Über fünfzig Jahren Entwicklungshilfe – zumal die staatlich verordnete – haben der Dritten Welt und der Schweiz wenig gebracht. Die Schweiz erhält von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD trotzdem leidlich gute Noten. Zu Recht?
Spendierfreudige Wohltäter
Viele der recht gut bezahlten Beamten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA in Bern wehren sich gegen Reformmassnahmen. Die seit 2008 in Angriff genommenen Restrukturierungsarbeiten haben zum Ziel, mehr Transparenz zu schaffen und die vom Parlament üppig bewilligten Hilfsgelder effizienter und vor allem nachhaltiger einzusetzen.
Bis ins Jahr 2017 sollen die meisten DEZA-Büros mit den Botschaften zusammengelegt werden. Die spendierfreudigen DEZA-Wohltäter kommen so – endlich – unter bessere Kontrolle. Natürlich passt das vielen amtlichen Entwicklungshelfern nicht.
Überflüssige Auftritte
Bis 2008 konnte der ehemalige DEZA-Direktor Walter Fust fast so walten und schalten, wie es ihm beliebte. Während mehr als einem Jahrzehnt gab er gekonnt den Wohltäter. Medienwirksam zum Beispiel jettete er 2008 nach dem Tsunami nach Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra, um am Ort die Lage zu erkunden. Fähige, dort arbeitende DEZA-Mitarbeiter hatten sehr wohl die Übersicht und bezeichneten die Fust-Reise - damals leider off-the-record - als „völlig überflüssig“.
Doch der rührige DEZA-Supremo wollte nicht nachstehen, schliesslich waren auch Bill Clinton und andere Politgranden dort präsent. Vor allem aber wollte Fust Flagge zeigen, weil die damalige Aussenministerin Calmy-Rey – von Polemikern auch Calamity-Reisli genannt – in Thailand ihren ebenfalls überflüssigen Tsunami-Auftritt zelebrierte, nicht wie üblicherweise breit lachend, dennoch aber medienwirksam mit Mundschutz.
Mehr Transparenz bitte
Satte 0,45 Prozentpunkte des Brutto-Inlandprodukts BIP oder rund 2,7 Milliarden Franken hat 2012 die Eidgenossenschaft für die Entwicklungshilfe – oder politisch korrekter – "Entwicklungszusammenarbeit" spendiert. Im kommenden Jahr soll die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz sogar 0,5 Prozent des BIP ausmachen.
Ziel der UNO wären 0,7 Prozent. Immerhin, unter 24 Vergleichsstaaten liegt derzeit die Schweiz mit 0,45 Prozenten an zehnter Stelle. „Das ist eine Erfolgsgeschichte“, wird in dem alle vier Jahre vom OECD-Entwicklungsausschuss herausgegebenen Länderbericht festgestellt.
Nach so viel Lob kommt das grosse Aber: mehr Transparenz bitte. Für die Parlamentarier, besonders aber für die Steuerzahler. Im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und vor allem beim DEZA bräuchte es dafür aber zuvörderst eine klare Strategie. Zahlen, harte Fakten und aussagekräftige Informationen zu mittel- und langfristigen Projekten aus dem SECO und der DEZA sind Mangelware.
Geld an China
Wie in anderen Bundesdepartementen sind eben auch in den für Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Verwaltungen gut honorierte Informations- und Kommunikations-Profis zuständig dafür, dass aussagekräftige Informationen verhindert werden und alles andere zuhanden der Journalisten und der Öffentlichkeit weichgespült und flachgebürstet wird.
Trotz allem Lob hält sich die OECD nicht mit Kritik zurück. Unter anderem wird eine entwicklungspolitische Konzentration gefordert, zum Beispiel auf ärmste, schwache und politisch am Abgrund stehende Länder. Die Schweiz aber verteilt ihre Hilfsgelder mit der Gieskanne auf siebzig Länder. Die zwanzig meist bitterarmen Schwerpunktländer bekommen gerade einmal ein Viertel der Gelder zugesprochen. Dass auch aufstrebende Volkswirtschaften wie China zu den Begünstigten gehören, ist nur schwer verständlich.
