ihm und dem russischen Volk auf lange Sicht wirtschaftlich und politisch nachhaltigere Ergebnisse einbringen, als abenteuerliche Kraftakte auf der nationalistischen Klaviatur.