Handelsbeschränkungen
Besonders pikant: Der OECD-Bericht verweist auf die hohen Importbeschränkungen und Subventionen der Schweizer Landwirtschaft. Bern allerdings setzt wie andere Industrie-Länder – USA, Kanada, Argentinien, die EU oder Japan – auf nationale Nahrungssicherheit durch einheimisches Schaffen. Ein Scheinargument, das die Doha-Runde der UNO-Welthandelsorganisation WTO fast zum Scheitern brachte.
Mit andern Worten: Die Industriestaaten und damit auch die Schweiz verhindern seit Jahrzehnten mit Erfolg den ansonsten so geliebten und hochgehaltenen Freihandel. Renommierte Ökonomen, zumal aus Lateinamerika, haben längst nachgewiesen, dass die Industriestaaten bei einer Globalisierung des Agrarmarktes sich den grössten Teil der Entwicklungshilfsgelder sparen könnten.
Zielloses Wischiwaschi
Was haben die staatlichen Entwicklungshelfer der Schweiz in einem halben Jahrhundert gelernt? Wenig. Fust-Nachfolger Martin Dahinden – inzwischen als Botschafter in die USA nach oben oder auf die Seite befördert – bringt es mit einer diplomatischen Platitüde auf den Punkt: „Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz zielt grundsätzlich darauf ab, Resultate zu erreichen“. So so!
Doch die Resultate in der Entwicklungszusammenarbeit müssen mit der Lupe gesucht werden. Die Finanzkontrolle des Bundes konnte im vergangenen Jahr nur wenig „Nachhaltigkeit“ feststellen.Es fehlte nicht nur an „relevanten Zielwerten und Parametern“, bemängelten die Prüfer, sondern auch an einer einigermassen zuverlässigen Dokumentation. Fokussierung anstelle von ziellosem Wischiwaschi wäre also gefordert. Doch wie macht man das, wenn neben DEZA und SECO noch weitere Bundesämter sowie Pro Helvetia ziemlich planlos in der Entwicklungshilfe tätig sind?
Sinnloser Wettbewerb
Dazu kommen die Hilfswerke, organisiert in der Lobby-Organisation „Alliance Sud“. Kein Wunder dass die Nichtregierungs-Organisationen sich gegen die DEZA-Restrukturierung im Rahmen des Aussenministeriums EDA aussprechen.Denn die Arbeit der privaten und staatlichen Gutmenschen ist mittlerweile zu einer lukrativen Hilfsinsindustrie geworden. Dass die staatliche genauso wie die private Entwicklungshilfe sich zwecks betriebswirtschatlicher Synergien vermehrt koordinieren oder noch besser zusammenschliessen müsste, ist offenbar mit dem Geschäftsmodell der mit Steuer- und Spenden-Geldern alimentierten Hilfsindustrie nicht vereinbar. Wie oft war am Schauplatz von humanitären Katastrophen übelste Konkurrenz unter privaten und staatlichen Hilfswerken zu beobachten, und das sowohl in der Phase der Katastrophenhilfe als auch beim mittel- und längerfristigen Wiederaufbau.
Die Experten des oben zitierten OECD-Entwicklungsauschusses fordern deshalb unter anderem mehr aussagekräftige Information. Für das SECO und die DEZA wird ein „Wandel der Transparenzkultur“ angemahnt. Der als Schweizer Botschafter nach Washington entschwindende DEZA-Direktor Martin Dahinden ist auch da nicht um eine diplomatische Platitüde verlegen: „Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ist eine permanente Herausforderung“. Wie wahr.
Doch Zahlen, Fakten, kurz: die nackte Wahrheit, ist offenbar für die mit Steuergeldern reichlich bezahlten Weisswäscher in der DEZA, im SECO und andern Bundesämtern zuviel verlangt. Trotzdem beklagt sich Dahinden ganz undiplomatisch wehleidig, dass es „für langfristige Entwicklungszusammenarbeit schwierig geworden ist, Interesse zu wecken“. Das ist Unsinn. Jeder Kommunikationsberater – auch im DEZA – weiss: anstatt zu blockieren, schönzureden, abzuwehren wären endlich mit mehr Offenheit und mehr Transparenz Interesse zu wecken. So einfach ist das.